Musik wie eine flauschige Kuscheldecke
Musiker Andy Burrows und Schriftsteller Matt Haig haben zusammen ein Album aufgenommen: eine charmante Verbeugung vor dem Pop der 1970er.
ist bekannt als Autor von Kinderbüchern, utopischen Romanen und vor allem Sachbüchern. Sein Selbsthilfe-Bestseller von 2015 heißt so wie das Album, beschäftigt sich mit Haigs Leiden an Depressionen – und das ist die Grundlage des Albums. Umso überraschender, dass es zumindest musikalisch eine ausgesprochen sonnige Angelegenheit ist, mit einem warmen, organischen Klang, frohgemuten Refrains und einer gewissen Harmonieseligkeit.
Von verlorener und wieder gewonnener Hoffnung singt Burrows, von schönen und von schmerzlichen Erinnerungen, vom Blick nach vorne und davon, dass man doch der bleiben soll, der man ist, und sich selbst annehmen muss – Haigs Texte mit leichter Ratgeber-Anmutung reißen keine Bäume aus, aber sie passen kongenial zur Musik. Denn die will einen weniger überraschen denn wohlig wärmen wie eine flauschige Patchwork-Decke. Opulent sind die Arrangements, sämige Gitarrensoli ziehen sich durchs Album, gerne hämmert ein Powerpop-Piano, ab und an wird ein Streicherteppich ausgerollt (mit Platz für ein Glockenspiel). Und über vielem schweben eben die 70er; Burrows, dessen weiche Stimme an Justin Hayward von den Moody Blues erinnert, spricht selbst scherzhaft von „Supertramp in der Entziehungskur“.
Das ist durchweg cleverer Pop, der es mit seiner Eingängigkeit manchmal übertreibt. „Parallel Lives“etwa liefert passende Mitklatsch-Passagen schon mit, während die Ballade „The Story of Me and You“, in dem sich „Bonny & Clyde“auf „nothing much to hide“reimt, eine gewisse Überzuckerungsgefahr mitbringt. Große Gefühle ohne (zu viel) Kitsch gelingt vor allem dem Stück „Handle with Care“, das Schmacht mit knackigen Bläsern und Harmoniegesängen verbindet. Insgesamt also eine Fülle des Wohllauts und wohl nicht die letzte Zusammenarbeit von Burrows und Haig. Sollte das Finale hier ein Indiz dafür sein, wohin die nächste Reise geht, wäre es erfreulich, denn „Lost in Space“ist der späte Höhepunkt des Albums, der zeitloser wirkt als die zehn Stück zuvor: Im Hintergrund raunt eine Männerstimme (sicherlich Autor Haig), während es im Vordergrund psychedelisch pulsiert, der unwiderstehliche Refrain wie ein kleiner Choral klingt und sich das Ganze hochschraubt zum großen Klangbeben – ein wundersamer Abschluss.
Andy Burrows & Matt Haig: Reasons to stay alive (Caroline International / Fiction Records).