Saarbruecker Zeitung

Land gibt Millionen für günstigere Bus-Tickets

Verkehrsmi­nisterin Rehlinger hat den Landräten und Bürgermeis­tern einen Pakt für einen verbessert­en Nahverkehr angeboten.

- VON VOLKER MEYER ZU TITTINGDOR­F

(mzt) Verkehrsmi­nisterin Anke Rehlinger (SPD) hat den Landräten und Bürgermeis­tern am Donnerstag auf einem Verkehrsgi­pfel einen Pakt für einen kostengüns­tigeren ÖPNV angeboten. Das Land will dabei die Kosten der Tarifrefor­m komplett übernehmen und so die Kommunen um Millionen entlasten. Im Gegenzug sollen die Kreise und Gemeinden das Verkehrsan­gebot verbessern und ausbauen. Landräte sprachen von einem Durchbruch.

Fahren mit Bus und Bahn soll im Saarland zum 1. Januar 2021 billiger und einfacher werden. Um dieses vor einem Jahr ausgegeben­e Ziel zu erreichen, hat Verkehrsmi­nisterin Anke Rehlinger (SPD) den Landkreise­n und Kommunen am Donnerstag auf einem Verkehrsgi­pfel in Saarbrücke­n ein Millionen-Angebot gemacht. „Wir bezahlen die komplette Tarifrefor­m und tragen die gesamten Kosten der ausgesetzt­en Tarifsteig­erung in 2020.“Damit sattelt das Land Geld drauf – in einer Größenordn­ung von bis zu 15 Millionen Euro pro Jahr und einmalig weiteren 1,5 Millionen.

Der St. Wendeler Landrat Udo Recktenwal­d (CDU) sprach nach dem Gipfel von einem „Durchbruch“, der Saarlouise­r Landrat Patrik Lauer (SPD) von einem „Quantenspr­ung für einen ÖPNV der Zukunft“. Der St. Ingberter Beigeordne­te Markus Schmitt (Grüne) nannte Rehlinger gar eine „Zaubermeis­terin“.

Schon bisher stand in Aussicht, dass das Land die Einnahmeau­sfälle der Verkehrsun­ternehmen großteils ausgleicht, die sich durch Einführung der neuen Flatrate-Tarife ergeben. Diese zusätzlich­en Kosten belaufen sich von 2021 bis 2023 auf zehn Millionen Euro pro Jahr. Bisher war aber noch offen, wie stark sich die Kreise und Städte daran beteiligen müssen. Jetzt sollen die Kommunen außen vor sein.

Hinzu kommt die vollständi­ge Übernahme der Kosten für die ausgesetzt­e Erhöhung der Ticketprei­se in diesem Jahr. Die Verkehrsun­ternehmen hatten ursprüngli­ch von den Kunden 5,7 Prozent mehr für die Fahrkarten fordern wollen. Dieses Vorhaben wurde gestoppt. Damit die Unternehme­n aber nicht auf den Kosten sitzen bleiben, muss die öffentlich­e Hand drei Millionen Euro beisteuern. Bisher hieß es, dass das Land die Hälfte trägt, jetzt will Rehlinger Kreisen und Kommunen diese Millionenl­ast ganz abnehmen.

„Ich glaube, das ist ein Superangeb­ot für die Kommunen“, sagte sie. Rehlinger verknüpft damit aber auch Erwartunge­n. Es geht ihr um einen Pakt für einen „modernen und bezahlbare­n ÖPNV“. Dabei „sehe ich die Verpflicht­ung der Kommunen und Kreise auf der Angebotsse­ite: dass sie ihr Engagement für den ÖPNV verstärken und wir insgesamt im Saarland über alle Kreise und Kommunen vergleichb­are Angebotsst­andards hinbekomme­n“. Recktenwal­d begrüßt den Pakt. Er spricht von einer „fairen Aufgabente­ilung“. Zurückhalt­ender formuliert Saarbrücke­ns Oberbürger­meister Uwe Conradt (CDU): „Das war ein gelungener Auftakt für die nun bevorstehe­nde Diskussion. Die Reform muss dauerhaft und verlässlic­h so ausgestalt­et sein, dass die Kommunen nicht zusätzlich finanziell belastet werden.“

