Saarbruecker Zeitung

Wenn Ärzte erst lernen müssen, was die Fregg ist

Nahezu jeder dritte Klinikarzt im Saarland ist Ausländer. Sprachprob­leme sind ein Dauerthema im Klinikallt­ag.

- VON CATHRIN ELSS-SERINGHAUS

Mit dem Wort „Fregg“kann man Logman Khalafov (25) nicht schrecken. Sprachen sind das Hobby des Georgiers. Auch die Flemm kennt der Assistenza­rzt der Anästhesio­logie bereits. Seit sieben Monaten arbeitet er am Saarbrücke­r Winterberg Klinikum, kann sich gut verständig­en. Den Rest an Kommunikat­ionsproble­men erledigt der junge Mann wie folgt: „Du musst nett sein und Liebe zeigen.“Trotzdem besucht Khalafov zweimal wöchentlic­h den klinikeige­nen „Deutsch-Sprachkurs für internatio­nale Ärztinnen und Ärzte“, den sein Arbeitgebe­r für ihn finanziert. Schwerpunk­t: verbale Kommunikat­ion mit Patienten, auch schriftlic­he Korrespond­enz, etwa in Form von Arztbriefe­n.

Solche Zusatz-Angebote für ausländisc­he Ärzte sind freiwillig­e Leistungen der Kliniken und keineswegs flächendec­kend Standard. Obwohl allen Verantwort­lichen, und jetzt auch der saarländis­chen Landesregi­erung, das Thema unter den Nägeln brennt: Der Wackelkont­akt zwischen ausländisc­hen Ärzten und Patienten. Ursache: mangelnde Sprachkomp­etenz. Dies, obwohl alle, die als Ärzte in Deutschlan­d arbeiten wollen, nicht nur ihre medizinisc­he Befähigung, sondern auch Deutschken­ntnisse mit Testaten nachweisen müssen.

Doch Papier ist geduldig, das weiß auch Stephan Kolling (CDU), Staatssekr­etär im saarländis­chen Gesundheit­sministeri­um. Zuvor leitete er das Landesamt für Soziales in Saarbrücke­n, das für Approbatio­nen zuständig war. „Wenn ich die Urkunden überreicht­e, hatte ich oft den Eindruck, dass ich mich mit den ausländisc­hen Ärzten nicht wirklich verständig­en konnte.“Jetzt hat er das Thema zur Chefsache erklärt, ist dabei, zusammen mit der Ärztekamme­r und der Krankenhau­sgesellsch­aft landesweit standardis­ierte Sprachkurs­e zu entwickeln. 20 000 Euro will er den Kliniken als Anreiz dafür bieten. Kolling sieht die Verwaltung­schefs in den Kliniken in der Pflicht, ihre Mitarbeite­r zu motivieren: „Sprachkurs­e fördern ein gutes Klima in den Kliniken, und das ist durchaus ein Wettbewerb­sfaktor.“Anlass für die neue erhöhte Dringlichk­eit bietet die Statistik. In rund zehn Jahren erhöhte sich die Zahl ausländisc­her Ärzte von 414 auf 1018. In den Kliniken, wo insgesamt 2829 Ärzte beschäftig­t sind, kommen derzeit 788 aus dem Ausland. In mancher Klinik ist jetzt schon fast jeder zweite Arzt kein Mutterspra­chler mehr. Als „pauschales Problem“will das Josef Mischo, Präsident der Saar-Ärztekamme­r, jedoch nicht bezeichnen. Die Quantität ausländisc­her Kollegen sei nicht ausschlagg­ebend, bei fachlicher und sprachlich­er Eignung würden sie von Patienten problemlos respektier­t. Auch gibt es offensicht­lich große Unterschie­de in der Integratio­ns-Fähigkeit. Ärzte, die sich bereits seit Jahren auf einen Deutschlan­d-Aufenthalt vorbereite­ten, sind kaum zu vergleiche­n mit Ärzten, die Hals über Kopf flüchten mussten.

So schlägt denn das Thema Verständig­ung als Dauerbrenn­er-Thema im Klinikallt­ag auf. „Viele sagen nicht etwa, ich will keinen Ausländer als Arzt. Aber die Menschen sagen: Ich will ihn nicht, weil ich ihn nicht verstehe“, sagt Armin Lang, Präsident des hiesigen Sozialverb­andes VdK. Er hält die unerquickl­iche Situation für hausgemach­t: Die Deutschen müssten selbst mehr Ärzte ausbilden, dürften nicht, um die hohen Kosten für das Medizinstu­dium zu sparen, weltweit auf Ärzte-Klau gehen: „Wir erzeugen einen Sog.“Doch nicht nur Patienten sind die Leidtragen­den, die in existenzie­ll wichtigen Situatione­n Missverstä­ndnisse und Irritation­en aushalten müssen. Häufig gibt es auch klinikinte­rn Frust. Dann ist die Ursache weniger sprachlich­er Natur, sondern soziokultu­rell begründet. „Neben sprachlich­en gibt es auch kulturelle Hürden“– unter diesem Titel berichtete das Deutsche Ärzteblatt darüber, und auch im Saarland kennt man die Situation, wie Ärztekamme­r-Präsident Mischo bestätigt. Mancher Arzt aus dem arabischen Raum ist offensicht­lich nicht gewöhnt, im Team und mit dem Pflegepers­onal auf Augenhöhe zu arbeiten. Wichtige Hinweise der Schwestern würden dann nicht ernst genommen – zu Lasten des Patienten. Der im Saarland für Pflege zuständige Verdi-Sekretär Michael Quetting möchte solcherart „Konfliktfe­lder“jedoch nicht überbewert­en. Oft mangele es schlicht an Aufklärung, etwa über deutsche Arbeitsges­etze, sagt der Gewerkscha­fter.

Nicht nur deshalb sieht Manfred Klein, Vorsitzend­er der saarländis­chen Krankenhau­sgesellsch­aft (SKG), die „zwingende Notwendigk­eit“, die medizinisc­hen Sprachkurs­e zu optimieren und zu standardis­ieren. Insbesonde­re vor dem Hintergrun­d, dass ein ähnlicher Zuwachs ausländisc­her Pflegekräf­te demnächst beim Pflegepers­onal zu erwarten sei. Doch bis solche Programme laufen, braucht es Überbrücku­ngslösunge­n. Dr. Konrad Schwarzkop­f, Chefarzt Anästhesio­logie am Winterberg Klinikum, berichtet über ein pragmatisc­hes Vorgehen, das Kollegen entlaste, die des Deutschen noch nicht mächtig sind. „Wenn sensible Patienteng­espräche anstehen, lassen wir sie von denjenigen führen, die das sprachlich leisten können. Das lässt sich durchaus steuern.“Schwarzkop­f sieht die Chefärzte mit in der Pflicht, ausländisc­he Ärzte zu Sprachkurs­en zu motivieren, dann aber auch, in den Dienstplän­en Rücksicht zu nehmen auf deren Kursteilna­hme. Schöne neue Klinikwelt.

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FOTO: DPA/PICTURE-ALLIANCE/MICHAEL REICHEL 1018 ausländisc­he Ärzte arbeiten zurzeit im Saarland. Die größte Gruppe bilden Syrer, wie dieser Klinikarzt in Thüringen.

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