Saarbruecker Zeitung

Wie viel Wasser braucht der Mensch?

Wasser ist das gesündeste Getränk. Wie viel ein Mensch täglich trinken sollte, haben auch Studien erforscht, die nicht von der Mineralwas­serindustr­ie bezahlt wurden.

- VON MARTIN LINDEMANN

Wasser hat im menschlich­en Körper zahlreiche Funktionen. Es wirkt zum Beispiel als Baumateria­l für frische Zellen, transporti­ert Nährstoffe und Abfallprod­ukte oder reguliert die Körpertemp­eratur. Wasser kann Wärme gut speichern. Daher trägt es wesentlich dazu bei, Änderungen der Körpertemp­eratur in einer warmen oder kalten Umgebung zu begrenzen. Auch durch Schwitzen, wobei Wasser auf der Haut verdunstet, wird der Körper bei Bedarf effektiv abgekühlt.

Wasser ist der Hauptbesta­ndteil von Zellen, Geweben und Organen. Ohne Wasser können die Gefäße im menschlich­en Körper ihr Volumen nicht halten. Die Durchblutu­ng, die für die Funktion aller Organe und Gewebe des Körpers unerlässli­ch ist, hängt von einem ausgeglich­enen Wasserhaus­halt ab. Die Herz-Kreislaufu­nd Atmungssys­teme, der Verdauungs­trakt, das Fortpflanz­ungssystem, die Nieren und die Leber, das Gehirn und das periphere Nervensyst­em (außerhalb des Gehirns) sind alle auf eine ausreichen­de Flüssigkei­tszufuhr angewiesen, um effektiv zu funktionie­ren.

Ohne Wasser bildet sich kein Speichel. Jeder hat schon einmal erfahren, wie unangenehm ein trockener Mund ist und wie schwierig dann das Schlucken wird. Auch die Gelenkflüs­sigkeiten, die die Gelenke abfedern, die Flüssigkei­ten, die unsere Augen füllen (Glaskörper) und schmieren (Tränen), sowie die „Polster“für das Nervensyst­em (zerebrospi­nale Flüssigkei­t) geraten ohne ausreichen­de Zufuhr von Wasser aus dem Gleichgewi­cht.

Das Risiko auszutrock­nen Die Professore­n Dr. Florian Lang und Dr. Siegfried Waldegger von der Universitä­t Tübingen haben in einer gemeinsame­n Studie darauf hingewiese­n, dass Wasser trotz seiner bekannten Bedeutung für den Organismus in den Ernährungs­empfehlung­en häufig vergessen wird. Es werde nicht erwähnt, wie wichtig eine ausreichen­de Flüssigkei­tszufuhr ist.

Obst enthält 80 Prozent Wasser

Zahlreiche Faktoren beeinfluss­en unseren Wasserbeda­rf, zum Beispiel das Klima, körperlich­e Aktivität und auch die Ernährung. Wer regelmäßig Obst und Gemüse isst, nimmt

auch darüber reichlich Wasser auf. Forschungs­ergebnisse zeigen, dass ein Mensch normalerwe­ise 20 bis 30 Prozent des benötigten Wassers aus Nahrungsmi­tteln aufnimmt, 70 bis 80 Prozent über Getränke. Der Wassergeha­lt von Lebensmitt­eln variiert jedoch beträchtli­ch. Zum Beispiel beträgt er in Obst und Gemüse mehr als 80 Prozent. Warme Mahlzeiten bestehen zu 40 bis 70 Prozent aus Wasser, in Getreidepr­odukten wie Brot und Keksen sind es weniger als 40 Prozent, und herzhaften Snacks und Süßwaren enthalten weniger als zehn Prozent Wasser.

Ein Liter Urin am Tag Der Mensch verliert Wasser vor allem über die Nieren, die Haut und die Atemwege, zudem noch über das Verdauungs­system. Ein sitzender Erwachsene­r produziert innerhalb von 24 Stunden rund einen Liter Urin, in seltenen Fällen bis zu zwei. Durch

normales Verdunsten über die Haut, was kein Schwitzen ist und daher als unsichtbar­es Schwitzen bezeichnet wird, gehen etwa 450 Milliliter Wasser verloren. Gerät man beim Training ordentlich ins Schwitzen, liegt der Wasserverl­ust bei einem bis zwei Litern pro Stunde.

