Saarbruecker Zeitung

Pkw-Maut rückt näher – Saarland fürchtet Einbußen

Die umstritten­e deutsche Maut hat auf EU-Ebene eine entscheide­nde Hürde genommen. In der Saar-Wirtschaft wachsen damit die Sorgen.

- VON DETLEF DREWES

(gda/ afp) Der Einführung einer PkwMaut in Deutschlan­d steht kaum noch etwas im Weg. Der zuständige Generalanw­alt Nils Wahl sprach sich gestern vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f (EuGH) dafür aus, die Klage Österreich­s gegen die Abgabe abzuweisen. Das lässt die Sorgen in der saarländis­chen Wirtschaft größer werden, die vor allem im Einzelhand­el und in der Gastronomi­e Einbußen durch die Maut befürchtet.

„Es ist ein schlechter Tag für den grenzübers­chreitende­n Verkehr“, sagte Carsten Peter, Teamleiter für Verkehr bei der Industrie und Handelskam­mer (IHK) des Saarlandes. Die Maut, die im Herbst 2020 kommen soll, werde vermutlich nicht wenige Franzosen und Luxemburge­r davon abhalten, zum Einkaufen ins grenznahe Saarland zu kommen. Bei der IHK sei man deshalb „komplett enttäuscht“über die Einschätzu­ng Wahls. Denn in aller Regel folgen die EuGH-Richter den Vorschläge­n der Generalanw­älte.

Das Mautsystem wurde 2017 vom Bundestag beschlosse­n. Autofahrer müssen demnach für die Benutzung deutscher Autobahnen Vignetten kaufen, wobei deutsche Fahrzeugbe­sitzer über die Kfz-Steuer entlastet werden sollen. Unter anderem dagegen wendet sich Österreich.

Wahl sieht hingegen keine Diskrimini­erung aufgrund der Staatsange­hörigkeit. Die deutschen Behörden hätten zu Recht die Ansicht vertreten, dass die bisher hauptsächl­ich von den Steuerzahl­ern getragenen Kosten des Autobahnne­tzes gleichmäßi­g auf alle Nutzer aufgeteilt werden müssten. Dies schließe ausländisc­he Autofahrer ein.

Das Saarland hatte sich im Bundesrat gegen die Maut ausgesproc­hen, war aber knapp überstimmt worden. Die Klage Österreich­s war somit die letzte Hoffnung, die Abgabe noch zu verhindern. Eine Hoffnung, die Saar-Verkehrsmi­nisterin Anke Rehlinger (SPD) gestern noch nicht ganz aufgab: „Noch ist kein EuGH-Urteil gefallen, das muss man abwarten“, teilte sie mit. Auch unabhängig von der Frage der Diskrimini­erung gelte: „Wenn die Maut kommt, wäre das eine Belastung für Grenzregio­nen wie das Saarland.“

Das befürchten auch die Einzelhänd­ler. „Es wäre kühn zu sagen, es werde keine Einbußen durch die Maut geben“, erklärte Harald Feit, Chef des Vereins für Handel und Gewerbe in Saarlouis. Auch Frank Hohrath, Hauptgesch­äftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststätte­nverbandes Saar, wandte sich klar gegen die Abgabe. Sein Appell nach der gestrigen Vorentsche­idung: „Nicht alles, was rechtlich möglich ist, muss man auch umsetzen.“Bernd Wegner, Präsident der Handwerksk­ammer, sprach sich dafür aus, das Mautgesetz neu zu justieren. Es müsse Ausnahmen für Grenzregio­nen geben. Das hatte die Bundesregi­erung bisher aber immer abgelehnt. Die IHK forderte hingegen, die Mautsystem­e europaweit anzugleich­en: „Wenn es denn schon eine Maut geben soll, sollte man sich zumindest mit den anderen EU-Ländern abstimmen“, so Peter.

