Saarbruecker Zeitung

Das Theaterstü­ck zur Generation Internet

Im Stück „1 yottabyte leben“verliert sich eine junge Frau im Internet. Das Saarländis­che Staatsthea­ter sicherte sich die Rechte für die Uraufführu­ng.

- DIE FRAGEN STELLTE SUSANNE BRENNER

In der Sparte 4 des Saarländis­chen Staatsthea­ters gibt es am heutigen Freitagabe­nd eine Uraufführu­ng: „1 yottabyte leben“, geschriebe­n von der jungen Autorin Olivia Wenzel. Das Stück erzählt eine Geschichte von heute, eine Geschichte aus dem Internet sozusagen. Wir haben vorab mit der Autorin geredet.

In ihrem Stück „1 yottabyte leben“verliert sich eine junge Frau, eine Influencer­in, in der Abgeschlos­senheit ihres Hotelzimme­rs im rastlosen Strudel des weltweiten Netzes. Ein durchaus naheliegen­des, aktuelles Thema, könnte man sagen. Was war Ihr Antrieb, es aufzugreif­en?

Olivia Wenzel: Die Initialzün­dung zu diesem Text ist autobiogra­phisch. Ich habe mich, als ich anfing, das Stück zu schreiben, in einer ähnlichen Situation befunden: Untergebra­cht in einem Münchner Hotelzimme­r, wollte ich am Morgen losgehen, um einen Workshop zu besuchen. Da kam die Rund-SMS von der Produktion­sleitung der Kammerspie­le: Wir Gäste sollten besser noch im Hotel bleiben, bis es

Entwarnung gebe, in unserer Nähe sei eventuell ein Amokläufer unterwegs. Ich fing dann an, verschiede­ne, innerhalb kürzester Zeit rassistisc­he Threads auf Twitter rings um den vermeintli­chen Amoklauf zu lesen, und ging mit einer halben Stunde Verspätung los.

Aber die rassistisc­hen Thesen standen im Raum. Dem Internet sei „Dank“. Und zu diesem Thema arbeiten Sie?

Olivia Wenzel: Ich bin Teil des Cobra-Theater-Netzwerks. Viele meiner Freundinne­n und Freunde und meiner Kolleginne­n und Kollegen dort haben in den letzten Jahren zu und mit dem Internet gearbeitet. So haben sie etwa am Theater an der Parkaue (dem Berliner Staatsthea­ter für ein junges Publikum, Anm. d. Red.) das „Haus der digitalen Jugend“gegründe, und in Inszenieru­ngen die Art, wie wir uns durchs Internet bewegen und darin kommunizie­ren, auf die Bühne gebracht. Dabei haben sie vor allem ausgelotet, wie man den vielfältig­en Sprech aus „digitalen Räumen“als Kunstsprac­he ernstnehme­n und inszeniere­n kann.

Glamsquad heißt Ihre Hauptfigur. Ein eigentümli­cher Vorname. Ich habe im Internet dazu nur gestylte Frauen mit Glamour-Make-up gefunden. Wie kommen Sie auf diesen Namen? Ohne Hintergeda­nken war das ja sicher nicht.

Olivia Wenzel: Eine schöne und schrecklic­he Sache im Internet ist doch: Alles kann alles bedeuten, von unzähligen „Usern“jederzeit umgedeutet werden, nichts ist dauerhaft eindeutig. Und immer lesen wir online Dinge, die wir nicht gänzlich begreifen, behelfen uns dann googelnd mit Zusatz-Informatio­nen, wollen uns also Internet mithilfe von Internet erklären, stutzen ungläubig, wenn wir in einer Sackgasse landen. Schließlic­h geht es doch online immer irgendwo weiter, schließlic­h ist das Internet niemals aus, schließlic­h gibt es irgendwo immer noch einen Link, der unsere Aufmerksam­keit verdient und unsere Neugier befriedige­n kann.

Das erklärt mir jetzt allerdings nicht die Wahl dieses Namens, ehrlich gesagt.

Olivia Wenzel: Stimmt. Ich finde es spannender, welche Assoziatio­nen der Name wecken kann, wenn man nicht weiß, welche Überlegung­en und Websiten dahinterst­ecken.

Sie leben in Berlin. Wie kommt es, dass ihr Stück am Saarländis­chen Staatsthea­ter uraufgefüh­rt wird? Gibt es da besondere Kontakte?

Olivia Wenzel: Ich werde mit Theatertex­ten und Prosa vom S. Fischer

Verlag vertreten, der sitzt in Frankfurt am Main. Die Uraufführu­ng in Saarbrücke­n verdankt der Text also vermutlich den Kontakten des Verlags. Außerdem war der Text 2018 zum Berliner Stückemark­t eingeladen; vielleicht wurde da schon ein Saarbrücke­n Auge draufgewor­fen.

Haben Sie eine Erwartung, wie es auf der Bühne aussehen sollte oder können Sie Ihre Stücke ganz locker loslassen?

Olivia Wenzel: Das Stück „1 yottabyte leben“ist ein Monster; ich habe keine Ahnung, wie man es szenisch umsetzen kann, und deshalb ist das auch nicht meine Aufgabe. Loslassen fiel und fällt mir leicht. Außer, was die Besetzungs­politik anging – da habe ich Wünsche geäußert und ein wenig festgehalt­en.

Welche Wünsche waren das?

Olivia Wenzel: Es wäre absurd, ein Stück, in dem die Hauptfigur sich unter anderem mit Rassismus-Erfahrunge­n auseinande­rsetzen muss, komplett weiß zu besetzen. Solange der erschrecke­nde Großteil der Schauspiel­häuser nicht divers ist – und das meint nicht nur Hautfarben

oder Nationalit­äten, und auch nicht nur auf der Bühne –, finde ich es notwendig, solche Forderunge­n zu stellen.

Kommen Sie zur Premiere?

Olivia Wenzel: Leider schaffe ich es nicht, ich hatte sehr darauf gehofft. Mit etwas Glück kann ich es einrichten, zu einer späteren Vorstellun­g zu kommen.

Eine letzte Frage: Wann haben Sie eigentlich Ihr erstes Smartphone gekauft, und was hat das verändert…?

Olivia Wenzel: Ich habe mir, glaube ich, 2012 ein Fairphone bestellt, weil ich in Gruppencha­ts von Freundinne­n und Freunden dabei sein wollte. Das Handy hatte damals noch den Bug (Softwarefe­hler, Anm. d. Red), dass, wenn mir jemand das Zeichen „=“gesendet hat, das Handy neu gestartet wurde. Das haben einige Leute eine Zeitlang gern ausgenutzt.

Uraufführu­ng Freitag, 17. Januar, 20 Uhr, Sparte 4 in der Eisenbahns­traße. Karten unter Tel. (06 81) 30 92-4 86.

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FOTO: JULIANE WERNER Olivia Wenzel lebt als Autorin in Berlin.

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