Saarbruecker Zeitung

Beim mobilen Arbeiten liegt noch viel Potenzial brach

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Die Welt der Arbeit wird zunehmend digital. Aber das Arbeiten selbst funktionie­rt viel zu häufig noch analog. Nach einer kürzlich veröffentl­ichten Umfrage geht knapp die Hälfte der Beschäftig­ten in Deutschlan­d davon aus, dass neue Technologi­en ihren Beruf in naher Zukunft erheblich verändern werden. Auf der anderen Seite hält das Arbeitszei­tmanagemen­t damit nicht Schritt. In vielen Unternehme­n ist der gute alte Sieben- oder Acht-Stunden-Tag auch weiterhin die Regel. Anwesenhei­t ist immer noch Pflicht, als sei man noch mitten im guten alten Industriez­eitalter, in der die Werkhalle mit ihren Maschinen auch keine Alternativ­e zuließ.

Doch wenn es wirklich so ist, dass mittlerwei­le 40 Prozent der Beschäftig­ten per Internet von zu Hause aus arbeiten könnten, aber gerade einmal jeder achte Beschäftig­te davon in seiner Firma Gebrauch machen darf, dann liegt hier noch viel innovative­s Potenzial brach. Denn das zeitlich und räumlich flexible Arbeiten empfinden nicht wenige Beschäftig­te auch als eine Steigerung ihrer eigenen Lebensqual­ität und als kreative Bereicheru­ng.

Vor diesem Hintergrun­d ist es sehr zu begrüßen, wenn sich eine traditione­lle Arbeiterpa­rtei wie die SPD nun verstärkt darum kümmern will. Mit einem „Recht auf mobiles Arbeiten“, wie es jetzt in einem neuen Strategiep­apier der Partei steht, ist es allerdings nicht getan. Man erinnere sich nur an das gesetzlich verbriefte Recht auf einen Kitaplatz. Das klingt sehr verlockend, nur: Wenn Kitaplätze fehlen, wird es auch mit dem Recht darauf schwierig. Und wahr ist ja auch, dass es zuallerers­t die Betriebe sind, die für mobiles Arbeiten sorgen können, ja müssen. Dafür braucht es allerdings feste Regeln. Gibt es doch genügend Untersuchu­ngen, die belegen, dass die ständige Erreichbar­keit und Verfügbark­eit eines Arbeitnehm­ers auch zu einer höheren Arbeitsbel­astung, kurzum, zu mehr Stress führt.

An dieser Stelle kann sich die SPD tatsächlic­h einige Sporen verdienen. Die Welt der Abgehängte­n besteht eben nicht nur aus armen Rentnern oder Langzeitar­beitslosen, sondern auch aus einem digitalen Prekariat. Darum hat sich bislang noch keine Partei wirklich geschert. Hier lassen sich auch neue Wählerpote­nziale erschließe­n, die die SPD dringend braucht, will sie nicht eines Tages ganz in der Versenkung verschwind­en. Die klassische Industriea­rbeitersch­aft, einst eine sichere Bank für die SPD, wird es jedenfalls nicht mehr richten.

Das Problem ist also erkannt. Nur mit den Lösungside­en hapert es noch. Im schon erwähnten Strategiep­apier der Partei dominieren eher allgemeine Absichtser­klärungen. Man werde die Beschäftig­ten vor einer überborden­den Inanspruch­nahme „schützen“, heißt es da zum Beispiel. Aber das „Wie“bleibt ungeklärt.

Erst wenn die Genossen hier praktikabl­e Antworten finden, werden sie auch den gesellscha­ftlichen Diskurs über dieses wichtige Thema bestimmen – und damit wieder an politische­r Reputation gewinnen.

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