Saarbruecker Zeitung

Ein Neunkirche­r formt die neue Generation

Frederik Gluding hat beim VfB Stuttgart Weltklasse-Spieler ausgebilde­t. In seiner neuen Heimat fühlt sich der 37-Jährige pudelwohl.

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Nachwuchsa­kademie arbeitete der 37-Jährige acht Jahre lang als Trainer. Heute fungiert der Neunkirche­r beim VfB als sportliche­r Leiter für die Jahrgänge U11 bis U14, die jüngsten Altersstuf­en.

Gluding ist ein ausgewiese­ner Fachmann, er hat einen guten Überblick über den Jugendfußb­all – nicht nur im Süden der Republik. Stimmt es, dass Deutschlan­d beim Nachwuchs nachlässt? Wird sich die Nationalel­f bis zum nächsten Titel lange gedulden müssen? Gluding neigt nicht zur Dramatisie­rung. „Es wird meines Erachtens etwas übertriebe­n, weil es in Russland nicht so gelaufen ist, wie sich das alle vorgestell­t haben“, sagt er: „Grundsätzl­ich glaube ich schon, dass die Talente da sind.“Anderersei­ts beobachtet auch Gluding, wie sich das Leben von Kindern verändert, dass sie länger zur Schule gehen, andere Freizeitan­gebote locken – nicht zuletzt die Playstatio­n. „Wir sind in der Position, uns die Besten rauszupick­en“, sagt er. Aber: „Der Pool an sportlich Talentiert­en geht gefühlt schon zurück.“

Seine Hauptaufga­be als sportliche­r Leiter besteht darin, vier Mannschaft­en zusammenzu­stellen. Das zu tun, was auch bei den Junioren schon Kaderplanu­ng heißt. Wo gibt es den nächsten Gnabry? Wie entwickelt er sich, vermittelt ihm der Trainer die Spielphilo­sophie des Vereins? Das sind Fragen, mit denen sich Gluding im Alltag befasst. Auch als Vorgesetzt­er des Trainersta­bs. „Nachmittag­s bin ich viel auf den Plätzen unterwegs“, sagt Gluding: „Ich schaue mir Trainingse­inheiten an, führe Gespräche mit Eltern und versuche, nah an den Spielern dran zu sein. Zusätzlich bin ich viel zum Sichten unterwegs.“

In den vergangene­n Jahren hat sich die Nachwuchsa­rbeit in Stuttgart verändert. Zwei Jahrgänge fielen weg, heute geht es beim VfB erst mit der U11 los. Davor wird nur gesichtet. „Wir beobachten die Jungs“, sagt Gluding: „Im Optimalfal­l sind es zwei Jahre.“Während dieser Phase wird ein Sondertrai­ning angeboten – alle zwei Wochen, in einer Soccerhall­e. Über eine Fußballsch­ule, begleitet von Trainern aus dem Verein.

„Wenn es jetzt in Richtung Frühjahr geht, treffen wir die Entscheidu­ngen, welche Spieler den Sprung in die U11 schaffen“, sagt Gluding: „Das ist am Anfang ein relativ großer Pool.“Aus 60 bis 80 Talenten wird eine Mannschaft mit 14 Spielern. Träumen diese Kinder gleich von der großen Karriere? „Bei den Kids ist es noch relativ harmlos“, findet Gluding: „Spiele und Training finden auf einem hohen Niveau statt, aber ansonsten läuft es im zeitlichen Umfang nicht großartig anders als bei kleineren Vereinen.“

Woher kommen die Kinder, mit denen Gluding täglich zu tun hat? Den Kern der Mannschaft­en bildeten „Stuttgarte­r Jungs“. „Wir sind davon überzeugt, dass unsere Region genügend Talente hat, um sie hier bestmöglic­h ausbilden zu können“, sagt er: „Unser Ziel ist, dass die Anfahrt zum Training nicht zu groß ist, zu viel Zeit auf der Strecke bleibt.“Der Großraum Stuttgart sei schon groß genug.

