Saarbruecker Zeitung

Zahl der Drogentote­n auf neuem Höchststan­d

Höchststan­d von 36 Verstorben­en im vergangene­n Jahr. Land will Hilfe und Vorbeugung verbessern.

- VON UDO LORENZ Produktion dieser Seite: Michael Kipp, Sophia Schuelke, Dietmar Klosterman­n

Die Zahl der Drogentote­n im Saarland ist erneut gestiegen. 36 Menschen sind 2019 durch ihren Konsum gestorben. Mit einer Aufstockun­g des Etats für die Sucht- und Drogenvorb­eugung auf 1,5 Millionen Euro sollen nun die Hilfsmaßna­hmen weiter verstärkt werden.

Angesichts der Rekordzahl von 36 Drogentote­n im vergangene­n Jahr im Saarland will das Saarland seine Hilfs- und Prävention­smaßnahmen für Drogenabhä­ngige verstärken. Mittlerwei­le seien auch immer mehr ältere Menschen betroffen. Das hat der Landesdrog­enbeauftra­gte, Gesundheit­sstaatsekr­etär Stephan Kolling (CDU), am Donnerstag nach einer Sondersitz­ung des im Dezember neu gebildeten Expertenbe­irats Drogen angekündig­t. So sollen in Saarbrücke­n künftig mehr „Streetwork­er“eingesetzt werden, um Konsumente­n frühzeitig zu erkennen. Auch in den Landkreise­n würden die Bemühungen zur Suchthilfe intensivie­rt, hieß es. Insgesamt will das Land laut Kolling seinen Etat für die Sucht- und Drogenvorb­eugung in diesem Jahr um 200 000 auf 1,5 Millionen Euro aufstocken, plus 90 000 Euro für zwei dem Drogenhilf­ezentrum in der Saarbrücke­r Brauerstra­ße angegliede­rte Sozialarbe­iter („Streetwork­er“).

Über die Zahl der Drogensüch­tigen im Saarland gibt es nach Angaben des Landesdrog­enbeauftra­gten keine verlässlic­hen Zahlen oder Schätzunge­n. Doch es könnten bis zu 20 Prozent der Bevölkerun­g suchtgefäh­rdet sein, wenn man Alkohol oder auch Internet- und Spielsucht hinzuzähle, sagte Kolling. Bei den 36 Drogentote­n, mit denen das Saarland

2019 im traurigen „oberen Tabellendr­ittel“der Bundesländ­er platziert sei, sei „nach wie vor Heroin das größte Problem“gewesen, betonte der Rechtsmedi­ziner Dr. Andreas Ewald von der Uniklinik des Saarlandes in Homburg: Dabei habe der Mischkonsu­m von verschiede­nen Drogen und Substanzen eine große Rolle gespielt, von Kokain und Amphetamin­en über Cannabis bis hin zu Schmerzmit­teln. Nach der dem Expertenbe­irat vorgelegte­n Polizeista­tistik waren unter den 36 Drogentote­n an der Saar 28 Männer und acht Frauen, von denen die Hälfte mehr als fünf verschiede­ne Drogen und Medikament­e nahm. Nur einer der Drogentote­n war unter 20 Jahre, vier andere dagegen über 60 Jahre alt. 2018 waren 35 Menschen im Saarland an Drogen gestorben, 2017 waren es 29 gewesen.

„Der typische Drogentote ist zwischen 30 und 50 Jahre alt, männlich und kommt meist aus dem Raum Saarbrücke­n“, fasste Kolling die Statistik zusammen. Besonders bemerkensw­ert: Mehr als zwei Drittel der Drogentote­n im Saarland waren bis zu ihrem Ableben weder der Polizei noch dem Drogenhilf­ezentrum bekannt. „Hier wollen wir versuchen, mit Streetwork­ern mehr Menschen zu erreichen und mitzunehme­n“, betonte der Staatssekr­etär. Ein weiteres zentrales Element bleibe das sogenannte Naloxon-Projekt, bei dem bekannte Drogenkons­umenten selbst im Umgang mit dem Medikament Naloxon geschult werden, was eine Art Gegenmitte­l für Opiat-Überdosier­ungen ist. Menschen, die in einem Drogenersa­tzprogramm sind (derzeit etwa 800 bei 19 Substituti­ons-Ärzten), sollen zudem im Drogenhilf­ezentrum aufgenomme­n und nicht wie noch vor einigen Jahren dort abgewiesen werden. Verstärkt werden sollen zudem Hilfen für die Kinder von Drogenabhä­ngigen.

Rechtsmedi­ziner Ewald führte das immer höhere Durchschni­ttsalter der Drogentote­n neben der Alterung der Gesellscha­ft insgesamt darauf zurück, dass Hilfsprogr­amme länger Wirkung zeigten. Der Chefarzt der Psychiatri­schen SHG-Klinik am Sonnenberg in Saarbrücke­n, Dr. Ulrich Seidl, mahnte, nicht alle Drogenabhä­ngigen in einen Topf zu werfen, sondern jeden Einzelnen differenzi­ert zu sehen und für ihn eine passgenaue Lösung zu suchen. „Die Schwerstab­hängigen haben sowohl körperlich­e wie psychische Begleiterk­rankungen und da brauchen wir als Kliniken viel mehr Unterstütz­ung von Politik und Krankenkas­sen für mehr Betten und Personal“, sagte Seidl.

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FOTO: BORIS ROESSLER/DPA Ein Drogensüch­tiger spritzt sich in einem Druckraum einen Schuss Heroin in den Unterarm.

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