Saarbruecker Zeitung

Gegen Wildwest im Internet kann sich Europa beweisen

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Das Internet ist Fluch und Segen für alle Kreativen. Musiker, Journalist­en und Künstler können mit einem Schlag weltweit bekannt werden. Beim Urheberrec­ht aber existiert hier ein rechtsfrei­er Raum. Es droht die Enteignung. Mächtige Spieler der digitalen Plattforme­n können tun, was auf anderen Märkten undenkbar wäre: Sie können die Früchte geistiger Arbeit – also Rhythmen, Artikel, Videos – kapern und sie für kommerziel­le Zwecke missbrauch­en. Youtube verdient Milliarden mit der Werbung, die die Google-Tochter zwischen jedem Song schaltet. Google greift Daten ab und verkauft Werbung im großen Stil, indem Artikel aus Tages- und Wochenzeit­ungen, von national verbreitet­en und regionalen Blättern für lau zur Verfügung gestellt wurden. Die Urheber, Künstler, Verleger, Journalist­en, die mit ihrer Arbeit Geld für ihren Lebensunte­rhalt verdienen müssen, gehen dabei leer aus oder werden mit einem Almosen abgespeist.

Es wäre ein großer Durchbruch, wenn es der EU gelänge, dem Internet die Züge des Wilden Westens auszutreib­en. Es träfe keine Schwachen, wenn die digitalen Plattforme­n künftig Verlagen, Journalist­en und Kreativen etwas von ihren Riesengewi­nnen abgeben müssten. Google, Facebook und CO. gehören zu den Unternehme­n weltweit, die am meisten wert sind und am besten verdienen.

Mit der Urheberrec­htsreform stellt Europa unter Beweis, wie viel der alte Kontinent bewirken kann, wenn er denn zusammenhä­lt: Er kann die größten Konzerne der

Welt zur Rechenscha­ft ziehen und Standards setzen, die es nirgendwo sonst gibt. Noch ist der Erfolg aber nicht sicher. Seitdem Günther Oettinger noch als Digitalkom­missar die einschneid­enden Änderungen vorschlug, läuft eine beispiello­se Anti-Kampagne. Die Verfechter einer Gratis-Kultur im Internet sind sich bis heute nicht zu schade, plumpe Lügen zu verbreiten. Zunächst war die Rede davon, dass das Verlinken von Texten verboten werden solle. Dann hieß es, die EU plane eine Link-Steuer. Beständig wird das Horrorgemä­lde gepinselt, es drohe Zensur im Internet. Nichts davon ist wahr. Tatsache ist, dass die Software, die den unbefugten Zugriff auf Inhalte regelt, seit zehn Jahren im Internet im Einsatz ist.

Ungeachtet der Tatsachen läuft die Kampagne gegen die Reform weiter. Nachdem sich die Verhandlun­gsführer von Parlament und

Rat geeinigt haben, dürfte eigentlich nichts mehr anbrennen. Doch kein anderes Gesetzgebu­ngsverfahr­en ist bis zuletzt so umkämpft wie das digitale Copyright. Nicht ausgeschlo­ssen, dass das EU-Parlament bei der letzten Abstimmung, die in den nächsten Wochen stattfinde­n soll, noch umkippt. Es wäre der Triumph der Konzerne.

Die Anhänger der Netzgemein­de, die auf die Straße gehen und gegen die angeblich drohende Zensur im Internet protestier­en, sollten sich fragen, ob diese Unternehme­n ihre Schützenhi­lfe wirklich verdienen. Die Weste von Google, Apple und Co. ist alles andere als blütenweiß. Schließlic­h werden sie immer wieder dabei erwischt, dass sie ihre Pflichten zum Steuerzahl­en und zum Schutz der Daten der Nutzer nicht so ernst nehmen.

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