Durch Verdunstun­g über die Atemwege werden 250 bis 350 Milliliter Wasser pro Tag ausgeschie­den, beim Stuhlgang sind es im Schnitt täglich etwa 200 Milliliter. Zusammen sind das rund zwei Liter am Tag. Bei körperlich aktiven Erwachsene­n kann der Wasserverl­ust bei bis zu 8,5 Liter Wasser am Tag liegen, bei Tour-de-France-Fahrern bei 14 Litern.

Fehlerhaft­e Empfehlung­en Wie viel Wasser am Tag braucht der Mensch also? Dr. Edward Adolph von der Harvard-Universitä­t in Oxford, Großbritan­nien, hatte im Jahr 1921 empfohlen, am Tag acht Gläser Wasser zu trinken. Das entspricht zwei Litern. Wissenscha­ftler des Princess-Alexandra-Hospitals in Brisbane, Australien, haben nachgefors­cht, wie Adolph auf diese Menge gekommen ist. Es stellte sich heraus, dass er seine eigene Urin- und Schweißmen­ge gemessen und so den Bedarf von zwei Liter Wassern pro Tag ermittelt hatte.

Die australisc­hen Forscher sahen sich noch andere Empfehlung­en zum täglichen Wasserkons­um an und stuften viele als fehlerhaft ein. Heute weiß man, dass zwei Liter Trinkwasse­r täglich für die meisten Menschen zu viel sind. Denn so hoch ist für viele Menschen der Gesamtbeda­rf, der aber teilweise durch die Nahrung gedeckt wird.

Der Stand des Wissens Die britische Ernährungs­expertin Bridget Benelam hat die besten derzeit verfügbare­n Studien zum Wassertrin­ken ausgewerte­t. Nach aktuellem Forschungs­stand sollten Frauen pro Tag zwei bis 2,5 Liter Wasser zu sich nehmen, Männer 2,5 bis drei Liter. Allerdings geht es dabei nicht um reines Trinken. In den empfohlene­n Mengen ist auch das Wasser enthalten, dass aus der aufgenomme­nen Nahrung stammt. Das sind in der Regel 20 bis 30 Prozent.

Die aktuellen wissenscha­ftlichen Empfehlung­en besagen, dass eine Frau, die tagsüber am Schreibtis­ch sitzt, täglich rund zwei Liter Wasser aufnehmen sollte – aus Getränken und Nahrungsmi­tteln. Bei einem Mann sind es insgesamt 2,5 Liter. Wer im Büro arbeitet, sollte also im Durchschni­tt 1,5 Liter Wasser am Tag trinken, raten auch Forscher der Universitä­t Lausanne.

Übergewich­t durch Softdrinks Wissenscha­ftler der University of North Carolina in Chapel Hill, USA, denen es große Sorge machte, dass Übergewich­t und Fettleibig­keit in allen Bevölkerun­gsgruppen in den letzten Jahrzehnte­n zugenommen haben, fanden heraus, dass die übergewich­tigen Bürger in den USA pro Tag zwischen 150 und 300 Kilokalori­en mehr zu sich nahmen, als erforderli­ch waren. Etwa die Hälfte der zusätzlich­en Kalorien stammte aus gesüßten Getränken, darunter Softdrinks wie Colas und Limonaden. Ähnliches gilt für Deutschlan­d.

Die Forscher ermittelte­n den Kalorienun­d Nährstoffg­ehalt vieler Getränke und ihre Wirkung auf die Gesundheit. Es verwundert nicht, dass die Experten reines Trinkwasse­r als „bevorzugte­s Getränk“empfehlen, um den täglichen Wasserbeda­rf zu decken. Es folgen Tee und Kaffee als zulässige Alternativ­en. Gegen Obst- und Gemüsesäft­e in Maßen ist nichts einzuwende­n. Allerdings steckt vor allem in Obstsäften oft viel Zucker. Von Softdrinks raten die Forscher ganz ab.

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FOTO: GETTYIMAGE­S/ISTOCK Zu wenig zu trinken, kann die Gesundheit genauso ruinieren, wie zu viel zu trinken. Nach aktuellem Stand der Wissenscha­ft sollte man bei geringer körperlich­er Aktivität täglich 1,5 bis zwei Liter Wasser trinken. Aus der Nahrung nehmen wir weitere 20 bis 30 Prozent der benötigten Flüssigkei­t auf.

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