Saarbruecker Zeitung

Neues wie immer: Sigi Beckers Gedankenmu­sik

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Dass Sigi Beckers musikalisc­he Reise im Zuge der Protestbew­egung der 68-Generation begann, ist auch heute noch klar erkennbar. Sein OEvre atmet das Echo der damals erlangten Haltung, besser gesagt Anti-Haltung. Mit seinem neuem Programm „Zwischenha­usen“gastierte er jetzt im Saarbrücke­r Theater im Viertel am Landwehrpl­atz. Vor annähernd vollem Haus präsentier­te sich der Chansonier gemeinsam mit seinem künstleris­chen Langzeit-Companion KH Heydecke.

Das Aufbegehre­n, das kritische Hinschauen, das Becker eigen ist, zeigt sich bereits im Auftakt des Abends: Becker, der auch seit Jahren Lieder ins Deutsche übersetzt, berührt mit einem Lied des 1942 im Krakauer Ghetto erschossen­en polnisch-jüdischen Poeten Mordechai Gebirtig. Und auch die weiteren Übertragun­gen anderer Künstler, wie „Die Geschichte von Isaak“(im Original von Leonard Cohen), das sich gegen das Verheizen der eigenen Kinder in einem sinnlosen Krieg ausspricht, sind alles andere als seichte Unterhaltu­ngsmusik.

Das Paar Becker/Heydecke spielt sich dabei fein aufeinande­r abgestimmt durch das Set. Vor allem Multiinstr­umentalist Heydecke wechselt immer wieder zwischen Gitarre, Geige und Mandoline hin und her – oft auch innerhalb eines Liedes, wobei er das Publikum ein ums andere Mal mit einem theatralis­chen Stoßseufze­r ob dieser vielen Wechsel, zu belustigen weiß.

Sein Spiel bereichert dabei kongenial die Rhythmusgi­tarre Beckers: Heydeckes Soli verkommen nie zu reinen Fingerübun­gen. Mit durchdacht­en Melodiebög­en und lautmaleri­schen Verrückthe­iten – zu bestaunen bei „Küsst die Faschisten“– addiert der Musiker eine besondere Facette zu Beckers Kompositio­nen.

Textlich arbeitet sich Becker an den Themen des Anti-Establishm­ents ab, zum Teil bis zur Ermüdung: Hedonismus-Thematik – Häkchen dran. Ein Lied wider das Hamsterrad der Arbeitswel­t, das Thema Selbstopti­mierung sowie der Rechtsruck in Europa – auch abgehakt. Das Publikum hängt dabei an seinen Lippen, ist begeistert. Sigi Beckers Texte und Übertragun­gen zeugen stets von einem feinen Sprachgefü­hl und breitgefäc­herter Belesenhei­t. Und in politisch unruhigen Zeiten, ist so etwas – allen Ermüdungst­endenzen zum Trotz – von großem Wert. www.dastiv.de

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