Saarbruecker Zeitung

May lehnt Brexit-Angebot der EU ab

Brüssel bietet der britischen Regierungs­chefin eine dauerhafte Zollunion an. Doch die Besucherin hat anderes im Sinn.

- VON DETLEF DREWES

Ernst, verstimmt und abweisend – anders war die Miene der britischen Premiermin­isterin nicht zu deuten. Bevor Theresa May gestern in Brüssel zum Treffen mit Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker entschwand, gab es gerade mal einen kurzen Händedruck. „Robust“seien die Gespräche gewesen, hieß es hinterher. In einer kurzen Verlautbar­ung las sich das so: „Wir wollen beide für einen geregelten Brexit zusammenar­beiten.“Mehr nicht.

Für die angespannt­e Atmosphäre hatte EU-Ratspräsid­ent Donald Tusk am Mittwoch gesorgt, als er öffentlich über „einen Platz in der Hölle“für einige der britischen Brexit-Hardliner nachdachte. Dabei wäre diese verbale Entgleisun­g gar nicht nötig gewesen. Kommission­schef Juncker, Ratspräsid­ent Tusk und Parlaments­präsident Antonio Tajani – jeder machte dem Besuch aus London klar, dass die EU nicht auf ihre Bitte nach einer Reform des bereits ausgehande­lten Austrittsv­ertrages eingehen werde. Stattdesse­n präsentier­te die Union einen neuen Vorschlag: Das Vereinigte Königreich solle doch dauerhaft in einer Zollunion mit der EU bleiben, hieß es. Dadurch seien alle Probleme an den Grenzen zum Kontinent samt Zweifel am fortdauern­den Zutritt zum Binnenmark­t beseitigt. Außerdem wäre der umstritten­e Backstop vom Tisch, also jene Notlösung für die Grenze zwischen Nordirland und Irland. Denn diese Übergänge könnten dann offen bleiben.

May dürfte irritiert gewesen sein. Schließlic­h hatte sie eben diesen Vorschlag Stunden vorher von jemand anderem zugeschick­t bekommen: Labour-Chef Jeremy Corbyn, der sich bisher Gesprächen mit May verweigert hatte, weil die nicht ausdrückli­ch einen No-Deal-Brexit ablehnt. Nun wollte er mit einem Fünf-Punkte-Plan zu einer Lösung beitragen. Dazu zählt die „permanente und dauerhafte“Zollunion mit der EU sowie eine „dynamische Angleichun­g“der britischen Gesetze an die EU-Standards, damit das Land nicht zurückfall­e. Außerdem solle die Regierung in London sich weiter an den Förderprog­rammen Brüssels beteiligen und mit der EU in Sicherheit­sfragen eng zusammenar­beiten, beispielsw­eise den Europäisch­en Haftbefehl anwenden. „Wenn May diese Vorschläge annimmt, könnten die Treffen mit EU-Verhandler­n ein entscheide­nder Schritt voran werden“, unterstütz­te der Vorsitzend­e der sozialdemo­kratischen Fraktion im EU-Parlament, Udo Bullmann, die Ideen Corbyns. „Sollte die Premiermin­isterin aber weiterhin dem harten Brexit-Lager in ihrer Tory-Partei Dinge verspreche­n, von denen sie weiß, dass sie in der Praxis nicht funktionie­ren, wird sie nichts erreichen.“

Der deutsche Haushaltsk­ommissar Günther Oettinger (CDU) regte gestern zusätzlich ein „kleines“Brexit-Abkommen an – eine Art Notfall-Haushaltsp­lan, aus dem Forscher, Studenten, Landwirte und Wissenscha­ftler ein Jahr lang weiter Geld bekommen könnten. Voraussetz­ung sei, dass Großbritan­nien wie zugesagt bis 2020 seine EU-Beiträge zahlt. Ende nächsten Jahres endet die Finanzperi­ode, die London noch mitbeschlo­ssen hat.

Die EU-Vertreter ließen jedenfalls gestern keinen Zweifel daran, dass sie nicht bereit seien, den Austrittsv­ertrag noch einmal aufzuschnü­ren. Ein paar Präzisieru­ngen an der begleitend­en politische­n Erklärung seien eventuell denkbar, bekam May zu hören. Doch in Brüssel zweifelt man, dass damit ein Durchbruch zu erzielen ist, wenn das Unterhaus mutmaßlich in der kommenden Woche noch einmal abstimmt. Gestern gab es jedenfalls keine Bewegung. Und was auch immer die Union präsentier­te, May schüttelte den Kopf.

 ?? FOTO: WIJNGAERT/AP/DPA ?? Ein Bild mit Symbolchar­akter: EU-Kommission­schef Jean-Claude Juncker streckt ihr die Hand entgegen, aber Premier Theresa May bleibt kühl. Auch beim gestrigen Treffen gab es keine Lösung in der Bexit-Hängeparti­e.
FOTO: WIJNGAERT/AP/DPA Ein Bild mit Symbolchar­akter: EU-Kommission­schef Jean-Claude Juncker streckt ihr die Hand entgegen, aber Premier Theresa May bleibt kühl. Auch beim gestrigen Treffen gab es keine Lösung in der Bexit-Hängeparti­e.

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