Der Dreifach-Verlierer verlässt die Politik
Hessens SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel gibt alle Spitzenämter auf.
(dpa) Als die hessische SPD vor zehn Jahren nach dem Ypsilanti-Debakel an einem Tiefpunkt angelangt war, schlug die Stunde des Hinterbänklers Thorsten Schäfer-Gümbel. Anfangs noch von manchen als „Schäfer-Wer?“verspottet, einte der groß gewachsene Mann aus Gießen die damals tief zerstrittenen Sozialdemokraten. Nach der Landtagswahl 2013 hätte er um ein Haar den Lohn seiner Arbeit eingefahren und wäre fast Ministerpräsident geworden. Doch letztlich kam es zu einem schwarz-grünen Bündnis, der SPD und Schäfer-Gümbel blieb nur die Oppositionsrolle.
Bei der Landtagswahl im vergangenen Herbst kam dann der Tiefschlag für TSG, wie der SPD-Politiker mit der Brille allseits genannt wird. Die SPD schmierte in ihrem einstigen Stammland ab und landete nur auf Platz drei hinter den Grünen – wenn auch nur wegen einiger Dutzend Stimmen. Mit 19,8 Prozent mussten die Sozialdemokraten unter dem Spitzenkandidaten Schäfer-Gümbel ein historisches Tief einstecken. Das nagte in den Wochen darauf sichtbar an dem 49-Jährigen. Jetzt zieht er die endgültige Konsequenz – und legt all seine Ämter nieder.
Bereits viele Monate vor der Landtagswahl habe er für sich beschlossen, bei einer erneuten Niederlage auf dem Weg zum Ministerpräsidenten alle politischen Ämter aufzugeben, berichtet Schäfer-Gümbel gestern mit fester Stimme und entschlossenem Gesichtsausdruck bei seiner Rücktrittspressekonferenz. Seine Parteifreunde verabschiedeten sich im Hessischen Landtag unter Tränen von ihm.
Schäfer-Gümbel – das bescheinigen ihm auch Gegner – ist fleißig. Zugleich gilt er als Politiker mit hohen moralischen Ansprüchen, aber bisweilen als verkopft. Zum disziplinierten Kämpfer hat ihn die eigene Partei gemacht, als sie ihn in Zeiten von tiefer Spaltung an ihre Spitze holte. 2008 wollte sich seine Vorgängerin Andrea Ypsilanti trotz gegenteiligen Versprechens mit Hilfe der Linken zur Ministerpräsidentin wählen lassen. Vier Abweichler aus den eigenen Reihen machten aber nicht mit. Mit Schäfer-Gümbel als Spitzenkandidat kassierte die Partei bei der Neuwahl – vorhersehbar – herbe Verluste. Insgesamt trat er dreimal an, um Ministerpräsident in Hessen zu werden – vergeblich. TSG machte dennoch unverdrossen weiter.
Der fast 50-Jährige stieg später auf Bundesebene zum Vize-Parteichef auf. Politisch kommt TSG, der in einem Arbeiterhaushalt groß wurde, aus dem linken Flügel der SPD. Themen wie Gerechtigkeit und Arbeit waren ihm immer wichtig, was wohl in seiner Biografie angelegt ist, die er gerne erzählt.
Geboren im Allgäu, kam der älteste Sohn eines Zeitsoldaten nach dem Umzug der Familie in jungen Jahren nach Gießen. Der Vater fuhr dort Lastwagen, die Mutter arbeitete als Putzhilfe. Als einziges der vier Kinder machte er dank der Empfehlung eines Lehrers Abitur und studierte danach Politologie. Mit 33 Jahren zog er in den Landtag ein – und wurde Berufspolitiker.
Wie seine berufliche Zukunft nun weitergeht, hat er schon verkündet: Er wird Arbeitsdirektor und Vorstandsmitglied bei der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) – ein lukrativer Job. Aber wie geht es mit den hessischen Sozialdemokraten weiter? Vor zehn Jahren hatte Schäfer-Gümbel noch einen zerstrittenen Haufen übernommen. Diese ganz dunklen Zeiten sind vorbei. Noch offen bleibt, wer nun seine Nachfolge im Land antritt.