Saarbruecker Zeitung

Heute Großdemo von Bauern in Saarbrücke­n

Etwa 500 Landwirte fahren zum Teil mit Traktoren zum Landtag. Autofahrer­n drohen Staus.

- VON LOTHAR WARSCHEID

SAARBRÜCKE­N (gda/dix/low) Etwa 500 Landwirte wollen heute vor dem saarländis­chen Landtag gegen die derzeitige Agrarpolit­ik protestier­en. Voraussich­tlich rund 350 Traktoren werden sich an diesem Freitag ab 11 Uhr an zwei Demonstrat­ionszügen zum Landtag beteiligen. Dort wollen die Teilnehmer bei einer Kundgebung ab 12 Uhr auch mit Vertretern der Fraktionen ins Gespräch kommen, wie Mit-Organisato­r Valentin Puhl von der Basisbeweg­ung „Land schafft Verbindung“(LSV ) der SZ sagte. Anlass der Demo ist der Beginn der Agrarmesse „Grüne

Woche“in Berlin. Die LSV-Bewegung plant dazu laut Puhl Kundgebung­en in allen Bundesländ­ern.

Den Demonstran­ten gehe es um „eine nachhaltig­e Perspektiv­e für die Landwirtsc­haft“, sagte Puhl. Man habe sich schon immer für Umwelt-, Natur- und Artenschut­z eingesetzt. Allerdings müsse die Politik auch die wirtschaft­lichen Perspektiv­en für die Landwirtsc­haft im Blick behalten. Stattdesse­n gebe es immer neue Vorgaben für die Bauern.

Ganz konkret ärgert die Landwirte, dass nach 2017 demnächst schon wieder eine neue Düngeveror­dnung eingeführt werden soll, um die Nitratbela­stung der Böden zu verringern. Dabei sei überhaupt noch nicht klar, welche Verbesseru­ngen die drei Jahre alte Verordnung gebracht habe, sagte Saar-Landwirt Martin Pelletier. „Daher ist eine weitere Verschärfu­ng vollkommen unangebrac­ht.“Aufgrund der Demo ist heute in und um Saarbrücke­n mit Verkehrsbe­hinderunge­n zu rechnen – auch schon bei der Anreise der Teilnehmer. Die Polizei kündigte an, die Straßen, durch die die Demonstrat­ionszüge führen, zeitweise zu sperren. Die größere Traktorenk­olonne mit etwa 300 Fahrzeugen fährt vom Messegelän­de über die Heuduck- und die Stengelstr­aße zum Landtag. Der kleinere Zug mit etwa 50 Traktoren startet an der Brebacher Landstraße und fährt unter anderem über die Großherzog-Friedrich-Straße und die Wilhelm-Heinrich-Brücke. Die Kundgebung endet gegen 15 Uhr.

SAARBRÜCKE­N Sie wollen nicht mehr der Watschenma­nn der Nation sein, wenn es darum geht, Landwirtsc­haft und Natur in Einklang zu bringen. „Uns Bauern pauschal für alles mögliche – wie das Insektenst­erben oder die Nitratbela­stung der Böden – zu verurteile­n, geht gar nicht“, sagt Valentin Puhl. Er ist einer der Sprecher der neuen bäuerliche­n Basisbeweg­ung „Land schafft Verbindung (LSV )“an der Saar, die heute um die Mittagszei­t vor dem saarländis­chen Landtag mit einer Traktoren-Demo auf ihre Anliegen aufmerksam machen will. Rund 500 Landwirte erwarten die Veranstalt­er, doch es können auch mehr werden. „Wir fordern Respekt für unsere Arbeit ein“, ergänzt Stefan Bauer. „Denn wir produziere­n sehr hochwertig­e Lebensmitt­el, doch jeder meint, auf uns herumtramp­eln zu müssen.“

Vor allem ärgert die Landwirte, dass nach 2017 in wenigen Wochen schon wieder eine neue Düngeveror­dnung eingeführt werden soll, um die Nitratbela­stung der Böden zu verringern. Die Europäisch­e Union hat Deutschlan­d Strafen angedroht, wenn sie die EU-Grenzwerte für Nitrat im Grundwasse­r auch in Zukunft nicht einhält. „Doch es ist überhaupt noch nicht klar, welche Verbesseru­ngen die drei Jahre alte Verordnung gebracht hat, daher ist eine weitere Verschärfu­ng vollkommen unangebrac­ht“, merkt der Landwirt Martin Pelletier an. Vor allem aber fordern die LSV-Mitstreite­r europaweit einheitlic­he Messmethod­en.

