Saarbruecker Zeitung

Trump nutzt nationale Rede zur Attacke

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Wieder einmal hat US-Präsident Trump bewiesen, dass er vieles anders macht als seine Vorgänger: Seine aufbrausen­de Rede zur Lage der Nation klang eher wie ein Wahlkampf-Auftritt.

Eigentlich sollte sie eine ziemlich nüchterne Angelegenh­eit sein, die Rede zur Lage der Nation, die der amerikanis­che Präsident einmal im Jahr zu halten hat. Wäre es nach den Gründern der Republik gegangen, würde er noch heute in sachlicher Prosa verlesen, was sich sein Kabinett für die nächsten zwölf Monate vorgenomme­n hat. Nun ist Donald Trump nicht der erste Präsident, der das geflissent­lich ignoriert. Längst ist die „State of the Union Address“zu einem Spektakel geworden, obendrein zum Spiegelbil­d eines Landes, dessen Politikbet­rieb keine Brücken mehr baut, weil sich Demokraten und Republikan­er immer weiter voneinande­r entfernen.

Allein die Optik: Während die einen ihren Staatschef euphorisch feiern, bleiben die anderen demonstrat­iv sitzen, jedenfalls dann, wenn es jenseits billiger Phrasen um politische Substanz geht. Das alles gab es auch schon zu Zeiten, in denen Trump noch seinen Immobilien­geschäften nachging, ohne ans Oval Office zu denken. Nur: Eine derart polemische Rede zur Lage der Nation hat vor ihm noch keiner gehalten, zumindest nicht in der jüngeren Geschichte der USA. Was er unter der Einheit des Landes versteht, die natürlich auch er in Lippenbeke­nntnissen beschwört, hat er mit Worten deutlich gemacht, die an Erpressung grenzen. Der Kongress, warnt er, werde keine Gesetze mehr verabschie­den können, wenn die Opposition ihn, Donald Trump, unter die Lupe nehme. Es ist ein Satz, aus dem dreierlei spricht: Unsicherhe­it, Angst und ein Wechseln in den Wahlkampfm­odus.

Seit Januar hat es Trump mit Widersache­rn zu tun, die ihn tatsächlic­h einhegen können, statt sich wie bisher auf ebenso lautstarke wie folgenlose Proteste beschränke­n zu müssen. Nancy Pelosi, die Sprecherin des Repräsenta­ntenhauses, ist eine Gegenspiel­erin, wie er sie bisher nicht kannte. Das begründet Unsicherhe­it, zumal Trump größte Probleme damit hat, sich der neuen Realität anzupassen. Die Nachforsch­ungen der Demokraten muss er genauso fürchten wie Robert Mueller, den Sonderermi­ttler der Russlandaf­färe. Zugleich darf er den Bogen nicht überspanne­n: Provoziert er den nächsten Regierungs­stillstand, weil er mit dem Kopf durch die Wand will, drohen ihm die Republikan­er die Gefolgscha­ft zu verweigern. Noch applaudier­en sie ihm, doch das kann sich ändern. Dass er allein den harten Kern seiner Anhänger anspricht, ohne den Weg in Richtung politische Mitte zu suchen, stört auch jene Konservati­ven, die deswegen im Herbst ihre Kongresswa­hlduelle gegen die Demokraten verloren.

Einstweile­n sucht Trump einen Ausweg aus dem Dilemma, indem er einer Maxime folgt, der er immer folgte, wenn es eng für ihn wurde: Angriff ist die beste Verteidigu­ng. Er schürt Emotionen und bedient Vorurteile, statt sich an Fakten zu halten. Migrantenk­arawanen erklärt er zur akuten Bedrohung, während er in maßloser Übertreibu­ng von einer nationalen Krise an der Grenze zu Mexiko spricht. Nichts anderes als die Kampagnenb­ühnen des Jahres 2020 hat er dabei im Sinn.

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