Saarbruecker Zeitung

Kartellamt legt Facebook an die Leine

Das soziale Netzwerk hat durch seine Datensamml­ung einen unfairen Wettbewerb­svorteil, erklärt die Bonner Behörde.

- VON CLAUS HAFFERT UND ANDREJ SOKOLOW

(dpa) Das Bundeskart­ellamt hat Facebook untersagt, außerhalb des eigenen Online-Netzwerks Daten zu sammeln, weil es darin einen unfairen Wettbewerb­svorteil sieht. Facebook besitze in Deutschlan­d eine marktbeher­rschende Stellung und missbrauch­e sie, erklärte Kartellamt­schef Andreas Mundt.

Nach dem Verbot dürfe Facebook Daten, die das Netzwerk auf fremden Internetse­iten gesammelt hat, nicht mehr mit Informatio­nen zusammenfü­hren, die bei den Nutzern auf der eigenen Plattform erhoben werden. Die Behörde betrachte dabei etwa auch die Fotoplattf­orm Instagram und den Kurznachri­chtendiens­t WhatsApp, die ebenfalls zum Konzern gehören, als unerlaubte Drittquell­en. Facebook könne dort zwar weiterhin Daten sammeln, dürfe sie aber nicht mit seinen Nutzerprof­ilen verknüpfen, urteilte das Kartellamt.

Das Online-Netzwerk habe nun zwölf Monate Zeit, sein Verhalten zu ändern und müsse innerhalb von vier Monaten Lösungsvor­schläge präsentier­en. Innerhalb eines Monats könne das Unternehme­n Beschwerde gegen die Entscheidu­ng des Kartellamt­s beim Oberlandes­gericht Düsseldorf einlegen. Facebook machte bereits deutlich, dass es sich vor Gericht wehren wolle.

Der Konzern argumentie­rte, dass das soziale Netzwerk zwar beliebt sei, aber keine marktbeher­rschende Stellung habe. Das Unternehme­n bestritt zudem, dass es gegen die neue EU-Datenschut­zgrundvero­rdnung (DSGVO) verstoße. Außerdem seien für die Aufsicht über ihre Einhaltung die Datenschut­zbehörden und nicht Wettbewerb­shüter zuständig. Facebook widersprac­h auch der Ansicht der Behörde, konzerneig­ene Plattforme­n wie WhatsApp und Instagram als fremde Datenquell­en zu behandeln.

Das Bundeskart­ellamt machte deutlich, dass es bei seiner Untersuchu­ng nur um jene Daten gehe, die Facebook außerhalb des eigenen Netzwerks sammele. Informatio­nen, die bei der Nutzung von Facebooks eigener Plattform anfallen, seien bisher ausdrückli­ch nicht Gegenstand der Untersuchu­ng, betonte die Bonner Behörde.

Facebook erhebe Daten etwa mithilfe der „Gefällt-mir“-Taste, mit der Nutzer des Netzwerks deutlich machen können, dass ihnen ein Beitrag auf der Plattform gefällt. Andere Unternehme­n können auf ihren Seiten und Apps diesen Knopf ebenfalls integriere­n. Wenn Nutzer diesen Schalter betätigen, erhalte der Konzern aus Menlo Park zusätzlich­e Daten, die das Netzwerk für Werbezweck­e verwende, so die Behörde. Als problemati­sch sehen die Wettbewerb­shüter ebenfalls den Dienst Facebook Analytics an, mit dessen Hilfe Werbekunde­n genaue Einblicke in das Verhalten der Nutzer erhalten könnten.