„Es gibt keine verbindlic­he Norm, wie der Nitratgeha­lt des Bodens gemessen werden muss“, kritisiert Bernhard Sauer, ebenfalls einer der saarländis­chen LSV-Wortführer. „Außerdem sind wir nicht die einzigen, die Nitrate in den Boden einbringen.“So würden Stickstoff und Nitrat in großen Mengen freigesetz­t, wenn wegen Baumaßnahm­en massenweis­e Erde abgetragen wird. Nitrat-Salze

und Stickstoff gelangten zudem in die Böden, wenn kommunale Abwasser-Leitungen undicht sind.

„Wir Landwirte halten uns an die Düngevorsc­hriften“, ist Stefan Bauer überzeugt. „Wenn wir mehr Dünger ausbringen würden, als vorgeschri­eben ist, und unsere Pflanzen benötigen, schneiden wir uns doch ins eigene Fleisch.“Denn Dünger sei teuer und mindere den Ertrag. Das gleiche gelte für Pflanzensc­hutzmittel, „von denen wir ebenfalls nur so viel auf die Felder aufbringen, wie unbedingt nötig ist“. „Wir sind keine Wasserverg­ifter und wollen auch niemanden schädigen.“Gesunde Böden „sind in unserem ureigenste­n Interesse, denn sie sind unser wichtigste­s Kapital, nachhaltig­es Wirtschaft­en ist Teil unserer DNA“, so Bauer. Auch das Insektenst­erben könne viele Ursachen haben und sei nicht Bauernwerk.

Die Landwirte befürchten jedoch, dass mit der neuen Düngeveror­dnung des Guten zu viel getan

Stefan Bauer

wird. „Wenn der Nitrat-Gehalt weiter sinkt, erhalten unsere Pflanzen nicht mehr genügend Nährstoffe, um mit ihnen hochwertig­e Lebensmitt­el herzustell­en“, ist Valentin Puhl überzeugt. „Sie hungern dann.“Dies habe zur Folge, dass beispielsw­eise beim Getreide die hohen Qualitätsk­riterien der Mühlen, die Roggen oder Weizen zu Mehl verarbeite­n, nicht mehr eingehalte­n werden könnten. „Dann kann das Getreide nur noch an das Vieh verfüttert und Brotgetrei­de muss importiert werden“, sagt Puhl.

Auf der anderen Seite werde gefordert, verstärkt auf regionale Lebensmitt­el zu setzen, um aus Klimaschut­z-Gründen die Transporte zu minimieren. „Wir Bauern wollen die Grundverso­rgung in Deutschlan­d mit hochwertig­en Nahrungsmi­tteln sicherstel­len“, ergänzt Puhl. „Doch man muss uns auch die unternehme­rische Freiheit dazu lassen.“

Durch die geringere Versorgung der Böden mit Dünger werde ihnen zudem die Möglichkei­t entzogen, Humus zu bilden und damit der Luft Kohlendiox­id (CO2) zu entziehen, das für den Klimawande­l verantwort­lich gemacht wird. „Unsere Böden sind einer der größten CO2-Speicher überhaupt“, sagt Martin Pelletier.

Die Landwirte wollen sich der Diskussion um die Nitrat-Belastung der Böden nicht entziehen. „Wir sind keine Totalverwe­igerer und wollen uns konstrukti­v an der Diskussion beteiligen“, so Stefan Bauer. „Doch man muss uns auch zuhören.“

Die schnelle Abfolge der Gesetzesod­er Verordungs-Änderungen „schafft zudem bei den Bauern Unsicherhe­it“, merkt Puhl weiter an. „Wenn wir in unsere Höfe eine sechsstell­ige Summe investiere­n müssen, um beispielsw­eise einen modernen Stall zu bauen, brauchen wir für mehr als zwei Jahrzehnte Planungssi­cherheit, um die Investitio­nskosten wieder zu erwirtscha­ften.“Das Hin und Her bei den Regelwerke­n würde Investitio­nen verhindern.

Der Bauernverb­and Saar, der die heute stattfinde­nde Demo nicht mit ausrichtet und auch kein Veranstalt­er ist, hat seine Mitglieder informiert, dass die Proteste stattfinde­n, sagt Hauptgesch­äftsführer Hans Lauer. Mit der neuen bäuerliche­n Basisbeweg­ung LSV „suchen wir die Zusammenar­beit“.

Lauer hat „höchsten Respekt vor der Initiative“. Auch er kritisiert, „dass die Gesellscha­ft der Arbeit der Landwirte nicht mehr die Wertschätz­ung entgegenbr­ingt, die ihr gebührt“.

„Wir sind keine Totalverwe­igerer

und wollen uns konstrukti­v an der Diskussion

beteiligen.“

Saarländis­cher Landwirt

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FOTO:IMAGO IMAGES/MARKUS RINKE Die Traktoren kommen: Hier in Nordrhein-Westfalen haben Landwirte bereits laut- und bildstark protestier­t. Heute wollen die Bauern aus der Region ihrem Ärger in Saarbrücke­n Luft machen.

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