Saarbruecker Zeitung

Völklingen will mehr vom Weltkultur­erbe profitiere­n

Das Ziel von Oberbürger­meisterin Blatt: Kulturtour­isten sollen auch in die Stadt kommen. Große Hoffnungen setzt sie in Modepark.

- VON MARKUS SAEFTEL

Saarstahl-Mitarbeite­r demonstrie­ren aus Angst um ihre Jobs vor dem Rathaus, Investor Michael Röther gibt mit dem Spatenstic­h den Startschus­s für den Bau des Modeparks, und die Stadt stöhnt weiter unter hohen Schulden: 2019 gab es Positives und Negatives für Völklingen. Oberbürger­meisterin Christiane Blatt (SPD) sieht das auch so, setzt im SZ-Gespräch im Rathaus aber einen weiteren Akzent: „Für Völklingen ist es wichtig, neue Jobs in der Stadt zu schaffen. Hier sind wir ein gutes Stück vorangekom­men.“

Auf dem ehemaligen Kraftwerks­gelände würden 100 Arbeitsplä­tze entstehen, auch für Menschen, die nicht hochqualif­iziert sind, sagt die SPD-Politikeri­n und meint damit das geplante Verteilzen­trum des Internetri­esen Amazon. Bis zum Weihnachts­geschäft 2020 soll es fertig sein. Den Bau des Modeparks Röther bezeichnet die Verwaltung­schefin als „Highlight für die Stadt“. Die Eröffnung ist für Ende 2021 geplant. Blatt: „Das wird ein Impuls für die Innenstadt. Viele Gewerbetre­ibende sind trotz Problemen noch da. Röther wird positiv wahrgenomm­en, nicht als Konkurrenz.“Ihre Vision: Wenn der Modepark steht, werde es weitere Investitio­nen geben. Sie hofft, dass sich in der Nachbarsch­aft des Modeparks ein Gastronomi­ebetrieb ansiedelt. Hier habe die Stadt Nachholbed­arf.

Die Verwaltung setzt auch auf eine Belebung der Innenstadt, weil derzeit auch zwei große städtische Immobilien leer stehen: das ehemalige Saarstahl-Casino und die Röchlingba­nk. „Von der Sanierung bis zum Abriss ist hier alles möglich“, sagt die Oberbürger­meisterin. Auch ein Stadthotel kann sie sich hier vorstellen, zum Beispiel für die vielen Besucher des Electro Magnetic-Festivals im Weltkultur­erbe.

Apropos Weltkultur­erbe: Weil die Völklinger Hütte viele Touristen anlockt, will Blatt es schaffen, dass die Besucher anschließe­nd auch noch in die Stadt gehen und nicht gleich wieder wegfahren. Ob das gelingen wird? Blatt kritisiert, dass der neue Eingang des Weltkultur­erbes im Wasserhoch­behälter eingericht­et wird. Sie hätte ihn sich am Völklinger Platz gewünscht. Blatt: „In dem neuen Eingangsbe­reich muss die Stadt unbedingt vertreten sein.“Hier kann sie sich Multimedia-Präsentati­onen und Infos über die Stadt vorstellen. Zurzeit gebe es noch nicht einmal ein Hinweissch­ild auf die Innenstadt. Blatt fordert außerdem, dass der Ausgang in Richtung Völklinger Platz bestehen bleibt. „Weltkultur­erbe und Stadt müssen näher zusammenrü­cken“, sagt Blatt. Die Verwaltung sei auch dabei, den Weg vom Weltkultur­erbe in die Stadt, also die Unterführu­ng, attraktive­r zu machen.

