Machen Zusatzstoffe in Lebensmitteln krank?
Nanopartikel, winzig kleine Teilchen, die vielen Nahrungsmitteln gezielt zugesetzt werden, um die Produkteigenschaften zu verbessern, könnten unserer Gesundheit mehr schaden, als bisher bekannt ist.
auf Nanomaterialien nicht, obwohl dies aus Umwelt- und Verbrauchersicht unbedingt erforderlich wäre.“
Bei einer Reihe von Nanoteilchen wird noch geprüft, ob sie als „technisch hergestellte Nanomaterialien“auf der Verpackung gekennzeichnet werden müssen. Bis 2020 will die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit darüber entscheiden. Derzeit sind Zusätze mit Nanopartikeln an ihren E-Nummern zu erkennen. Doch über die mögliche gesundheitliche Gefährdung gibt die E-Nummer keine Auskunft. Beispiele sind Siliciumdioxid (E 551) und Magnesiumoxid (E 530), die als Rieselhilfe verwendet werden, der Aufheller Titandioxid (E 171) sowie Eisenoxide und Eisenhydroxide (E 172), Silber (E 174), Gold (E 175), Calciumsilicat (E 552), Magnesiumsilicat (E 553a) und Talkum (E 553b).
Für Titandioxid, mit dem zum Beispiel Kaugummis, Bonbons, Kekse oder Käse aufgehellt werden, ist die Prüfung bereits abgeschlossen. Es gilt laut Europäischer Kommission nicht als „technisch hergestelltes Nanomaterial“, obwohl es über drei Prozent Nanopartikel enthalten kann.
Nanoteilchen: Nanoteilchen, die bei der Verarbeitung von Lebensmitteln, etwa beim Mahlen von Mehl oder Kaffee, bei der Homogenisierung von Fruchtsäften oder bei der Emulgierung von Fett entstehen, müssen nicht gekennzeichnet werden. Sie gelten als „natürliche, zufällige oder verfahrensbedingte Nanomaterialien“.
Auch für Nanokapseln, in denen Vitamine oder Fettsäuren zugesetzt werden, gilt keine Kennzeichnungspflicht. Das Material, aus dem die Kapseln bestehen, muss allerdings in der Zutatenliste angegeben werden, zum Beispiel Polysorbat (E 432).
Nanokapseln werden auch in der Medizin als Wirkstoffträger genutzt. Dadurch können die Wirkstoffe besser dosiert werden. Daneben gelangen Nanopartikel in Lebensmittel, die aus Pestiziden stammen und dort die Löslichkeit der aktiven Substanzen verbessern sollen.
Dr. Roland Stauber
Große Wissenslücken: Da noch weitgehend unbekannt ist, welche Mengen technisch hergestellter Nanopartikel aus Lebensmitteln vom Körper aufgenommen werden und ob sie der Gesundheit schaden, haben Das Bundesinstitut für Risikobewertung in Berlin betont, dass „Verbraucher ein Recht darauf haben zu erfahren, ob Nanopartikel im Essen ihnen eventuell schaden“. Die oft geäußerte Sorge, Nanoteilchen könnten in größeren Mengen in den Kern unserer Körperzellen wandern und dort das Erbgut verändern, sei nach derzeitigem Kenntnisstand der
Mediziner und Biologen der Universitäten Mainz und Duisburg-Essen jetzt untersucht, wie sich Nanopartikel in der Nahrung auf die Darmflora auswirken.
Im menschlichen Darm tummeln sich schätzungsweise bis zu 100 Billionen Bakterien. Die große Mehrheit ist wesentlich daran beteiligt, die aufgenommene Nahrung aufzuspalten und unserem Körper lebenswichtige Nährstoffe verfügbar zu machen. Einige Bakterienarten können sogar Ballaststoffe, die der Mensch selbst nicht verdauen kann, verwerten und daraus Fettsäuren produzieren, die den Menschen gesund halten. Zahlreiche Studien haben Wissenschaft unbegründet, erklären die Experten. Trotzdem sei es wichtig zu untersuchen, welche Effekte selbst kleine Mengen von Nanopartikeln auf Dauer haben.
von Nano kennen wir eigentlich nicht so richtig“, sagt Professor Dr. Alfonso Lampen, der Leiter der Abteilung für Lebenmittelsicherheit. „Siliziumdioxid zum Beispiel kann sich in der Leber sammeln und sie schädigen.“
gezeigt, dass unsere Ernährung Einfluss darauf hat, welche Bakterienarten sich im Darm ansiedeln.
Das Mikrobiom, die Gesamtheit der im Darm lebenden Mikroorganismen, ist für die Forschung besonders interessant, weil die winzigen Mitbewohner auch das Immunsystem, den Stoffwechsel, die Gefäßalterung, das Hormonsystem und sogar die Hirnfunktionen positiv oder negativ beeinflussen können. Daher spielen Zusammensetzung und Gesundheit der Mikroorganismen eine große Rolle bei der Entstehung verschiedener Erkrankungen, darunter Herz-Kreislauf-Krankheiten, Darmkrebs, Allergien, Adipositas und psychische Störungen.
Wissenschaftliche Neuland: Die Wissenschaftler aus Mainz und Duisburg-Essen haben jetzt nachgewiesen, dass Nanopartikel sich an die Darm-Mikroorganismen anheften und deren Lebenszyklus beeinflussen können. „Ob und inwiefern Nanozusätze in Lebensmitteln die Magen- oder Darmflora überhaupt beeinflussen, war bislang völlig unbekannt. Daher erforschen wir, ob Nanopartikel den Darmbakterien nützen oder sie schädigen“, erläutert Professor Dr. Roland Stauber von der Universitätsklinik Mainz.
Das Forscherteam hat eine Reihe von künstlichen Nanopartikeln untersucht, die von der Lebensmittelindustrie genutzt werden, um Eigenschaften wie Konsistenz, Anreicherung mit Vitaminen oder Haltbarkeit zu verbessern. Zudem isolierten die Wissenschaftler natürliche Nanopartikel aus Bier. „Nanoteilchen werden unserer Nahrung also nicht nur gezielt zugesetzt, sondern entstehen auch völlig natürlich bei deren Zubereitung. Sie sind also allgegenwärtig“, sagt Stauber.
Schädliche Entzündungen: Die Forscher haben den Gang der Partikel durch den Verdauungstrakt im Labor nachgestellt. Dabei konnten die Wissenschaftler nachweisen, dass sich eine Vielzahl von Nanomaterialien an Bakterien in Magen und Darm binden kann. Auch die natürlichen Bier-Nanopartikel können sich an Bakterien anheften.
Diese Anbindung kann sich unterschiedlich auswirken. Einerseits scheint das körperlich Immunsystem Mikroorganismen, die mit Nanopartikeln bedeckt sind, schlechter zu erkennen. Das kann zu Entzündungsreaktionen führen. Andererseits sind auch positive Nebeneffekte durch Nanopartikel aus Lebensmitteln möglich. So dämmten Silica-Nanoteilchen – das als Antiklumpmittel verwendete Siliciumdioxid – die schädliche Wirkung des Bakteriums Helicobacter pylori ein. Dieser Keim gilt als Hauptverursacher von Magenkrebs.
„Wir haben erstmals erforscht, ob Nanopartikel den Darmbakterien nützen oder sie schädigen.“
Professor an der Universitätsklinik Mainz
Gesunde Zusatzstoffe: In weiteren Studien muss herausgefunden werden, ob künstliche oder natürliche Nanoteilchen geeignet sind, um gezielt gesundheitsfördernde Nahrungsergänzung herzustellen.