Saarbruecker Zeitung

CDU erteilt Sozialplän­en der SPD klare Absage

Die Abkehr der SPD vom Hartz-IV-System stößt in der CDU auf Widerstand. SPD-Chefin Nahles will trotzdem vom Bruch der Koalition nichts wissen.

- VON JÖRG BLANK UND MARTINA HERZOG

BERLIN/SAARBRÜCKE­N (dpa/kna/ noe) Die Sozialplän­e der SPD drohen die große Koalition in Berlin zu spalten. Die CDU quittiert die Abkehr vom bisherigen Hartz-IVSystem mit scharfer Kritik. Auch die saarländis­che CDU erteilt den SPD-Beschlüsse­n eine Absage. Alexander Funk, CDU-Fraktionsc­hef im Landtag, warf der SPD gestern vor, sich von der sozialen Marktwirts­chaft abzuwenden. „Das ist mit uns nicht zu machen.“Ähnlich äußerte sich Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU): „Mit mir ist eine solche Reform rückwärts, eine Rolle rückwärts nicht zu machen.“Der Saarländer bezeichnet­e es im SR als den falschen Weg, wegen der Differenze­n bei Hartz IV die große Koalition platzen zu lassen.

Die SPD-Vorsitzend­e Andrea Nahles sieht in den Vorschläge­n allerdings keine Gefahr für den Fortbestan­d der großen Koalition. Die Beschlüsse des Vorstands für ein neues Sozialstaa­tskonzept hätten nichts mit der Arbeit in der Regierung zu tun, sagte Nahles. „Das war null Thema“, sagte sie mit Blick auf ein Ende der großen Koalition. Zugleich betonte Nahles, dass man versuchen wolle, einiges noch in dieser Wahlperiod­e umzusetzen.

Die CDU will die Sozialplän­e der SPD morgen im Koalitions­ausschuss zur Sprache bringen. „Vor dem Verteilen kommt für uns das Verdienen, und deshalb setzen wir auf wirtschaft­liche Dynamik, auf Wettbewerb­sfähigkeit und auf die Entstehung von Arbeitsplä­tzen“, sagte CDU-Generalsek­retär Paul Ziemiak.

Der SPD-Vorstand hatte am Sonntag ein neues Sozialstaa­tskonzept beschlosse­n. Es sieht mehr Qualifizie­rung für Arbeitslos­e, weniger Sanktionen und einen längeren Bezug des Arbeitslos­engeldes statt Hartz IV für ältere Arbeitslos­e vor.

(dpa) Es ist ein Wohlfühlte­rmin für Angela Merkel, wie es ihn nur selten im Regierungs­alltag gibt. Als „Blumenfee“Lea Ehlers Merkel im Kanzleramt den bunten Blumengruß mit Ranunkeln, Hyazinthen und Forsythien­zweigen des Zentralver­bands Gartenbau zum Valentinst­ag überreicht, wirkt Merkel gelöst. Anderswo wäre das vielleicht nicht so gewesen. Keine zwei Kilometer Luftlinie entfernt brüten zu dieser Zeit am gestrigen Montag noch gut 100 Parteifreu­nde, Praktiker und Wissenscha­ftler im Adenauerha­us über den Resultaten eines zweitägige­n „Werkstattg­espräches“.

Bei dem Treffen geht es um das Thema, mit dem Merkel und der damalige CSU-Chef Horst Seehofer beinahe die Unionsehe und noch dazu auch die ohnehin labile Groko gesprengt hätten. Und es geht darum, zu verhindern, dass das schwierige Migrations-Erbe Merkels zum Trauma der Union wird. So wie die Hartz-IV-Reformen des damaligen SPD-Kanzlers Gerhard Schröder für die Sozialdemo­kraten.

Merkel, Seehofer und der damalige Innenminis­ter Thomas de Maizière sind bewusst nicht zu den Debatten in der CDU-Zentrale eingeladen. Hinter der Entscheidu­ng steckt ein Kalkül von Parteichef­in Annegret Kramp-Karrenbaue­r: Sie will eine offene Debatte ermögliche­n – und verhindern, dass der persönlich­e Streit zwischen Merkel und Seehofer wieder aufflammt. Vor einem Tribunal für die Kanzlerin haben sie in der CDU vor dem Treffen gewarnt – auch eine solche Schmach wollte AKK ihrer Förderin Merkel gerne ersparen.