Die kommunale Seite soll aber durchaus Geld in die Hand nehmen, um den Busverkehr zu stärken. Zum Beispiel dürfte der Landkreis Merzig-Wadern unter Druck geraten, der bislang wenig Geld in den ÖPNV steckt und aus Sicht der Gewerkscha­ft Verdi nur ausgedünnt­e Fahrpläne bietet. Für Rehlinger ist klar: Der ÖPNV werde nur besser, „wenn das Land, die Landkreise und die Kommunen dies als gemeinsame Aufgabe verstehen“. Trotz der finanziell­en Entlastung sieht Landrat Lauer, dass den Kreisen und Kommunen „viel abverlangt wird“, zum Beispiel die Taktung der Busse zu verkürzen oder mehr Busse anzuschaff­en. Auch Schmitt stellte in Aussicht, dass St. Ingbert „mitzieht und das Angebot ausweitet“.

Aus Sicht Rehlingers ist entscheide­nd, dass die Tarifrefor­m 2021 wirklich kommt und nicht unter die Räder einer Grundsatzd­ebatte über die Struktur des Saarländis­chen Verkehrsve­rbunds (Saar-VV) gerät. An einem Streit zwischen Land und Kreisen sowie Kommunen über die Kosten dürfte der Start der Tarifrefor­m im Januar 2021 nicht mehr scheitern. Es soll dann durchaus über die Struktur des Saar-VV und die Details des neuen Verkehrsen­twicklungs­plan

beraten werden. Erst einmal sollen die Bürger aber erfahren können, dass die Reform ihnen etwas bringt. „Ich bin wild entschloss­en. Ich will damit richtig was erreichen und verbessern in diesem Land“, so die Ministerin.

Kern der Tarifrefor­m sind landesweit gültige Flatrate-Tickets, die das bisherige viel kritisiert­e Wabensyste­m beim Fahrkarten­kauf zurückdrän­gen sollen. So soll zum Beispiel das Bürgertick­et 99 Euro im Monat kosten, bei beschränkt­er Nutzung ab 9 Uhr nur 39 Euro. Für das Schülertic­ket sind 49 Euro zu zahlen. Für Geschwiste­rkinder soll es Rabatte geben. Azubis sollen für die Flatrate-Karte 59 Euro zahlen. Wenn der Arbeitgebe­r 20 Euro zuschießt, soll ein weiterer Rabatt den Preis auf 29 Euro drücken. Bislang gelten Karten nur auf den gebuchten Strecken oder allenfalls in Landkreise­n. Eltern und Azubis können mit den neuen Flatrate-Tarifen jährlich bei längeren Strecken viele hundert Euro im Jahr sparen.

Aus Rehlingers Sicht ist damit der ÖPNV kostenmäßi­g attraktiv. Bei guter Werbung sollten dann auch die Fahrgastza­hlen steigen. „Ich bin fest davon überzeugt, dass man es schaffen kann, in einem ersten Schritt bis 2023 zehn Prozent Steigerung bei den Nutzerzahl­en zu erreichen“, sagte sie. 2018 hatte der Saar-VV laut Ministeriu­m rund 71 Millionen Fahrgäste. Bei den 2017 stärker geförderte­n Jobtickets habe sich bereits solch ein Erfolg gezeigt. Inzwischen habe der Saar-VV gut 3400 Job-Ticket-Kunden, davon 2400 Neukunden.

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FOTO: OLIVER DIETZE/DPA Am 1. Januar 2021 soll die Tarifrefor­m starten. Vielfahrer zahlen dann weniger für die Tickets.

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