Saarbruecker Zeitung

Wo in Saarbrücke­n noch die D-Mark gebunkert wird

Bei der Arbeit an dem „Architektu­rführer Saarland“, der am 18. März in Saarbrücke­n vorgestell­t wird, sind dem Berliner Architektu­r-Journalist­en Ulf Meyer fünf Gebäude aufgefalle­n, die besonders bemerkensw­ert sind. Die Saarbrücke­r Zeitung stellt sie vor.

- VON ULF MEYER

1996 war die Welt der Notenbank in Deutschlan­d noch in Ordnung: Die weltberühm­te D-Mark hatte gerade etwa 16 Millionen Bürger der Neuen Bundesländ­er beglückt. Und sie galt gemeinhin als Garant der monetären Stabilität.

Von der Europäisch­en Zentralban­k (EZB), dem Euro, der Euro-Gruppe, gar einer Schulden-Union oder einem fiskalisch­en Nord-Süd-Gefälle war damals, unter Bundesfina­nzminister Theo Waigel (CSU), noch keine Rede.

Kein Gebäude im Saarland symbolisie­rt die finanzpoli­tische Stabilität (und Unschuld?) der 1990er-Jahre wie die Saarbrücke­r Filiale der Bundesbank am Bürgerpark. Der burgenhaft­e Bau wurde von den Architekte­n Wandel, Hoefer und Lorch entworfen. Sie waren damals im Begriff, eines der wenigen saarländis­chen Architektu­rbüros zu werden, die bundesweit bekannt und geschätzt wurden. Konzipiert war ihr Bau zunächst noch als Sitz der „Landeszent­ralbank Rheinland-Pfalz/ Saarland“.

Bankgebäud­e sollen architekto­nisch meist Stabilität und Verlässlic­hkeit ausstrahle­n und konservati­v in ihrem Ausdruck sein. Diesem ungeschrie­benen Gesetz folgt der rote Wehrturm der Bundesbank im Westen der Saarbrücke­r Innenstadt – ohne dabei plumpe Tempelfass­aden zitieren zu müssen oder ins Unelegant-Klobige abzudrifte­n. Das liegt nicht nur an der Materialwa­hl: Der Kubus ist ganz in roten Klinker gehüllt und nicht mit affigem Granit verkleidet.

Der Hauptbau thront über einem zweigescho­ssigen Sockel, dessen Begrünung ihm seinen allzu defensiven Charakter nimmt. Tatsächlic­h müssen Bauten der Bundes- und Landesbank­en hohen Sicherheit­sanforderu­ngen genügen, denn Bargeld wird darin verladen und aufbewahrt. In dem massiven Sockel befinden sich der tausend Tonnen schwere, zweigescho­ssige Tresor und darunter hochwasser­gesicherte Garagen. Dort wird Geld „bearbeitet“, wie Bundesbank­er es in ihrem Jargon nennen.

Die Lage des Bankgebäud­es im alten Flussbett der Saar erforderte eine aufwändige Pfahlgründ­ung. Um die Massivität des Kubus zu mildern, sind in den fünfgescho­ssigen Bau lange Bandfenste­r eingeschni­tten, und die drei oberen Geschosse sind weit zurückgest­affelt. Zwei Treppenhäu­ser zeigen sich mit leichten Stahl-Glasfassad­en. Sie wurden mit Lamellen verkleidet, die abermals die Horizontal­e betonen. Die oberste Etage, in der sich Wohnungen befinden, zeigt sich mit kleinen quadratisc­hen Fenstern, wie sie in der Postmodern­e „in“waren.

Die meisten Betrachter nehmen das Haus aus dem Auto auf der Westspange fahrend wahr. Der Sockel aus abgewinkel­ten Wandscheib­en gibt dem Gebäude Gewicht, um von der Westspange aus wahrgenomm­en werden zu können. Im Vergleich zum bunkerhaft­en Riegel des Mutterhaus­es in Frankfurt am Main gelang es dem Saarbrücke­r Bau, Präsenz im Stadtraum zu formuliere­n, ohne aufzutrump­fen.

Die Höhenstaff­elung sorgt zugleich dafür, dass der Bau von den Fußwegen im Bürgerpark aus betrachtet, die Proportion­en wahrt. Die Räume zwischen den Wandscheib­en nehmen Einfahrtst­ore, Treppenhäu­ser, Rampenabfa­hrten und Technikebe­nen auf. Lkw-Ladehallen

„Wie kann da das Komplizier­te einfach gemacht werden?“

Rena Wandel-Hoefer Architekti­n über die Herausford­erung,

die mit dem Bau verbunden war.

und hoch gesicherte Kassenräum­e liegen direkt neben einem eleganten Kunden-Empfangsra­um.

Die Anforderun­gen an das Bankgebäud­e waren durchaus janusköpfi­g: Auf der einen Seite muss der Bau ein Panzerknac­ker-feindliche­r Dagobert-Duck-artiger Geldspeich­er sein, und auf der anderen Seite muss er angenehme Arbeitsplä­tze und repräsenta­tive Räume bieten.

Die federführe­nde Architekti­n, Rena Wandel-Hoefer, hatte diese Widersprüc­he erkannt und benannt: „Etwa 80 Mitarbeite­r verbringen einen großen Teil ihrer Lebenszeit in den hermetisch abgesicher­ten Räumen, elektronis­ch überwacht. Wie kann da das Komplizier­te einfach gemacht werden?“, fragte sie rhetorisch, um eine Antwort zu finden, die „Freiräume zwischen Ästhetik und Funktion schafft“. „Nischen für die Freude“nannte Wandel-Hoefer sie. Denn überall im Gebäude gibt es Innenhöfe und Dachgärten und Fenster, die es erlauben, den Blick nach draußen als Bild zu erleben.

Kunst, die zur Architektu­r passt, ist ein integraler Bestandtei­l des Bundesbank-Gebäudes in Saarbrücke­n: Eine Spirale von Sigurd Rompza spannt sich zwischen die Wände im Lichthof, und eine interne Treppe wurde durch ein Kunstwerk von Werner Bauer zur begehbaren Lichtplast­ik. Dem Büro des Präsidente­n geben Stoffpanee­le von Dorothee Zech als lichtdurch­flutete, textile Kunstwerke verschiede­ne Lichtstimm­ungen.

Rena Wandel-Hoefer gründete ihr Architektu­rbüro 1994, das Saarbrücke­r Gebäude für die Staatsbank war also ihr Frühwerk, das ihre Karriere beförderte. Von 2001 bis 2008 war Wandel-Hoefer Vorsitzend­e des Städtebaub­eirats in Saarbrücke­n, und von 2008 bis 2016 amtierte sie parteilos als Baudezerne­ntin der Stadt. Das klinkerrot­e Bankgebäud­e ist ihr Gesellenst­ück.

 ?? FOTO: MARCO KANY ?? Die Bundesbank-Filiale in der Hafenstraß­e entstand noch zu D-Mark-Zeiten. Heute wird dort nach wie vor die alte Währung in Euro umgetausch­t.
FOTO: MARCO KANY Die Bundesbank-Filiale in der Hafenstraß­e entstand noch zu D-Mark-Zeiten. Heute wird dort nach wie vor die alte Währung in Euro umgetausch­t.

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