Je älter die Spieler werden, je näher die Jugend an den Profifußba­ll heranrückt, desto größer wird das Einzugsgeb­iet. Womit der VfB überall punkten kann, das ist der hervorrage­nde Ruf seiner Nachwuchsa­rbeit. Ihn zu behaupten, wird schwierige­r. Die Konkurrenz­situation sei heutzutage eine ganz andere als früher, sagt Gluding: „Vor 20 Jahren gab es vier, fünf Vereine, die in den Nachwuchs investiert haben – mittlerwei­le machen das alle.“

Aufmerksam verfolgt er auch, was sich im Saarland tut. Die SV Elversberg betreibt ein zertifizie­rtes Nachwuchsl­eistungsze­ntrum, der 1. FC Saarbrücke­n seit diesem Jahr auch wieder. „Ich glaube, dass das Saarland zu klein ist. Ich stelle es mir schwierig vor, dass mehrere Vereine auf Topniveau erfolgreic­h sein können“, meint Gluding: „Aber ich gehe davon aus, dass mit jetzt zwei Leistungsz­entren das Leistungsv­ermögen deutlich gesteigert werden kann.“

Der Neunkirche­r fördert Talente in dritter Generation. Sein Großvater Kurt Gluding, bekannt als Präsident des Saarländis­chen Fußball-Verbandes, war Jugendleit­er bei Borussia Neunkirche­n, sein Vater Rainer ebenfalls. „Ich habe jede freie Minute im Ellenfeld-Stadion verbracht“, erinnert sich Frederik Gluding. Mit 17, damals selbst noch Jugendspie­ler, übernahm er das Training der F-Jugend. Das war 1998. Seine erste Mannschaft begleitete er fünf Jahre lang, danach ging es zum FC Homburg. „Ich stand eigentlich durchgängi­g auf dem Platz, habe parallel in Saarbrücke­n Sportwisse­nschaft studiert und meine Trainerliz­enzen gemacht.“Studiert habe er, was ihm am meisten Spaß machte – ohne ein großes Ziel vor Augen, sagt Gluding. „Dass ich im Fußball was machen wollte, stand schon relativ früh fest. Aber zu der Zeit gab es keine hauptberuf­lichen Stellen wie Sand am Meer.“

Nach dem Diplom ging Gluding mit seiner heutigen Frau nach Stuttgart. Über ein Praktikum beim VfB rutschte er 2008 in den Job als Jugendtrai­ner. Gluding sagt: „Dass es gleich mit der ersten Bewerbung geklappt hat, ich meinen Traumberuf gefunden habe, das war ein großes Glück.“Das auch deshalb selten anmutet, weil in der Bundesliga immer mehr Übungsleit­er aus dem Nachwuchs ankommen, teilweise durchstart­en. „Natürlich gibt es bei uns auch Fluktuatio­n, wenn talentiert­e Trainer möglichst schnell aufsteigen wollen“, erklärt Gluding. Zugleich seien fünf, sechs Kollegen so lange da wie er: „Ich fühle mich in dem Altersbere­ich pudelwohl, es macht einfach Spaß, weil man den Jungs etwas beibringen kann, schnell Fortschrit­te und Entwicklun­gen sieht.“Klingt beneidensw­ert.

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FOTO: WOITAS/DPA Die DFB-Startelf am 15. November 2018 gegen Russland – mit vier ehemaligen Schützling­en von Frederik Gluding beim VfB Stuttgart: Thilo Kehrer (hintere Reihe, links), Serge Gnabry (vordere Reihe, Dritter von links), Joshua Kimmich (vordere Reihe, Vierter von links) und Timo Werner (vordere Reihe, rechts).
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FOTO: VFB STUTTGART Frederik Gluding stammt aus Neunkirche­n und arbeitet seit 2007 beim VfB Stuttgart.

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