Saarbruecker Zeitung

Die Mutter englischer Traumwelte­n

Die Bestseller­autorin Rosamunde Pilcher ist im Alter von 94 Jahren gestorben. Die Schriftste­llerin wurde im deutschspr­achigen Raum vor allem durch die ZDF-Verfilmung­en ihrer Geschichte­n berühmt.

- VON KATRIN PRIBYL

Wenn deutsche Touristen auf den Spuren der Romantik durch Cornwall reisen, müssen sie nicht lange suchen. Die üppigen Gärten, dramatisch­en Küsten, engen Straßen, hohen Hecken und prächtigen Herrenhäus­er, die sie sonst fast jeden Sonntagabe­nd vom heimischen Sofa aus im Fernsehen bewundern können, eröffnen sich tatsächlic­h in der Gegend wie im Bilderbuch.

Erstaunen lösen die deutschen Touristen vor Ort nur regelmäßig aus, wenn sie Briten auf Rosamunde Pilcher ansprechen – jene Autorin, die ihre Herzschmer­z-Geschichte­n vor die Kulisse der wilden, wunderschö­nen Natur Cornwalls platzierte. Die Erzählunge­n handeln von Liebe und Eifersucht, von Glück, Leid, von Freundscha­ft und Trennung und sind gespickt mit englischer Herrenhaus-Romantik. „Rosamunde who?“, lautet die Antwort der Engländer dann meist. Mit mehr als 60 Millionen verkauften Büchern gehörte die Autorin zwar zu den erfolgreic­hsten Schriftste­llerinnen der Gegenwart. Doch anders als im deutschspr­achigen Raum, wo vor allem die Verfilmung­en ihrer literarisc­hen Vorlagen für das ZDF Pilcher berühmt gemacht haben, war sie im Vereinigte­n Königreich weniger bekannt.

Nun ist die Grande Dame der Liebesschn­ulze im Alter von 94 Jahren gestorben, wie ihr Sohn Robin Pilcher gestern dem „Guardian“mitteilte. Noch bis Weihnachte­n sei sie in ausgezeich­neter Form gewesen, im neuen Jahr aber habe sie eine Bronchitis bekommen und am Sonntagabe­nd dann einen Schlaganfa­ll erlitten. Seitdem habe sie das Bewusstsei­n nicht wieder erlangt.

Rosamunde Pilcher wollte ihre Leser während der Lektüre der Erzählunge­n in den Urlaub entführen und gab ihnen passende Titel wie „Sommer am Meer“, „Das Haus an der Küste“, „Englischer Wein“oder „Wilder Thymian“. Die ZDF-Verfilmung­en kamen bei den deutschen Zuschauern an: Durchschni­ttlich rund sieben Millionen Menschen hängen sonntagabe­nds vor dem Bildschirm der Sehnsucht nach Idylle nach. Und obwohl bereits vor Jahren längst alle Romane verfilmt waren, fanden die Produzente­n weiteren Stoff in Pilchers Kurzgeschi­chten, die sie nach eigenen Angaben am Küchentisc­h verfasst hat. „Ich hätte mir nie vorstellen können, dass das ein Erfolg würde“, sagte die Autorin einmal.

Dass die Erzählunge­n über attraktive, begüterte und adlige Menschen jenseits des Ärmelkanal­s in Cornwall spielen, hat die Grafschaft zu einem Touristenm­ekka für deutsche Pilcherfan­s werden lassen. Reisebusse wälzen sich vor allem im Sommer auf engen Landstraße­n durch sumpfige Wiesen und weite Felder, entlang der rauen Steilküste und vorbei an Gärten, wo strahlende Blüten Kontraste setzen. Es war hier, wo Pilcher aufwuchs.

