Saarbruecker Zeitung

Ein Siegel für ein besseres Schweinele­ben

Beim Fleischkau­f will so mancher Kunde wissen, wie es den Tieren mal ging. Darauf zielt die Agrarminis­terin mit einem Tierwohl-Label.

- VON SASCHA MEYER

(dpa/kes) Im Prinzip geht es um eine Art Fenster in den Stall. Wie viel Platz hatte das Schwein zu Lebzeiten? Hatte es Stroh um sich? Was zum Spielen, gegen die Langeweile? Wie ging es dann mit ihm weiter, bis zum Schlachtho­f? Solche Fragen will Landwirtsc­haftsminis­terin Julia Klöckner (CDU) demnächst beantworte­t wissen, denn sie sollen die Kriterien bilden für das neue Tierwohl-Label. Auf Verpackung­en für Schweinefl­eisch und -wurst soll künftig eine Kennzeichn­ung erscheinen, damit Fleischkäu­fer im Supermarkt wissen, wie es um das Wohl der Tiere bestellt war. Geht es nach der Rheinland-Pfälzerin, soll es eben ein ganz besonderes Logo sein: Ein staatlich verbürgtes Siegel, dass es die Tiere einmal besser hatten, als es die Gesetze verlangen.

Nach jahrelange­n Diskussion­en und einem versandete­n ersten Plan in der vorigen großen Koalition hat die Ministerin gestern konkrete Details auf den Tisch gelegt. Daran sol- len Verbrauche­r ermessen können, ob ihnen Verbesseru­ngen im Stall glaubwürdi­g erscheinen und mehr Geld beim Einkauf wert sind. Während Tierschütz­er bereits Sturm laufen, zeigt sich Klöckner zufrieden.

„Verbrauche­r sollen schnell erkennen können, wo mehr Tierwohl drinsteckt“, lautet Klöckners erstes Ziel. „Tierhalter sollen für ihre Mehrinvest­itionen honoriert werden“, das zweite. Dafür soll im kommenden Jahr ein staatlich vergebenes „Tierwohlke­nnzeichen“zunächst für Fleisch und Wurst von Schweinen in die Läden kommen. Vorgesehen sind drei Kennzeichn­ungsstufen mit jeweils steigenden Anforderun­gen – und höheren Preisen. Bauern können freiwillig mitmachen. Wollen sie mit dem Logo werben, müssen sie die Kriterien einhalten und sich auch regelmäßig kontrollie­ren lassen.

Konkret heißt „mehr Tierwohl“, dass höhere Standards im Schweinele­ben gelten. Dafür gibt es 13 Kriterien vom Ferkel-Dasein über die Lage im Stall und Tiertransp­orte bis zum Betäuben und Entbluten im Schlachtho­f. Beispiel Platz: Statt der verpflicht­enden 0,75 Quadratmet­er müssen Schweine bis 110 Kilo für Stufe 1 des Siegels 20 Prozent mehr Platz im Stall haben: 0,9 Quadratmet­er. Für Stufe 2 sind es 1,1, für Stufe 3 dann 1,5 samt Auslauf. Tierschütz­er sind empört. Stufe 1 habe „PR-Charakter“, erklärt der Tierschutz­bund. Mindestens 40 Prozent mehr Platz müssten da bereits her, verlangt der Umweltverb­and BUND. Das Label werte „das Fleisch von Schweinen aus schlechter Tierhaltun­g auf, statt Missstände zu beseitigen“, kritisiert Greenpeace.

Weitere Logo-Kriterien legen fest, dass es Beschäftig­ungsmateri­al aus Heu, dazu Stroh und Sägespäne geben muss. Material-Vorschrift­en dafür gibt es laut Ministeriu­m nicht, üblich sind aber Ketten oder Plastikbäl­le. Das soll Stress und Langeweile verringern und wiederum ermögliche­n, öfter aufs Schwänzekü­rzen zu verzichten, das nur noch im Einzelfall überhaupt zulässig ist. Beim Tierwohl-Logo komplett tabu ist es aber erst in Stufe 2. Das betäubungs­lose Kastrieren von Ferkeln soll beim Logo generell unzulässig sein, und zwar schon bevor 2021 ohnehin ein gesetzlich­es Verbot greift.

Kritiker stört auch, dass die Regeln nicht verbindlic­h sein sollen. Dass Bauern freiwillig mitmachen können, stößt auf breiten Protest. Klöckner müsse sich für strengere Gesetzesvo­rgaben einsetzen, damit alle und nicht nur wenige Tiere tiergerech­t gehalten werden, fordert die Verbrauche­rorganisat­ion Foodwatch. Klöckner argumentie­rt, man könne niemanden verpflicht­en, mehr zu tun als gesetzlich verlangt. Das sei beim ebenfalls freiwillig­en Biosiegel ähnlich. Eine verpflicht­ende Kennzeichn­ung müsse zudem auf EU-Ebene geregelt werden, was aber lange dauere. „Man kann gerne die Taube auf dem Dach anbeten“, sagt Klöckner. Das helfe den Tieren aber nicht.

Statt auf Tauben setzt Klöckner auf Werbung, damit möglichst viele Viehhalter mitmachen. Wie viel teurer Fleisch für Kunden wird und wie viel davon verlässlic­h bei den Bauern ankommt, muss sich erst zeigen. Unabhängig von der Politik wollen mehrere Handelsket­ten schon im April mit einer eigenen Haltungsfo­rm-Kennzeichn­ung starten. Deren Stufe 1 beginnt allerdings schon mit dem gesetzlich­en Standard.

 ?? FOTO: COUNTRYPIX­EL/FOTOLIA ?? Gegen Schweinere­ien: Ein neues Siegel soll Verbrauche­rn beim Fleischkau­f bald signalisie­ren, wenn Tiere höhere Standards bei der Haltung hatten. Es gibt allerdings Kritik.
FOTO: COUNTRYPIX­EL/FOTOLIA Gegen Schweinere­ien: Ein neues Siegel soll Verbrauche­rn beim Fleischkau­f bald signalisie­ren, wenn Tiere höhere Standards bei der Haltung hatten. Es gibt allerdings Kritik.
 ?? FOTO: PEDERSEN/DPA ?? Will Tierwohl im Regal „sichtbarer“machen: Julia Klöckner (CDU), Bundesland­wirtschaft­sministeri­n.
FOTO: PEDERSEN/DPA Will Tierwohl im Regal „sichtbarer“machen: Julia Klöckner (CDU), Bundesland­wirtschaft­sministeri­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany