Fatale Bauverschleppung am Eurobahnhof
Zweimal sorgte das Zwei-Ämter-Haus des Regionalverbandes für zeitraubenden Ärger. Daher liegt ein Großprojekt am Schloss auf Eis.
Zuerst die frohe Botschaft – dann ihre konfliktreiche Vorgeschichte: Das Jugendamt und das Sozialamt des Regionalverbandes (RV) müssen ab 2020 nicht im Regen stehen. Ihre neue Bleibe wird rechtzeitig fertig. Und sie kostet nicht mehr als geplant, nämlich rund 14 Millionen. Das hat Seltenheitswert. Die Rede ist vom nagelneuen Betonklotz in der Europaallee Nr. 11.
Dessen Entstehungsgeschichte ist ein Musterbeispiel dafür, was deutsche Bürokratie anrichten kann – auch wenn sie gar nichts tut. Ende 2015 ging’s los, noch bevor die Baugrube ausgehoben war. Da machte der Klotz die ersten Schlagzeilen. Denn da war er bereits vermietet, für 15 Jahre und 22,5 Millionen Euro, also für 125 000 Euro im Monat (ohne Nebenkosten).
Entgegen anders lautender Gerüchte wird der RV diese Miete aber erst bezahlen, wenn seine Ämter drin sind. Der Einzugstermin sollte Dezember 2017 sein – musste dann aber auf Dezember 2019 verschoben werden. Warum? Vor allem, weil die Vergabekammer (VK) des Landes allerhand Sand im Getriebe hatte.
Bauherr ist die städtische Gesellschaft für Innovation und Unternehmensförderung (Giu). Bei ihr hatte der RV Ende 2015 mit Blick in die Zukunft gemietet. Dabei hatte er allerdings ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) „übersehen“(die SZ berichtete).
Und das bescherte dem Projekt die erste Verzögerung: Konkurrenten der Giu zogen vor die VK. Die entscheidet im Normalfall in fünf Wochen. Diesmal brauchte sie allerdings zwei Monate – um festzustellen, dass die Sache trotz Verstoß gegen das EuGh-Urteil in Ordnung ging.
Glück gehabt. Nun konnte die Giu Anfang 2016 die Bauarbeiten – Planung und Bau zusammen – europaweit ausschreiben. Der billigste Bieter sollte den Auftrag erhalten.
Da kam die nächste Verzögerung: Zwei Konkurrenten protestierten und zogen im April 2016 vor die VK. Und diesmal kam die VK gar nicht zu Potte. Monate verstrichen. Der Sommer ging ins Land, die Preisbindungen der Angebote fielen. Und trotzdem kam keine Entscheidung von der VK.
Kurz vor Weihnachten 2016 zog die Giu die Notbremse. Sie hob die Ausschreibung auf und suchte einen neuen Weg, um das Projekt zu verwirklichen. Und das ging so: Die Giu plante das Gebäude selbst, stellte den Bauantrag und schrieb anschließend alle Gewerke einzeln aus. Zuerst den Beton.
Billigster Bieter war die Firma MBG. Die gehört der Frau des ehemals straffälligen Bauunternehmers M. Die Giu zweifelte an der Leistungsfähigkeit dieser Firma und wollte sie nicht beauftragen. Jetzt zog die MBG vor die VK.
Das hätte die dritte Verzögerung werden können: Aber diesmal entschied die VK verblüffend schnell. Die Giu musste die MBG beauftragen. Die MBG legte im Januar 2018 los und erledigte ihre Arbeit korrekt. Wie auch alle anderen Firmen, die nach europaweiten Ausschreibungen beauftragt wurden. Ergebnis: Der Rohbau steht. Der Innenausbau läuft.
Das Jugendamt des RV soll noch im Dezember einziehen. Denn am 31. Dezember 2019 endet der Mietvertrag für die bisherige Unterkunft des Jugendamtes in der Heuduckstraße (Jahresmiete 621 000 Euro). Natürlich soll eigentlich auch das Sozialamt am 1. Januar 2020 am Eurobahnhof loslegen, aber beim Sozialamt ist der Umzug nicht ganz so dringend – denn es residiert derzeit noch in dem Gebäudekomplex am Schlossplatz, der dem RV indirekt selbst gehört.
Und hier gewinnt die Geschichte eine neue Dimension: Sobald das Sozialamt endlich in der Europaallee ist, will der Regionalverband eine Art Jahrhundertprojekt starten und seine gesamten denkmalgeschützten Gebäude am Schloss renovieren. Danach will der RV sein Gesundheitsamt aus der Stengelstraße ans Schloss holen – und sich die Miete aus der Stengelstraße (jährlich rund 490 000 Euro sparen).
Loslegen kann der RV aber erst, wenn das Sozialamt ausgezogen ist. Erst dann entsteht in den Gebäuden am Schloss der Rangierraum, den die übrigen Ämter dort brauchen, um während der Sanierung weiterzuarbeiten. Jede Verzögerung beim Giu-Projekt in der Europaallee blockierte also gleichzeitig auch das Jahrhundertprojekt am Schloss.