Saarbruecker Zeitung

Einmisten

- VON PIA ROLFS

Früher war Essen angeblich die neue Religion. Jetzt ist es offenbar das Aufräumen. Denn überall wird es derzeit als fast meditative Übung im Loslassen, als Weg zum Glück und wertvoller Schritt zur Lebensorga­nisation gepriesen. Aber das kann höchstens die halbe Wahrheit sein. Denn wenn laut einer YouGov-Umfrage ein Viertel der Deutschen zwei Mal im Jahr ausmistet und mancher sogar noch öfter, bleibt die Frage: Was passiert in der übrigen Zeit? Dabei kann es sich nur um Einmisten handeln. Also etwa das unüberlegt­e Kaufen, sinnlose Anhäufen und panikartig­e In-den-Schrank-Stopfen bei Ankündigun­g von Besuch. All das klingt nicht gerade klug, ist aber im Grunde die Voraussetz­ung für den Erfolg. Denn nur wer vorher eingemiste­t hat, kann auch ausmisten.

Manche schaffen es, beide Vorgänge sogar harmonisch zu verbinden. So misten sie erst aus, unterwerfe­n den Schrank strengen Ordnungspr­inzipien und sortieren nur noch ein, was sie brauchen. Dann aber bleibt erstaunlic­herweise noch so viel übrig, das wieder eingemiste­t wird. Und den Fortschrit­t erkennen dann nur Experten des optimierte­n Mistens. Oder wie es abgekürzt heißt: Optimisten.

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