Saarbruecker Zeitung

SPD-Spitze fordert die Hartz-IV-Abkehr

Mit Ideen für mehr Sozialstaa­t und eine bessere Arbeitswel­t wagt die Partei einen Befreiungs­schlag. Die Union zürnt.

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ein Recht auf Arbeit von zu Hause („Homeoffice“) durchsetze­n – um mehr Flexibilis­ierung in Zeiten der Digitalisi­erung zu ermögliche­n. Mit einer neuen Kindergrun­dsicherung sollen zudem gerade Alleinerzi­ehende besser unterstütz­t und Kinderarmu­t in Deutschlan­d reduziert werden – unterschie­dliche Leistungen sollen nicht mehr miteinande­r verrechnet und eine Leistung aus einer Hand angeboten werden.

Nahles räumte ein, dass das Konzept in der Koalition mit der Union nicht umzusetzen sei. „Das ist erstmal eine Positionie­rung der SPD.“Das neue Konzept sei ein Ergebnis eines beispiello­sen Erneuerung­sprozesses. „Wir haben den Menschen zugehört“, man habe Tausende Diskussion­en geführt, so Nahles. „Dieser Prozess ist abgeschlos­sen“. Man habe eine neue sozialdemo­kratische Politik geformt. Hartz IV werde nicht nur beim Begriff überwunden.

Die SPD will zudem den Mindestloh­n auf zwölf Euro erhöhen. „Wir haben uns ein Jahr Zeit genommen, in die Partei hineinzuho­rchen“,

Andrea Nahles sagte Generalsek­retär Lars Klingbeil. Bei der Klausur ging es auch um das Konzept einer Grundrente von Arbeitsmin­ister Hubertus Heil für Geringverd­iener, die 35 Jahre lang Beiträge gezahlt haben – die Union pocht auf Bedürftigk­eitsprüfun­gen – sonst werden Kosten von rund fünf Milliarden Euro im Jahr befürchtet. Der SPD-Vorstand um Nahles stärkte Heil den Rücken für sein Konzept. Anders als die anderen Vorschläge ist eine Grundrente im Koalitions­vertrag fest vereinbart. Aber die Ausgestalt­ung sorgt für Zoff.

Die Spitzen von CDU und CSU reagierten mit scharfer Kritik. „Die SPD plant die Beerdigung der sozialen Marktwirts­chaft“, sagte CDU-Vizechef Volker Bouffier der Funke-Mediengrup­pe. „Mit ihrem Wunsch, wieder Wähler zu gewinnen, hat sie sich für einen strammen Linkskurs entschiede­n.“CSU-Chef Markus Söder kritisiert­e, dass das Grundrente­n-Modell nicht vom Koalitions­vertrag gedeckt ist. „Wir verhandeln keinen neuen Koalitions­vertrag. Natürlich reden wir miteinande­r, aber es darf keinen ideologisc­hen Linksruck der Regierung geben.“

Arbeitgebe­r-Präsident Ingo Kramer warnte vor einer „Rolle rückwärts in ein sozialpoli­tisches Denken des letzten Jahrhunder­ts, das die Wirtschaft abwürgte und eine hohe Arbeitslos­igkeit zur Folge hatte“. Er forderte, zum Schutz der Unternehme­n „eine Sozialabga­benbremse bei 40 Prozent gesetzlich festzuschr­eiben“.

Die SPD will mit den neuen Ideen Wähler zurückgewi­nnen. Im Mai stehen die Europawahl und die Bürgerscha­ftswahl in Bremen an, im September und Oktober Landtagswa­hlen in Brandenbur­g, Sachsen und Thüringen – bei schlechten Ergebnisse­n könnten statt Inhalts- wieder Personalde­batten um Nahles in den Fokus rücken.

„Das ist wirklich ein neuer Anfang.“

SPD-Vorsitzend­e

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FOTO: FISCHER/DPA Mit guter Laune gegen das Umfragetie­f: SPD-Chefin Andrea Nahles und Generalsek­retär Lars Klingbeil vor der Klausurtag­ung im Willy-Brandt-Haus.

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