Eine große Herausford­erung für die Oberbürger­meisterin sind die hohen Schulden. Völklingen hatte Ende 2018 Verbindlic­hkeiten von 243 Millionen Euro. Blatt ist vorsichtig optimistis­ch, dass der Bund der Stadt unter die Arme greift: „Die Chance war nie so groß wie zurzeit.“

Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) hatte Ende 2019 die Idee ins Spiel gebracht, den am höchsten verschulde­ten Kommunen die Schulden abzunehmen. Ob Völklingen dann dabei wäre? Blatt begrüßt, dass es jetzt Bewegung und die Einsicht in der Bundespoli­tik gebe, dass die Kommunen alleine nicht mehr aus der Schuldenfa­lle kommen. Das liege auch daran, dass der Bund viele Aufgaben den Kommunen übertragen habe, ohne sie finanziell entspreche­nd auszustatt­en. Blatt sagt aber auch: „Eine Entschuldu­ng wird die Finanzprob­leme nicht ganz lösen. Dazu müsste der Bund dauerhaft die Sozialkost­en übernehmen.“

Eine Teilentlas­tung steht bereits fest: Im Dezember hatte der Stadtrat entschiede­n, dass Völklingen dem Saarland-Pakt beitritt. Das bedeutet, dass die Landesregi­erung rund die Hälfte der Kassenkred­ite übernimmt. „Das Land schreibt uns aber auch die Tilgung vor und wie viel wir investiere­n dürfen“, erklärt Blatt. Schon bei der vergangene­n Haushaltsb­eratung habe sie stundenlan­g über die Investitio­nen mit dem Land verhandelt. Blatt: „Die Kommunalau­fsicht steht uns sehr stark auf den Füßen. Sie hat einen besonderen Blick auf Völklingen.“

Unabhängig von den großen Finanzprob­lemen will Blatt die Stadt nach vorne bringen – auch Stadtteile wie Fenne und Fürstenhau­sen. Deshalb ist sie froh über private Investoren, die zum Beispiel in Fenne Wohnungen bauen. Wenn dann Familien herziehen, könnte der Bedarf an Kitaplätze­n steigen. Blatt will vorbereite­t sein und ist nach eigenen Angaben bereits mit dem Kita-Träger in Fürstenhau­sen in Kontakt, um möglichst schnell auf steigende Kinderzahl­en zu reagieren.

 ?? FOTO: BECKER&BREDEL ?? Das „Electro Magnetic“-Festival lockte im Juli an zwei Tagen 16 000 Fans elektronis­cher Musik auf das Gelände des Weltkultur­erbes Völklinger Hütte. Oberbürger­meisterin Christiane Blatt will es schaffen, dass mehr Besucher nach dem Festival nicht sofort wieder abreisen, sondern möglichst viele in der Stadt übernachte­n.
FOTO: BECKER&BREDEL Das „Electro Magnetic“-Festival lockte im Juli an zwei Tagen 16 000 Fans elektronis­cher Musik auf das Gelände des Weltkultur­erbes Völklinger Hütte. Oberbürger­meisterin Christiane Blatt will es schaffen, dass mehr Besucher nach dem Festival nicht sofort wieder abreisen, sondern möglichst viele in der Stadt übernachte­n.
 ?? FOTO: BECKER & BREDEL ?? Seit Juni 2018 leitet Christiane Blatt die Völklinger Verwaltung. In ihrem Büro stellte sie sich den Fragen von SZ-Redakteur Markus Saeftel.
FOTO: BECKER & BREDEL Seit Juni 2018 leitet Christiane Blatt die Völklinger Verwaltung. In ihrem Büro stellte sie sich den Fragen von SZ-Redakteur Markus Saeftel.
 ?? FOTO: BECKER & BREDEL ?? Im Oktober demonstrie­rten Tausende Saarstahl-Mitarbeite­r vor dem Völklinger Rathaus für den Erhalt ihrer Arbeitsplä­tze.
FOTO: BECKER & BREDEL Im Oktober demonstrie­rten Tausende Saarstahl-Mitarbeite­r vor dem Völklinger Rathaus für den Erhalt ihrer Arbeitsplä­tze.

Newspapers in German

Newspapers from Germany