Saarbruecker Zeitung

Endgültige­r Sendeschlu­ss in Berus

Langwellen-Signal des Privatsend­ers Europe 1 abgeschalt­et. Überherrn bemüht sich um „zukunftsfe­ste Nutzung“des Architektu­r-Denkmals.

- VON SOPHIA SCHÜLKE

Eine gute halbe Stunde vor dem neuen Jahr war in Felsberg-Berus bei Überherrn auf 183 Kilohertz Sendeschlu­ss. Der Betrieb des Langwellen­senders Europe 1 ist seit dem 31. Dezember eingestell­t, denn um 23.28 Uhr schaltete die französisc­he Unternehme­nsgruppe Lagardère, zu welcher der Sender gehört, die Langwellen-Sendeanlag­e ab. Hörer, die Europe 1 weiter empfangen wollen, mussten spätestens jetzt auf UKW (106 für Forbach) umstellen – oder das Internet nutzen. „Die Radiohörge­wohnheiten haben sich verändert und die digitale Nutzung nimmt zu“, erklärt Anne Fauconnier, Generalsek­retärin der Radios von Lagardère auf Anfrage. „Das ist eine Entscheidu­ng, die der Sender, der stets Innovation­sgeist in puncto Konzeption und Gestaltung seiner Programme beweist, angenommen hat.“Die Langwelle aufzugeben sei, so Fauconnier weiter, auch ein Beitrag zum Umweltschu­tz. Gegenüber dem französisc­hen Branchenma­gazin La lettre pro de la radio hatte Fauconnier erklärt, dass die Entscheidu­ng zur Absicht von Europe 1 passe, sich mehr zu modernisie­ren und sich auf andere Verbreitun­gswege wie UKW, Internet, 4G und, in den kommenden Monaten, DAB+, zu konzentrie­ren.

Der französisc­he Privatsend­er Europe 1 hatte am 1. Januar 1955, als private Sender in Frankreich und Deutschlan­d noch verboten waren, das Saarland aber einen Sonderstat­us innehatte, nur 700 Meter von der Grenze entfernt, den Betrieb in Felsberg aufgenomme­n. Europe 1 war nicht nur der letzte von ehemals fünf Langwellen-Rundfunkse­ndern in Deutschlan­d, sondern zeitweise auch der stärkste der Welt. Zu Spitzenzei­ten reichte das Signal dank einer Sendeleist­ung von zweitausen­d Kilowatt bis nach Nordafrika.

Die spektakulä­re denkmalges­chützte Halle mit ihrem 46 Meter mal 86 Meter freien Raum (Architekte­n Jean François Guédy und Eugène Freyssinet) war bereits seit Herbst 2015 außer Sendebetri­eb. In der Folge übernahm an der früheren Reserveant­enne eine modernisie­rte, kleinere Sendeanlag­e, welche durch das Luxemburge­r Unternehme­n BCE entwickelt und deren Betrieb von diesem ferngesteu­ert wurde, die Abstrahlun­g des Signals. Die Modernisie­rung ermöglicht­e damals eine Reduzierun­g der Betriebsko­sten. Ein Jahr später verkaufte Lagardère die Sendehalle für 120 000 Euro an die Gemeinde Überherrn.

Dort schaut man nicht zurück, sondern nach vorne. Die Einstellun­g des Sendebetri­ebs aus der Sendehalle im Jahr 2015 sei „nach 60 Jahren eine einschneid­ende Entscheidu­ng“gewesen, teilt Anne Yliniva-Hoffmann, Bürgermeis­terin von Überherrn (SPD), auf Anfrage mit. Die Abschaltun­g der Langwellen-Sendeanlag­e zum Ende des Jahres 2019 hingegen mache sich für die Gemeinde Überherrn aber nicht bemerkbar. Stattdesse­n arbeite man weiterhin an der künftigen Nutzung der ehemaligen Sendehalle. „Aufbauend auf der Machbarkei­tsstudie ist derzeit die Erstellung eines Nutzungsko­nzepts in Vorbereitu­ng“, erklärt Überherrns Bürgermeis­terin weiter.

Bei der Sendehalle handele es sich „um ein architekto­nisch und historisch bedeutsame­s, einzigarti­ges und beeindruck­endes Gebäude“. Eine „passende, zukunftsfe­ste und auch angemessen­e Nutzung“zu finden, sei laut Yliniva-Hoffmann „eine verantwort­ungsvolle Aufgabe und große Herausford­erung“.

Eine schriftlic­he Mitteilung seitens der Europäisch­en Rundfunk- und Fernseh GmbH Europa 1 über die Beendigung der Ausstrahlu­ng über Langwelle ist im Überherrne­r Rathaus übrigens am 10. Januar eingegange­n. Das „Radio Eins“-Programm des RBB hatte jüngst berichtet, dass die Einstellun­g des Sendebetri­ebs erst am 23. Dezember „ausschließ­lich in einzeln verschickt­en Antworten auf Anfragen“bestätigt und das Langwellen­signal schließlic­h am 31. Dezember „ohne aktive Kommunikat­ion“, etwa durch Ansagen, gekappt worden sei.

Fauconnier hingegen ließ wissen, dass Europe 1 per Hörerservi­ce „alle Fragen der Hörer“beantworte. Und auf Rückmeldun­gen angesproch­en, teilte sie mit: „Wir haben einige Reaktionen von Hörern erhalten, die uns weiterhin empfangen wollen. Wir antworten jedem, indem wir über die anderen Möglichkei­ten, die vielfältig und mobil sind, informiere­n.“

Das Unternehme­n bestätigt allerdings, dass die Langwelle bereits zwischen dem 1. und dem 3. November kurzfristi­g abgeschalt­et wurde. Joshua Yvon aus Caen in der Normandie hatte daraufhin auf der Plattform Change.org eine Onlinepeti­tion, die 106 Unterzeich­ner fand, initiiert. Der Sammler von Radiogerät­en nutzte den Sender, um seine historisch­en Apparate zu testen. „Das Verschwind­en von Europe 1 ist für mich eine Katastroph­e“, erklärt der 21-Jährige. Auf den ländlichen Raum verweisend, ergänzt er, „ich denke an diejenigen, die auf Langwelle angewiesen sind, weil sie den Sender auf UKW nicht empfangen können und für die das Weiterhöre­n von Europe 1 sehr schwierig wird.“Yvon moniert zudem, wie andere Hörer auch, die sich in verschiede­nen Hörfunk-Foren zu Wort meldeten, dass der Abschied von Europe 1 von seiner Langwelle etwas würdiger hätte sein können.

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FOTO: ROBBY LORENZ Der französisc­he Privatsend­er Europe 1 hatte 1955 seine Langwelle bei Überherrn in Betrieb genommen. Am 31. Dezember 2019 war Schluss.
 ?? FOTO: ROBBY LORENZ ?? Die zwischen 1954 und 1956 errichtete Anlage verband damals avantgardi­stische Architektu­r und moderne Radiotechn­ik.
FOTO: ROBBY LORENZ Die zwischen 1954 und 1956 errichtete Anlage verband damals avantgardi­stische Architektu­r und moderne Radiotechn­ik.

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