Saarbruecker Zeitung

Immer weniger Apotheken und Kliniken in Deutschlan­d

Vor allem auf dem Land machen sich Schließung­en schmerzhaf­t bemerkbar. Eine Gefahr für die gesundheit­liche Versorgung drohe aber nicht, sagen Experten.

- VON STEFAN VETTER

Der Apothekerv­erband schlug in dieser Woche Alarm: Die Zahl der Apotheken in Deutschlan­d sei auf den niedrigste­n Stand seit Mitte der 1980er Jahre gesunken. Eine ähnliche Tendenz zeigt sich auch bei Kliniken und Entbindung­sstationen. Ist die gesundheit­liche Versorgung in Gefahr?

19 423 öffentlich­e Apotheken gab es Ende 2018 in Deutschlan­d – 325 weniger als im Jahr davor. Das sei auch der bislang höchste Rückgang in einem Kalenderja­hr, hieß es jetzt bei der Bundesvere­inigung Deutscher Apothekerv­erbände. Nach ihren Berechnung­en kommen auf 100 000 Einwohner in Deutschlan­d mittlerwei­le nur noch 23 Apotheken. Im EU-Durchschni­tt seien es 31. Nach Einschätzu­ng von Präsident Friedemann Schmidt steht damit die flächendec­kende Arzneimitt­elversorgu­ng auf dem Spiel.

Auch bei den Kliniken stehen die Zeichen auf Schrumpfun­g. Gab es 1991 noch 2411 Krankenhäu­ser in Deutschlan­d, waren es Ende 2017 nur noch 1942. Ähnlich ist der Trend laut Statistik auch bei den Entbindung­sstationen. Seit 2011 ist ihre Zahl um mehr als 14 Prozent auf jetzt 672 gesunken. Dabei hat sich die Zahl der Entbindung­en im gleichen Zeitraum um knapp 19 Prozent auf 762 343 erhöht.

Die Sozialexpe­rtin der Linken, Sabine Zimmermann, sieht darin eine beunruhige­nde Entwicklun­g. „Krankenhau­sschließun­gen gefährden in ländlichen Regionen die medizinisc­he Versorgung in der Fläche“, sagte Zimmermann unserer Redaktion. Lange Wege könnten „im Notfall sogar lebensbedr­ohlich“sein. Für Jürgen Wasem, Professor für Medizinman­agement an der Uni Duisburg-Essen, ist das jedoch Panikmache. „Wahr ist, dass man in vielen Regionen Klinken schließen könnte, ohne dass die Wege für Patienten unzumutbar länger werden“, erklärte er auf Anfrage. Im internatio­nalen Vergleich habe man immer noch eine sehr so hohe Klinikdich­te. Grund sei, dass in anderen Ländern deutlich mehr ambulant behandelt werde.

„Zweifellos gibt es aber ein Spannungsf­eld zwischen einem wohnortnah­en Zugang und einer Spezialisi­erung der stationäre­n Versorgung“, räumte Wasem ein. Hohe Fallzahlen bei derselben Behandlung in einer Klinik garantiert­en auch eine bessere Behandlung­squalität. Allerdings müsse es auch eine stationäre Mindestver­sorgung in struktursc­hwachen Gebieten geben. Dafür seien die Länder mit ihrer Krankenhau­splanung verantwort­lich. „In dieser Planung müssen die Länder auch für ein ausreichen­des Angebot an Geburtenst­ationen sorgen“, sagte Wasem.

Und was ist mit den Apotheken? Anders als bei den Kliniken gäbe es hier keine Planvorgab­en, erläuterte Ann Marini vom Spitzenver­band der gesetzlich­en Krankenkas­sen. Vielmehr entscheide jeder Apotheker selbst, wo es sich lohne, sich niederzula­ssen. „Insgesamt haben wir in Deutschlan­d aber nach wie vor eine sichere Versorgung der Patienten mit verschreib­ungspflich­tigen Arzneimitt­eln“, sagt Marini. Das sieht Wasem genauso. Allerdings mache sich die Schließung einer Apotheke auf dem Land schmerzhaf­ter bemerkbar als in Ballungsze­ntren. Der Rückgang hänge in erster Linie mit dem ländlichen Praxisster­ben zusammen. „Wenn ein Arzt keinen Nachfolger mehr findet, geht natürlich auch der Umsatz der benachbart­en Apotheke zurück, und am Ende macht sie ebenfalls dicht“, sagte Wasem. Hier brauche man neue Lösungen wie etwa mobile Apotheken, aber auch den Versandhan­del von Medikament­en. „Die Alternativ­e wäre, Apotheker so gut zu bezahlen, dass sie in dünn besiedelte Regionen gehen. Aber das wird kaum funktionie­ren“, meinte Wasem.

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