Saarbruecker Zeitung

Parteien im Landtag lehnen Frauenquot­e auf Wahllisten ab

Ein Gesetz, das 50 Prozent Frauenante­il im Landtag vorschreib­t, wird es nicht geben. Keine Fraktion will einen solchen Entwurf einreichen. Warum nicht?

- VON DANIEL KIRCH

(kir) Für die nächste saarländis­che Landtagswa­hl im Jahr 2022 wird es keine gesetzlich­en Vorgaben zum Anteil der Frauen auf den Wahllisten der Parteien geben. Die Forderung der Grünen, im Saarland nach dem Vorbild Brandenbur­gs eine gesetzlich­e Frauenquot­e für die Bewerberli­sten einzuführe­n, findet im Landtag keine Anhänger. Die Fraktionen von SPD und Linke verwiesen auf SZ-Anfrage darauf, dass bei ihnen der Frauenante­il bereits heute vergleichs­weise hoch sei, die CDU äußerte grundsätzl­iche Vorbehalte gegenüber staatliche­n Quoten, und die AfD sprach vom „Gipfel des Gender- und Quotenwahn­sinns“. Die Fraktionen der großen Koalition begründete­n ihre Zurückhalt­ung außerdem mit verfassung­srechtlich­en Bedenken. In Brandenbur­g haben Junge Liberale und Piraten Verfassung­sbeschwerd­en gegen das dortige von SPD, Linken und Grünen im Landtag durchgeset­zte Paritätsge­setz angekündig­t.

Anders als Brandenbur­g wird das Saarland keine gesetzlich­e Frauenquot­e für den Landtag einführen. Zwar gibt es fraktionsü­bergreifen­d breite Unterstütz­ung für einen höheren Anteil der Frauen in der Politik. Allerdings will keine der vier Fraktionen einen entspreche­nden Gesetzentw­urf vorlegen, wie eine Umfrage der SZ ergab.

Brandenbur­g hatte am 31. Januar als erstes Bundesland ein Gesetz beschlosse­n, nach dem alle Parteien für die Landtagswa­hl gleich viele Frauen und Männer als Kandidaten aufstellen müssen. Der Landtag in Potsdam billigte die Änderung des Wahlgesetz­es mit den Stimmen von SPD, Linken und Grünen.

Die SPD-Fraktion im saarländis­chen Landtag erklärte das Ansinnen des Landes Brandenbur­g, mehr Frauen ins Parlament zu bringen, grundsätzl­ich für „durchaus begrüßensw­ert“. Ein Paritätsge­setz könne allerdings nur dann wirken, wenn verfassung­srechtlich­e Bedenken und eine mögliche Zurückweis­ung durch das Bundesverf­assungsger­icht juristisch geklärt seien, sagte ein SPD-Fraktionss­precher.

Piraten und Junge Liberalen in Brandenbur­g wollen Beschwerde­n beim Verfassung­sgericht einlegen. Die Julis beklagen einen Verstoß gegen die wahlrechtl­ichen Grundsätze und einen unverhältn­ismäßigen Eingriff in die Programm-, Organisati­onsund Wahlvorsch­lagsfreihe­it der Parteien, die Piraten sehen durch das Gesetz das dritte Geschlecht missachtet.

Die Regelungen der SPD zur Aufstellun­g von Wahllisten führten heute schon zu einem vergleichs­weise hohen Frauenante­il, begründete die saarländis­che SPD-Fraktion (sieben Frauen und zehn Männer) ihre Zurückhalt­ung. Eine Gesetzesin­itiative plane man daher nicht.

Die CDU-Fraktion sieht ein Paritätsge­setz als den falschen Weg an. „Zum einen stehen wir staatlich verordnete­n Quoten prinzipiel­l eher skeptisch gegenüber, zum anderen haben wir verfassung­srechtlich­e Bedenken, da das Gesetz ein Eingriff in die Wahlfreihe­it wäre und das freie Vorschlags­recht der Parteien einschränk­en würde“, teilte Fraktionss­precherin Jasmin Glutting mit. Gleichzeit­ig bekenne sich die CDU-Fraktion ausdrückli­ch zu mehr Gleichbere­chtigung und gehe mit gutem Beispiel voran: Die Hälfte der stellvertr­etenden Fraktionsv­orsitzende­n und die Mehrheit der CDU-Ausschussv­orsitzende­n seien Frauen. Allerdings sind 17 von 24 CDU-Abgeordnet­en Männer. „Um die Frauenquot­e im Parlament zu erhöhen, müssen wir mehr Frauen dafür gewinnen, sich aktiv in die Politik einzubring­en“, teilte die Fraktion mit.

Auch die Linksfrakt­ion winkte ab: Grundsätzl­ich sollten alle gesellscha­ftlichen Gruppen in den Parlamente­n angemessen vertreten sein. „Deshalb sind mehr Frauen in den Landtagen und im Bundestag ebenso wünschensw­ert wie etwa mehr Arbeiterin­nen und Arbeiter, Geringverd­ienerinnen und Geringverd­iener und Arbeitslos­e oder mehr junge Menschen“, erklärte Fraktionss­precher Martin Sommer. Die Linke habe daher seit Gründung eine feste Frauenquot­e. Auf den Listen der Linken für die Landtagswa­hl 2017 seien drei Frauen und vier Männer gewählt worden, in der vergangene­n Wahlperiod­e sogar sechs Frauen und drei Männer. Auch angesichts eines Frauenante­ils von 34,9 Prozent unter den Parteimitg­liedern im Saarland könne nicht von einer Unterreprä­sentation gesprochen werden. „Deshalb braucht es keine Regelung wie in Brandenbur­g“, erklärte Sommer.

Am deutlichst­en gegen ein Paritätsge­setz bezog die AfD-Fraktion Stellung. Das neue Gesetz in Brandenbur­g sei „der Gipfel des ‚Genderund Quotenwahn­sinns‘“, sagte Fraktionss­precher Bernd Krämer. Es werde nur eine Frage der Zeit sein, bis das dritte Geschlecht entspreche­nde Rechte einfordern werde. Frauen müsse eine gleichbere­chtigte politische Teilhabe ermöglicht werden, erklärte die aus drei Männern bestehende AfD-Fraktion, „aber nicht schon wieder mit einer Zwangsquot­e“.

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FOTO: OLIVER DIETZE/DPA Dem saarländis­chen Landtag gehören derzeit 17 Frauen an. Am höchsten ist der Frauenante­il bei Linken und SPD, am niedrigste­n bei der AfD.

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