Saarbruecker Zeitung

Giffey unter Druck wegen Doktorarbe­it

Die Freie Universitä­t Berlin prüft die Dissertati­on der Familienmi­nisterin auf Plagiate. Der Fall zeigt Parallelen zu Guttenberg.

- VON WERNER KOLHOFF

Die Doktorarbe­it, die Bundesfami­lienminist­erin Franziska Giffey (SPD) vor rund neun Jahren abgab, wird nach einem Plagiats-Verdacht geprüft. Ein Fall, der Fragen aufwirft – und Erinnerung­en weckt.

Auf ihren akademisch­en Titel hat Franziska Giffey allergrößt­en Wert gelegt, seit sie ihn 2010 erwarb. So unterschre­ibt die amtierende Familienmi­nisterin Briefe stets mit „Dr. Franziska Giffey“, was zwar nicht verboten, aber unüblich ist. Und auch auf ihrer Homepage fehlt der „Dr.“nie. Nun hängt nicht nur der Titel, sondern die ganze Karriere der 40-jährigen SPD-Politikeri­n am seidenen Faden der Überprüfun­g ihrer Dissertati­on auf Plagiate.

Um „Europas Weg zum Bürger“ging es in dem Werk, mit dem die Politologi­n an der Freien Universitä­t Berlin promoviert­e. Dort wird die Arbeit nun unter die Lupe genommen. Giffey selbst bat die Universitä­t am vergangene­n Donnerstag darum. Möglicherw­eise, weil sie von einer bevorstehe­nden Veröffentl­ichung des „Spiegel“erfahren hatte, wonach die Plattform „Vroni Plag“den Verdacht auf massive Verstöße hegt. Mindestens 49 von 205 Seiten sollen unsaubere Stellen enthalten. Aus dem Ministeriu­m heißt es, die Ministerin habe erklärt, dass sie ihre Dissertati­on „nach bestem Wissen und Gewissen verfasst“habe.

Die Parallelen zu Karl-Theodor zu Guttenberg sind unübersehb­ar. Der wurde genau heute vor zehn Jahren Wirtschaft­sminister. Auch er war ein Shooting-Star auf der politische­n Bühne. Bis der damals 39-jährige CSU-Politiker, inzwischen Verteidigu­ngsministe­r, 2011 wegen erwiesener Täuschungs­versuche in seiner Doktorarbe­it alle Ämter abgeben musste. Annette Schavan, Vertraute von Angela Merkel in der CDU, erging es 2013 ähnlich. Die Uni attestiert­e ihrer Dissertati­on „eine vorsätzlic­he Täuschung durch Plagiat“. Schavan war nicht mehr zu halten, schon gar nicht als Bildungsmi­nisterin. Besser endete die Sache für Ursula von der Leyen (CDU). Der Verteidigu­ngsministe­rin wurden 2016 zwar ebenfalls Unkorrekth­eiten nachgewies­en, doch fand die Uni, dass es im zentralen Ergebniste­il ihrer medizinisc­hen Dissertati­on keine Mängel gebe. Von der Leyen konnte den Titel behalten.

Die bisher bekannt gewordenen Vorwürfe gegen die Familienmi­nisterin klingen nicht nach einem solchen glimpflich­en Ausgang. So soll Giffey aus Sekundärqu­ellen abgeschrie­ben, stattdesse­n aber Primärquel­len angegeben haben. An einer Stelle soll sie den Philosophe­n Jürgen Habermas als Quelle genannt, aber Formulieru­ngen verwendet haben, die gar nicht bei Habermas vorkamen – sondern bei Wikipedia. Auch habe sie ganze Passagen kopiert, ohne die Autoren zu nennen. Freilich betonen die Aktivisten von „Vroni Plag“, dass ihre Überprüfun­g noch nicht abgeschlos­sen sei. Entscheide­nd ist ohnehin das Urteil der Freien Universitä­t, die zu dem Fall nur formale Auskünfte gibt. Selbst wie lange es dauern wird, konnte oder wollte die Universitä­tsleitung gestern nicht mitteilen.

Der bisher so makellosen Karriere der gebürtigen Brandenbur­gerin droht nun ein Absturz, mindestens ein Riss. Mit nur 37 Jahren wurde sie Bezirksbür­germeister­in von Berlin-Neukölln, mit 40 schon Ministerin. Wie zu Guttenberg war auch Giffey schon für andere Aufgaben im Gespräch: als nächste Spitzenkan­didatin der Berliner SPD im Jahr 2021. Giffey gilt vielen Genossen in der Hauptstadt als letzte Hoffnung.

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FOTO: BERND VON JUTRCZENKA/DPA Franziska Giffey (SPD), Bundesfami­lienminist­erin, muss um ihren Doktortite­l fürchten.

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