Sie wurde 1924 als Tochter eines Marineoffi­ziers im kornischen Lelant geboren und schloss sich nach ihrem Schulabsch­luss während des Zweiten Weltkriegs dem „Women‘s Royal Naval Service“, dem Königliche­n Marinedien­st der Frauen, an. Schon damals schrieb die Britin, die bis 1946 als Sekretärin im Außenminis­terium arbeitete, Kurzgeschi­chten. Dann heiratete sie ihren Mann Graham, mit dem sie vier Kinder bekam, und zog nach Longforgan bei Dundee in Schottland, wo sie bis zuletzt lebte. Seit 2009 war sie verwitwet. Im Juni 2012 gab sie bekannt, im Alter von 87 Jahren, mit dem Schreiben aufzuhören.

Zwar hatte Rosamunde Pilcher bereits als Mädchen Geschichte­n verfasst, doch kommerziel­len Erfolg feierte sie mit ihren Erzählunge­n erst vergleichs­weise spät: 1987 schaffte sie mit dem Roman „Die Muschelsuc­her“den Durchbruch. Häuser voller Geheimniss­e, Familien mit Lügen, wunderschö­ne Schauplätz­e, spannende Handlungen: „Damit veränderte sie das Gesicht romantisch­er Fiktion“, sagt die britische Bestseller-Autorin Katie Fforde. Pilcher sei wegweisend gewesen, da „sie die Erste war, die Familiensa­gen in die breitere Öffentlich­keit brachte“.

Derweil ist die Dankbarkei­t über die Geschichte­n, die zunächst in Frauenzeit­schriften erschienen, groß im Südwesten Englands. „Dass Cornwall die Kulisse für die Filme stellt,

ist das beste Marketing, das wir kriegen können“, sagte einmal Malcolm Bell, Chef des Fremdenver­kehrsamts Visit Cornwall. Die Hälfte aller ausländisc­hen Gäste in der struktursc­hwachen Gegend seien deutschspr­achig. In Cornwall bezeichnen sie es als „Rosamunde-Pilcher-Effekt“, wenn rund 350 000 Touristen pro Jahr aus Deutschlan­d, Österreich und der Schweiz anreisen.

Mit dem Erfolg der Pilcherfil­me in Deutschlan­d begann zudem der touristisc­he Aufstieg von Herrenhäus­ern wie etwa Prideaux Place, einem efeubewach­senen Prachtbau in den Hügeln von Padstow. Wer auf die Eigentümer, Elisabeth und Peter Prideaux-Brune, trifft, hört aus ihren Stimmen vor allem Dankbarkei­t gegenüber der Autorin. Das Anwesen des Paars profitiert von den Dreharbeit­en wie kaum ein anderes, etliche Episoden spielten hier. Der pensionier­te Anwalt, der stets als Komparse – mal als Chauffeur im eigenen Bentley oder als Gin-Tester – einspringt, stellt sein Haus gerne zur Besichtigu­ng zur Verfügung. „Das hilft, die Rechnungen zu bezahlen“, sagt der Hausherr. Auch Pilcher hatte einmal vorbeigesc­haut. Die Prideaux-Brunes zeigten sich ganz entzückt von ihr, „so nett und herzlich“sei sie gewesen. Fast als logische Folge wurde die Schriftste­llerin im Jahr 2002 für ihre Verdienste um den Tourismus mit einem British Tourism Award ausgezeich­net. Rosamunde Pilcher hat die englische Traumwelt nach Deutschlan­d gebracht.

 ?? FOTO: HORST OSSINGER/DPA ?? Rosamunde Pilcher schrieb ihre Romane und Kurzgeschi­chten zwar gerne am Küchentisc­h – hier aber hat sie für den Fotografen ihren Schreibtis­ch am Loch Loggan in Schottland aufgestell­t.
FOTO: HORST OSSINGER/DPA Rosamunde Pilcher schrieb ihre Romane und Kurzgeschi­chten zwar gerne am Küchentisc­h – hier aber hat sie für den Fotografen ihren Schreibtis­ch am Loch Loggan in Schottland aufgestell­t.

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