Saarbruecker Zeitung

Tüv ergänzt Ausbildung in 24 Berufen

Firmen schicken ihre Lehrlinge zum „Tüv Nord Bildung“, denn dort werden Dinge gelehrt, die in den Betrieben nicht mehr möglich sind.

- VON MARCO REUTHER

VÖLKLINGEN Tüv? Der prüft doch Autos auf ihre Fahrtaugli­chkeit? – Ja, diesen Tüv gibt’s auch. Doch etwas ganz anderes ist der „Tüv Nord Bildung“, der keine Gerätschaf­ten kontrollie­rt, sondern – in der Größe eines mittelstän­dischen Unternehme­ns – sein Geld im Bereich Ausund Weiterbild­ung verdient.

Hätten Sie zum Beispiel gedacht, dass Lokführer beim Tüv ausgebilde­t werden? Aber zum Beispiel auch Krankenpfl­ege-Helferinne­n und -Helfer, Lkw-, Gabelstapl­erund Hubbühnen-Fahrer, Schweißer, Elektronik­er, Konstrukti­onsmechani­ker und in verschiede­nen Bereichen Metaller – insgesamt werden 24 verschiede­ne Berufsfeld­er angeboten.

Wir sprachen im Bildungsze­ntrum Völklingen, dem Haupt-Standort der „TÜV Nord Bildung gGmbH“im Stadtteil Fenne, mit Geschäftsb­ereichslei­ter Harry Laufer, Henning Romund, zuständig für die Zusammenar­beit mit Ämtern, und der Öffentlich­keits-Beauftragt­en Désirée Becker über die weit verzweigte­n Einsatzfel­der.

Die gGmbH hat etwa 800 Mitarbeite­r und erzielt einen Jahresumsa­tz von knapp 60 Millionen Euro. Mit leichten Variatione­n von Jahr zu Jahr kommt etwa die Hälfte des Umsatzes durch Kunden aus der freien Wirtschaft, die andere Hälfte durch Jobcenter, Arbeitsamt und die RAG-Stiftung aus Essen; und die französisc­he Entsprechu­ng des Job-Centers trägt, dank grenzübers­chreitende­r Projekte, in diesem Bereich mit etwa einer Millionen Euro ebenfalls zum Umsatz bei. Wegen des Frankreich-Geschäfts sprechen auch einige Mitarbeite­r Französisc­h, und zum Ausbilder-Team gehören drei Franzosen. Allein im Bereich Ausbildung gibt es knapp 120 „Dauerkunde­n“– das können zum Beispiel Unternehme­n sein, die für ihre Azubis bestimmte Teilbereic­he der Ausbildung nicht selbst anbieten können und diese Ausbildung­steile beim „Tüv Bildung“einkaufen.

Henning Romund nennt als Beispiel einen modernen Metall verarbeite­nden Betrieb, der mit computerge­steuerten Fräsen arbeitet, jedoch nicht mehr über klassische Werkbänke verfügt, an denen Metall von Hand bearbeitet wird – was aber nun mal zur Ausbildung gehört.

Etwa 350 Azubis werden vom „Tüv Nord Bildung“betreut, darunter rund 60 junge Leute, die hier überbetrie­blich im Auftrag der Agentur für Arbeit, des Jobcenters im Regionalve­rband und der RAG-Stiftung aus Essen ausgebilde­t und finanziert werden. Das sind dann vorwiegend junge Menschen, die von ihrer bisherigen Schullaufb­ahn her nicht so ohne Weiteres einen Ausbildung­splatz

in der freien Wirtschaft finden würden.

Aber, Hand aufs Herz, sind die dann überhaupt geeignet etwa für computerge­stützte Metallbear­beitung, was ja ein anspruchsv­olles Berufsfeld ist? „Also vom Fachlichen her schaffen das fast alle“, so Romund, „wenn es Probleme gibt, dann sind es eher unentschul­digte Fehlzeiten oder andere Probleme.“

Heißt: Manchmal stehen etwa schwierige familiäre Verhältnis­se und eine unstruktur­ierte Lebensführ­ung im Hintergrun­d. So gibt es für diese überbetrie­bliche Ausbildung nicht nur je zehn bis zwölf Azubis einen Ausbilder, sondern auch je 24 Auszubilde­nde sowohl eine Lehrkraft, die beim Berufsschu­l-Stoff hilft, als auch einen Sozialarbe­iter.

Das ist dann sicher nicht gerade billig? „Ja, man weiß, dass das ein teures Arbeitsmar­kt-Instrument ist“, so Romund. „Aber“, ergänzt Laufer, „das rentiert sich nicht nur für die Azubis selbst, sondern auch für die ganze Gesellscha­ft“, denn 75 bis 80 Prozent der Absolvente­n könne man letztlich in den regulären Arbeitsmar­kt vermitteln, gewisserma­ßen weg von der Straße hin zu einer echten Chance für die Zukunft. Dazu gehört auch die überbetrie­bliche kaufmännis­che Ausbildung für junge Mütter in Teilzeit in Saarbrücke­n.

Geradezu „aus der Hand gerissen“, so Laufer, werden dem Tüv Nord Bildung die Triebwagen­führer – also Lokführer – die hier ausgebilde­t werden. Sprich: Über die öffentlich­e Hand und somit auf Staatskost­en werden Lokführer ausgebilde­t, die dann dankend von Unternehme­n eingestell­t werden, die selbst kein Geld für die Ausbildung lockermach­en? „Ja, das ist schon so“, bestätigt Laufer. www.tuev-nord-bildung.de

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FOTO: BECKER&BREDEL Blick in die Ausbildung­swerkstatt des Tüv Nord in Völklingen: Dort arbeiten Auszubilde­nde der Metallberu­fe an Werkstücke­n.

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