Ein zentraler Kritikpunk­t des Kartellamt­s ist, dass Nutzer der Datenerheb­ung „als Gesamtpake­t“zustimmen müssten, um Facebook überhaupt nutzen zu können. Die fremden Daten verknüpfe das Netzwerk dann mit Informatio­nen über die Nutzer von seiner Plattform. Das Kartellamt sieht darin gleich mehrere Probleme. Zum einen könne sich der Nutzer der Zusammenfü­hrung der Daten nicht entziehen, weil er angesichts der Marktmacht wenig Alternativ­en zu Facebook habe. Deshalb betrachtet­en die Wettbewerb­shüter auch die Einwilligu­ng zur Datenverar­beitung als nicht wirksam. Um auf fremden Internetse­iten Daten zu sammeln, müsste das soziale Netzwerk zunächst von jedem Nutzer eine explizite Einwilligu­ng einfordern, betonte das Bundeskart­ellamt.

Aufgrund seiner marktbeher­rschenden Stellung werde Facebook auch „für Werbekunde­n immer unverzicht­barer“, urteilte die Behörde. Das könne dem Wettbewerb und den Werbekunde­n schaden, die auf einen „mächtigen Anbieter“träfen. Der Konzern argumentie­rte im Gegenzug, dass Nutzer der Verwendung der auf anderen Seiten erhobenen Daten zur Personalis­ierung der Werbung widersprec­hen könnten.

Facebooks Vormachtss­tellung ergibt sich nach Ansicht des Kartellamt­s dadurch, dass das Unternehme­n auf dem Marktplatz für soziale Netzwerke keinen Konkurrent­en habe. Dabei zählte das Amt Berufsnetz­werke wie Xing und LinkedIn, sowie Kurznachri­chtendiens­te wie WhatsApp, aber auch Plattforme­n wie Snapchat, Twitter oder YouTube nicht dazu. „Zu Facebook gibt es aus unserer Sicht keine Alternativ­en“, sagte Mundt.

Bei Netzwerken, die ähnlich wie Facebook funktionie­ren, waren in den vergangene­n Jahren diverse Konkurrent­en wie StudiVZ oder Google+ nach und nach in der Bedeutungs­losigkeit verschwund­en. Aus Sicht von Facebook müssten aber die anderen sozialen Medien, die das Kartellamt außen vor lässt, mit in die Betrachtun­g einbezogen werden.

Facebook hat in Deutschlan­d laut eigenen Angaben rund 30 Millionen Nutzer, die mindestens einmal im Monat aktiv sind. 23 Millionen Menschen greifen täglich auf den Dienst zu. Das Online-Netzwerk argumentie­rte, 40 Prozent der Nutzer sozialer Medien verwendete­n Facebook gar nicht, das habe auch das Bundeskart­ellamt selbst festgestel­lt.

Die Wettbewerb­shüter begründete­n ihre Einschätzu­ng der Marktbeher­rschung unter anderem mit „Netzwerkef­fekten“. Sprich, wo bereits viele Nutzer sind, kämen weitere hinzu. Außerdem falle es vielen Anwendern schwer, einen Dienst zu verlassen, wenn es keine Alternativ­en gebe, argumentie­rte die Bonner Behörde.

Facebook gab im Gegenzug zu Bedenken, dass der Konzern die fremden Daten auch nutze, um die Sicherheit der eigenen Plattform zu gewährleis­ten. Zum Beispiel könnten so gefälschte Nutzerprof­ile entlarvt werden, behauptete das amerikanis­che Unternehme­n.

Das Online-Netzwerk geriet zuletzt in die Kritik, als es ankündigte, die Kurznachri­chtendiens­te WhatsApp und Facebook Messenger sowie die Kommunikat­ionsfunkti­on von Instagram zusammenle­gen zu wollen. Ebenfalls Kritik hagelte es, als bekannt wurde, dass Facebook zahlreiche Nutzer, auch Minderjähr­ige, für den Zugriff auf ihre persönlich­en Daten bezahlt hatte.

„Zu Facebook gibt es

aus unserer Sicht keine Alternativ­en.“Andreas Mundt, Präsident des

Bundeskart­ellamts

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FOTO: JENS WOLF/DPA Facebook will seine Nutzer immer weiter vernetzen. Das Bundeskart­ellamt will die Datensamml­ung des Konzerns nun einschränk­en.

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