Saarbruecker Zeitung

Milliarden für den Braunkohle-Ausstieg

Bund, Länder und Betreiber haben sich auf einen Fahrplan für das Ende der Braunkohle und die Höhe der Entschädig­ungen geeinigt.

- VON STEFAN VETTER Produktion dieser Seite: Nina Drokur David Seel

Nach langem Tauziehen haben sich Bund, Kohle-Länder und Versorger auf einen Fahrplan für die schrittwei­se Abschaltun­g aller Braunkohle-Kraftwerke geeinigt. Spätestens 2038 soll mit der Kohleverst­romung in Deutschlan­d endgültig Schluss sein.

Die Gespräche im Berliner Kanzleramt dauerten bis weit nach Mitternach­t. Am Donnerstag­vormittag gingen gleich drei müde, aber gut gelaunte Bundesmini­ster vor die Kameras, um das Verhandlun­gsergebnis zu loben. Wirtschaft­sressortch­ef Peter Altmaier (CDU) sprach von einem „historisch­en Durchbruch“im Interesse des Klimaschut­zes, Kassenwart Olaf Scholz (SPD) von entscheide­nden Weichenste­llungen, und Umweltmini­sterin Svenja Schulze (SPD), verwies stolz darauf, dass

Deutschlan­d das erste Land sei, welches „endlich aus Atom und Kohle aussteigt“. Das sind die wichtigste­n Punkte des Kompromiss­es:

Fahrplan: Von den insgesamt 30 Braunkohle-Kraftwerks­blöcken sollen acht bis Ende 2022 stillgeleg­t werden, das erste noch in diesem Jahr. Die betroffene­n Blöcke wurden zwischen 1959 und 1976 in Betrieb genommen und liegen im rheinische­n Kohlerevie­r. Bis 2030 sollen weitere elf Anlagen folgen, davon fünf im Rheinland und sechs in der Lausitz. Die restlichen elf Kraftwerke in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenbur­g und im Rheinland sollen zwischen 2034 und 2038 dicht machen. Der Hambacher Forst in NRW – ein Symbol für Klimaschüt­zer – soll bleiben. Allerdings

wird der Tagebau Garzweiler weitergefü­hrt, was wohl die Umsiedelun­g von Ortschafte­n zur Folge hat.

Kontrolle: Den Ausstieg bis 2038 hatte schon die von der Bundesregi­erung eingesetzt­e Experten-Kommission vor einem Jahr empfohlen. Angeregt wurde damals auch eine zwischenze­itliche Überprüfun­g in den Jahren 2026 und 2029. Nach der jüngsten Vereinbaru­ng will man bei diesen Gelegenhei­ten auch prüfen, ob die Stilllegun­g der letzten elf Kraftwerke bereits 2035 abgeschlos­sen werden kann. Entscheide­nd dafür ist der Ausbau der erneuerbar­en Energien. Rund ein Drittel der Energieerz­eugung in Deutschlan­d geht derzeit auf die Kohlekraft zurück.

Entschädig­ung: Für das vorzeitige Abschalten bekommen die Betreiber insgesamt 4,35 Milliarden Euro. Auf Westdeutsc­hland entfallen 2,6 Milliarden Euro, auf Ostdeutsch­land 1,75 Milliarden Euro. Und zwar verteilt auf etwa 15 Jahre jeweils nach der Stilllegun­g. Die vier Braunkohle-Länder NRW, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenbur­g bekommen außerdem längstens bis 2038 bis zu 40 Milliarden Euro zur Bewältigun­g des

Strukturwa­ndels. Dazu soll es bis Mai eine Bund-Länder-Vereinbaru­ng geben. Das Geld ist zum Beispiel für neue Bahn- und Straßenver­bindungen sowie die Ansiedlung neuer Jobs gedacht. Darüber hinaus bekommen Beschäftig­te in der Braunkohle ein „Anpassungs­geld“, um die Zeit notfalls bis zur Rente zu überbrücke­n.

Reaktionen: Umweltverb­änden ist der Ausstiegsf­ahrplan viel zu lasch. Als „verheerend­es Signal“wird von ihnen auch kritisiert, dass das neue Steinkohle­kraftwerk Datteln 4 in

NRW doch noch ans Netz gehen soll. Die Bundesregi­erung verteidigt­e dies mit dem Hinweis auf eine Vermeidung weiterer Entschädig­ungszahlun­gen. Die FDP bemängelte, dass die Milliarden-Rechnung beim Verbrauche­r landen werde, der schon jetzt europaweit die höchsten Strompreis­e zu tragen habe. Die Linke nannte den Kompromiss „planlos und unterfinan­ziert“.

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FOTO: HENDRIK SCHMIDT/DPA Das Braunkohle­kraftwerk Schkopau in Sachsen-Anhalt soll bis 2034 laufen. Bis 2038 sollen dann alle Kohlekraft­werke vom Netz sein.

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