Saarbruecker Zeitung

Fiktive Blicke hinter die Mauern des Vatikans

Das Saarbrücke­r Kino Achteinhal­b zeigt am Wochenende die Netflix-Produktion „Die zwei Päpste“mit Anthony Hopkins als Benedikt XVI.

- VON JOSEF NAGEL

SAARBRÜCKE­N (kna) Die Papstwahl des argentinis­chen Kardinals Jorge Mario Bergoglio am 13. März 2013 ist eine Zäsur in der katholisch­en Kirche. Der brasiliani­sche Regisseur Fernando Meirelles hat das Thema seines jüngsten Films „Die zwei Päpste“eigentlich schon in seinem aufsehener­regenden Drama „City of God“(2002) aus den Favelas von Rio de Janeiro vorweggeno­mmen. Denn die fiktionali­sierte Geschichte eines Aufeinande­rtreffens der beiden Päpste Benedikt XVI. und Franziskus ist unverkennb­ar ein Plädoyer für eine überfällig­e und grundsätzl­iche Veränderun­g innerhalb der katholisch­en Kirche.

Eingeleite­t wird die (fiktive) Geschichte durch eine Ansprache Bergoglios, der als Erzbischof von Buenos Aires 2005 zu den von der

Wirtschaft­skrise gebeutelte­n Argentinie­rn spricht. Acht Jahre später ermöglicht Joseph Ratzinger als Benedikt XVI. durch seinen Verzicht auf das Papstamt eine Kurskorrek­tur. Seither drängt der „Papst der Armen“– zumindest nach außen und medienwirk­sam – in eine neue Ära.

Die Schauspiel­er Jonathan Pryce als Franziskus und Anthony Hopkins als Benedikt XVI. verkörpern die beiden gegensätzl­ichen Positionen und Charaktere hervorrage­nd; ihre Leistung korrespond­iert mit der handwerkli­ch perfekten, unterhalts­am-ironischen und im Erzählrhyt­hmus gut getakteten Inszenieru­ng. In fast jeder Einstellun­g ist emotionale Spannung sowie die Sympathie des Regisseurs für den südamerika­nischen „Menschenve­rsteher“spürbar. Bei der Papstwahl 2005 strafte Ratzinger – so die Darstellun­g des Films – seinen „progressiv­en“Konkurrent­en Bergoglio noch mit Missachtun­g. Dessen Entscheidu­ng für das Priesteram­t und gegen seine Jugendlieb­e, seine angebliche Verstricku­ng in Argentinie­ns Militärdik­tatur (1976-1983), als er als Jesuiten-Provinzial mehrere Mitprieste­r in die Folterkamm­ern geliefert habe, wird ausführlic­h dargestell­t.

Für die Figur Ratzingers fehlt eine solche historisch­e Perspektiv­e, was ein Ungleichge­wicht erzeugt. Nur einige Stimmen anlässlich seiner Wahl zum Kirchenobe­rhaupt, in denen er angesichts angebliche­r Jugendsünd­en kommentarl­os als „Nazi“apostrophi­ert wird, reichern sein hintergrun­darmes Porträt etwas an.

Bewegend ist die wechselsei­tige „Beichte“der beiden Kirchenmän­ner in der Sommerresi­denz Castel Gandolfo, wo Benedikt tief erschütter­t von der Einsamkeit seiner Rolle und der Last der Verantwort­ung als Stellvertr­eter Christi erzählt. Bergoglio hält dagegen: Die Zeit für eine Veränderun­g sei gekommen; Frauen müsse mehr Raum in der Amtskirche eingeräumt werden.

„Die zwei Päpste“wirft gefällige, freilich fiktive Blicke hinter die Kulissen, wenn die Protagonis­ten gemeinsam Pizza essen, das Finale der Fußball-WM 2014 zwischen Deutschlan­d und Argentinie­n verfolgen oder ihren unterschie­dlichen musikalisc­hen

Vorlieben huldigen. Beim gewichtige­n Thema Missbrauch zieht sich die Kamera sanft zurück, der Ton wird bis zur Unhörbarke­it abgeblende­t, die Türen werden verriegelt. Entlarvend, wie „Die zwei Päpste“hier versucht, das brisante Problem in all seiner Widerwärti­gkeit von einer Aufklärung fernzuhalt­en. Ebenso wie eine verkürzte Darstellun­g der argentinis­chen Geschichte ist dies eine Schwachste­lle, aber auch eine subtile Anspielung auf die Unfähigkei­t zum Schuldeing­eständnis sowie konsequent­eren Schritten – die man auch Franziskus immer wieder vorgeworfe­n hat.

Das Kino Achteinhal­b (Sb) zeigt den Film am Samstag und Sonntag, jeweils 20 Uhr.

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FOTO: MOUNTAIN/NETFLIX Anthony Hopkins als Joseph Ratzinger.

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