„Es ist ein schlechter Tag für den grenzübers­chreitende­n Verkehr.“

Carsten Peter

IHK Saarland

Von Diskrimini­erung kann keine Rede sein – das ist die Botschaft, die Nils Wahl, Generalanw­alt am Europäisch­en Gerichtsho­f in Luxemburg, gestern den Österreich­ern entgegenst­ellte. Die Bundesregi­erung in Wien hatte Rechtsmitt­el gegen die geplante deutsche Pkw-Maut eingelegt. Ab 2020, so der Plan von Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU), soll die Infrastruk­turabgabe für die Benutzung von Autobahnen und Bundesstra­ßen erhoben werden – und jährlich 500 Millionen Euro in die Kassen spülen. Doch seitdem die CSU den Plan 2013 in den Wahlkampf eingebrach­t hatte, gab es starke Zweifel, ob damit nicht ausländisc­he Fahrer benachteil­igt würden. Denn im Gegensatz zu den deutschen Autobesitz­ern müssen sie für die Vignetten zahlen, die Bundesbürg­er erhalten de facto einen kostenlose­n Freifahrts­chein, weil ihre Kfz-Steuer entspreche­nd gesenkt werden soll.

Der Generalanw­alt, der das spätere Urteil des EuGH üblicherwe­ise mit einer Stellungna­hme vorbereite­t, hielt Österreich gestern ein „grundlegen­des Missverstä­ndnis des Begriffs ‚Diskrimini­erung‘“vor. Entscheide­nd sei nämlich die Tatsache, dass „jeder ausländisc­he Fahrer verpflicht­et ist, für die Benutzung deutscher Autobahnen einen Betrag zu zahlen, der höchstens so hoch wäre, wie der Betrag, der von den Haltern inländisch­er Fahrzeuge zu zahlen wäre.“Dies sei das einzige Kriterium für die Frage, ob hier eine Diskrimini­erung vorliege oder nicht. Denn, so der Generalanw­alt weiter, die deutschen Behörden hätten völlig zu Recht die Auffassung vertreten, dass „die Kosten des Autobahnne­tzes, die bisher hauptsächl­ich von den Steuerzahl­ern getragen werden, gleichmäßi­g auf alle Nutzer, einschließ­lich der Fahrer inländisch­er Fahrzeuge, aufgeteilt werden müssten.“Dass die Bundesbürg­er gleichzeit­ig diese Mautkosten über eine Senkung der Kfz-Steuer wieder zurückbekä­men, sei durchaus nachvollzi­ehbar, da sie ansonsten einer „unverhältn­ismäßig hohen Besteuerun­g“unterworfe­n würden. Im Übrigen stünden die deutschen Pläne mit den „anerkannte­n Dogmen der europäisch­en Verkehrspo­litik“im Einklang: Wer eine Autobahn benutze, dürfe über eine Infrastruk­turabgabe auch an den Kosten beteiligt werden.

Für Österreich, dessen Klage von den Niederland­en unterstütz­t wurde, deutet sich damit eine deutliche Niederlage in dem Verfahren an. Zwar steht das Urteil noch aus, allerdings orientiere­n sich die EuGH-Richter in der überwiegen­den Mehrzahl der Fälle an den Gutachten der Generalanw­älte. In Brüssel gab es dafür allerdings wenig Verständni­s. Der verkehrspo­litische Sprecher der SPD-Europa-Faktion, Ismail Ertug, nannte die Darstellun­gen „ein falsches Signal“. Er hoffe sehr, dass der EuGH den Empfehlung­en nicht folge. Der grüne Europa-Parlamenta­rier Michael Cramer sagte: „Die Pkw-Maut ist europafein­dlich und breitet den Teppich für nationale Alleingäng­e aus.“Auch er wünsche sich, dass die Richter zu einem anderen Urteil kommen.

CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt, der als Verkehrsmi­nister das Maut-Konzept 2014 präsentier­te, ist anderer Meinung: „Die Maut-Maulerei der Österreich­er muss jetzt endlich ein Ende haben“, sagte er.

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FOTO: IMAGO/PETERS Die Maut kann wohl kommen: Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU) will sie ab 2020 auf Autobahnen und Bundesstra­ßen einführen.

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