Arbeitslosen steht Kindergeld für Nachwuchs im EU-Ausland zu
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) gab einem Rumänen recht, der in Irland seinen Job verlor. Das Urteil dürfte für Zündstoff sorgen.
Das Unverständnis über Kindergeldzahlungen ins EU-Ausland ist groß. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg dürfte diesen Streit mit seinem gestrigen Urteil noch anheizen. Denn die Richter befanden, dass die Zahlungen auch dann gerechtfertigt bleiben, wenn der Arbeitnehmer arbeitslos geworden ist.
Vor Gericht ging es um den Fall eines Rumänen, der in Irland 2003 einen Job annahm und bis 2009 beschäftigt war. Danach wurde er arbeitslos, erhielt zunächst Arbeitslosengeld, gekoppelt an die Höhe seines vorherigen Verdienstes. Als er 2010 immer noch keine neue Anstellung fand, zahlten die irischen Behörde eine beitragsunabhängige Grundsicherung, bis der Mann schließlich wegen Krankheit völlig ausfiel. Die Behörden der grünen Insel strichen ihm daraufhin die Zahlungen für seine in Rumänien lebenden Kinder für die Zeit, in der er eine Art Grundsicherung bekam – zu Unrecht, so der EuGH gestern. Denn die einschlägige EU-Verordnung lege fest, dass ein Arbeitnehmer auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, Anspruch auf Familienleistungen hat – und zwar genau in der Höhe, die Inländern zusteht. Derzeit erhalten Eltern in Irland 390 Euro pro Kind und Monat, in Rumänien dagegen 105,40 Euro. Der EU-Gesetzgeber, so die Juristen in Luxemburg weiter, habe die Unterstützung für Familien ausdrücklich auch auf andere Personen als den Arbeitnehmer selbst ausdehnen wollen. Deshalb könne der Bezug nicht von der Frage abhängig gemacht werden, ob die Eltern arbeitslos seien oder – im Abschluss an die Berufstätigkeit – eine andere soziale Sicherung beziehen.
Erst vor wenigen Tagen eröffnete die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich. Denn die Wiener Bundesregierung hatte die Kindergeldzahlungen eingeschränkt: EU-Ausländer erhalten Familienleistungen nur noch in der Höhe des Ursprungslandes. Doch Brüssel besteht darauf, dass In- und Ausländer gleichgestellt werden müssen. Das Durcheinander wird dadurch noch größer, dass der EuGH selbst 2016 ganz anders urteilte. Damals nahmen die Juristen nämlich den Standpunkt ein, dass die gleiche EU-Richtlinie, auf die sie sich auch jetzt bezogen, kein gemeinsames System der sozialen Sicherheit schaffe, sondern unterschiedliche nationale Wege zulasse. Dabei dürfe eine Regierung die Gesundheit des eigenen Haushaltes im Auge behalten. Darüber hinaus „spricht nichts dagegen“, dass die Gewährung von Sozialleistungen für EU-Bürger auch davon abhängig gemacht werde, dass der Empfänger rechtmäßig im Gastland lebe. In Brüssel hieß es gestern, dass der europäische Gesetzgeber nun dringend für Klarheit sorgen müsse.
Wie diese aussehen könnte, zeichnet sich längst ab. Bei dem Versuch, das damals drohende Brexit-Referendum abzuwenden, hatten die Staats- und Regierungschefs dem früheren britischen Premierminister David Cameron nämlich vor drei Jahren angeboten, das Kindergeld für EU-Ausländer auf das Niveau des Herkunftslandes zu kürzen, wie es Österreich inzwischen getan hat. Der Vorschlag verschwand in der Versenkung, als Cameron trotzdem über den Brexit abstimmen ließ. Doch nun wächst der Druck, eine Neuregelung zu finden.