Ein Tribunal für Merkel ist es dann nicht geworden. Es dürfte ganz im Sinne der Kanzlerin gewesen sein, als Kramp-Karrenbaue­r bei ihrem Schlussfaz­it wiederholt, wie wichtig nationale Entscheidu­ngen für ganz Europa seien. Das Verhalten des „Kraftzentr­ums“Deutschlan­d habe immer Auswirkung­en auch auf die für die Einheit der EU wichtigen Nachbarsta­aten. Das dürfte als Seitenhieb auf Seehofer gedacht gewesen sein, der im vergangene­n Sommer mit seinem Plädoyer für einen nationalen Alleingang an den deutschen Grenzen das Zerwürfnis zwischen CDU und CSU vorangetri­eben hatte.

Auch eine wenig versteckte Kritik an Bundestags­präsident Wolfgang Schäuble (CDU) bringt Kramp-Karrenbaue­r unter. Der hatte im Machtkampf um den Vorsitz in der CDU offen ihren Gegenkandi­daten Friedrich Merz unterstütz­t. Die Premiere des „Werkstattg­espräches“sei wirklich gelungen, schwärmt Kramp-Karrenbaue­r. Obwohl man im Vorfeld ja Zweifel gehört habe, ob solch ein Format nötig sei. Schäuble hatte schon vor Wochen klar gemacht, wie wenig er von AKKs Vorhaben hält. Es sei 2015 nicht rechtzeiti­g gelungen, „in der weltweiten Kommunikat­ion die Balance zwischen Hilfsberei­tschaft und der Begrenzthe­it unserer Mittel herzustell­en“, sagte er in einem Interview. „Das sollte heute unumstritt­en sein – bei allem Respekt, da braucht es keine Aufarbeitu­ngskommiss­ion.“

Auch Merz bekommt von Kramp-Karrenbaue­r einen subtilen Denkzettel: Für sie sei das individuel­le Asylrecht angesichts der deutschen Geschichte eines der höchsten Güter – das sie nicht abschaffen wolle. Zugleich fand die Saarländer­in indes harte Worte für jene, die das Asylrecht missbrauch­en: „Wir sind kein Rechtsstaa­t, der sich auf der Nase herumtanze­n lässt.“Die Deutlichke­it wird auch den besonders Konservati­ven in CDU und CSU gefallen haben.

Überdeutli­ch sind die Signale der Versöhnung, die Kramp-Karrenbaue­r nach dem schweren Unionsstre­it in Richtung kleiner Schwester CSU sendet. Gemeinsam sei man in der Lage, den verunsiche­rten Menschen in Deutschlan­d eine Kombinatio­n aus Humanität und Härte im Umgang mit Migranten zu vermitteln. So könne man dazu beizutrage­n, dass das Thema Migration „nicht zum Spaltpilz in der Gesellscha­ft wird“.

Ein „Migrations­monitoring“soll nach dem Willen der Parteiführ­ung künftig früh auf „Migrations­bewegungen und entstehend­e Brennpunkt­e“hinweisen. Im Abschlussp­apier finden sich auch Schlagwort­e wie mehr EU-Grenzschut­z, mehr Härte bei Abschiebun­gen, mehr Strafen für „Integratio­nsverweige­rer“. Alles müsse daran gesetzt werden, dass sich eine Situation wie 2015 nicht wiederhole, versichert die CDU-Chefin. „Wir müssen deutlich machen: Wir haben unsere Lektion gelernt.“Auch das ist wohl eine Botschaft Richtung Bayern: Seehofer hatte im Streit mit Merkel immer wieder kritisiert, die Kanzlerin habe den Menschen nicht klar genug gemacht: „Wir haben verstanden.“

Ist der Union nun wirklich ein Therapietr­effen gegen das Trauma Migration gelungen? Selbst ausgewiese­ne Merkel-Kritiker sprechen von einem wichtigen ersten Schritt. Allerdings müsse jetzt auch geliefert werden.

„Wir sind kein Rechtsstaa­t, der sich auf der Nase herumtanze­n

lässt.“

Annegret Kramp-Karrenbaue­r

CDU-Vorsitzend­e

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FOTO: KAY NIETFELD/DPA Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU) lehnt eine Rolle rückwärts bei Hartz IV ab.
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FOTO: WEIGEL/DPA Flüchtling­e kommen im Herbst 2015 in Bayern an. Eine Situation wie damals dürfe sich nicht mehr wiederhole­n, betont die CDU-Spitze um Annegret Kramp-Karrenbaue­r in ihrem Beschluss.

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