Warum Hans nicht „mehr Europa“will
In seiner Regierungserklärung bekannte sich der Ministerpräsident klar zur EU, übte aber auch Kritik.
Die Europäische Union steckt in der Krise, und die Politik zerbricht sich den Kopf, wie der EU-Verdrossenheit vieler Bürger beizukommen ist. Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) lieferte gestern im Landtag seine Antwort auf diese Frage. Die dürfe kein „plumpes ,Mehr Europa’“sein, sagte Hans in seiner Regierungserklärung, die er anlässlich der Unterzeichnung des Aachener Vertrags am 22. Januar und der Übernahme der Präsidentschaft des Gipfels der Großregion durch das Saarland abgab. Notwendig sei kritische Selbstreflexion. „Wir müssen uns fragen: Was läuft falsch in der EU, wenn sich die Bürgerinnen und Bürger von ihr abwenden?“
Hans sieht die Ursache in der Fülle an EU-Verordnungen und -Richtlinien. Bei vielen Menschen bestehe das Gefühl, dass im „fernen Brüssel“Dinge beschlossen würden, die sie nicht beeinflussen könnten. Gemeinsame Standards etwa im Umweltund Verbraucherschutz seien wichtig. Aber man müsse sich fragen, wie weit das im Einzelfall gehen muss. „Wie sinnvoll ist es, für Stickoxide EU-weit bindende Grenzwerte festzulegen, wenn der Umgang damit, wie wir wissen, in der Praxis ohnehin sehr unterschiedlich ist?“, fragte Hans – eine deutliche Kritik in der Debatte um Diesel-Grenzwerte. Er forderte, sich auf das Subsidiaritätsprinzip zu besinnen, staatliche Aufgaben also so weit möglich auf der unteren Ebene zu belassen.
Die Akzeptanz für die EU schwinde. Dies zeige sich am Brexit, aber auch an den EU-skeptischen Kräften im Europäischen Parlament, deren Anteil von wenigen Einzelnen 1979 auf 20 Prozent im Jahr 2014 gewachsen sei und weiter wachse. „Europa braucht einen neuen Aufbruch. Und dieser Aufbruch kann nur von Frankreich und Deutschland kommen“, sagte Hans. Der Aachener Vertrag zur deutsch-französischen Zusammenarbeit setze das richtige Zeichen. Wichtig für das Saarland sei, dass dort der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit ein besonderer Stellenwert eingeräumt werde. Mit dem Vertrag soll unter anderem die Angleichung rechtlicher Regelungen in Grenzregionen ermöglicht werden, da unterschiedliches Recht die Zusammenarbeit häufig behindert. Hans nannte dies einen „Quantensprung“. „Damit werden neue Möglichkeiten echter Ko-Administration beispielsweise bei Kitas oder Bus- und Bahnverkehren geschaffen.“
Viel habe sich die Landesregierung für die Zeit ihrer Gipfelpräsidentschaft vorgenommen, so Hans. Bei der Aufzählung ließ er es nicht an Selbstbewusstsein mangeln. So sprach er etwa davon, die Universität der Großregion, die sich als „Europäische Hochschule“bewerben will, könne „weltweit als Modell
„Wir müssen uns fragen: Was läuft falsch in der EU, wenn sich die Bürgerinnen und Bürger
von ihr abwenden?“
Tobias Hans (CDU)
Ministerpräsident
gelten“. Die grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung solle vertieft werden, auch beim ÖPNV gebe es Handlungsbedarf. Hans schlug zudem eine gemeinsame europäische Kraftanstrengung im Bereich Künstliche Intelligenz (KI) vor, um zu verhindern, dass die EU im Konkurrenzkampf mit den USA und China abgehängt wird. Ausgangspunkt dieser „KI-Union“müsse das Saarland mit seiner Forschungsexzellenz auf diesem Feld sein.
Strittig war Hans’ knapp 50-minütige Rede nicht. Im Landtag würden sich wohl die meisten als überzeugte Europäer bezeichnen – davon wollte sich auch die AfD nicht ausgenommen sehen. Er sei begeisterter Europäer, betonte AfD-Fraktionschef Josef Dörr. Die von Hans angesprochenen EU-skeptischen Kräfte seien nicht gegen Europa, sondern nur gegen dessen gegenwärtigen Zustand. „Wir sehen Brüssel als ein bürokratisches Monster.“
Linken-Fraktionschef Oskar Lafontaine unterstützte Hans’ Vorschlag, sich auf das Subsidiaritätsprinzip zu besinnen. Dass die EU in einer Krise steckt, hat ihm zufolge aber noch einen anderen Grund: „Wir haben in Europa eine Fehlentwicklung, weil ökonomische Aspekte des Wettbewerbs zu sehr dominieren.“Der Zusammenhalt könne nur wiederhergestellt werden, wenn kulturelle und soziale Aspekte stärker berücksichtigt würden.
Isolde Ries (SPD) appellierte an die Landesregierung, „den schönen Worten Taten folgen zu lassen“und die Chancen des Aachener Vertrags zu nutzen. Die Grenzregion habe 230 000 Pendler. „Mehr gibt es in ganz Europa nicht.“Der Ausbau der Mobilität müsse deshalb an erster Stelle stehen. Dabei gehe es nicht nur um die Fernverbindung Saarbrücken-Paris, sondern auch um einen funktionierenden grenzüberschreitenden ÖPNV. „Hier haben wir noch einige Baustellen.“So müsse etwa die Saarbahn-Verbindung nach Saargemünd langfristig gesichert und sogar bis nach Forbach ausgebaut werden.