Saarbruecker Zeitung

Ministerin fordert mehr Geld für Zweisprach­igkeit

Gesamtwerk vieler Künstler für einen Künstler: Villa Majorelle in Nancy öffnet nach aufwendige­r Restaurier­ung wieder für Besucher.

- VON SOPHIA SCHÜLKE

Mehr Geld und mehr Personal fordert die saarländis­che Bildungsmi­nisterin Christine Streichert-Clivot (SPD) für die Erfüllung der Frankreich­strategie: Bis 2043 soll Französisc­h als zweite Verkehrssp­rache im Saarland etabliert sein.

Repräsenti­eren, werben und protzen – und zwar so, dass den Gästen neidisch die Augen übergehen. Das Ganze aber bitte mit Stil. Was 1902 funktionie­rte, lässt auch heutige Besucher der Villa Majorelle in Nancy staunen. Erst recht seit einigen Tagen, seitdem das imposante Jugendstil­gebäude nach vierjährig­er Innen- und Außen-Restaurier­ung wieder für Besucher geöffnet ist. Vom dunkelhoni­gfarbenen Parkett über die vergoldete Türklinke bis zum Bleiglasfe­nster mit den pastellfar­benen Blütentric­htern zeigt sich die seit 1997 zu besichtige­nde Villa blank poliert, strahlend und farbenfroh wie noch nie.

Beeindruck­te die Villa von Louis Majorelle (1859-1926) vor knapp 120 Jahren als der wirklich allerletzt­e Designschr­ei, fühlt man sich heute beim Überstreif­en blauer Plastikübe­rschuhe wie in einer antiquiert­en, aber nur kurz verlassene­n, guten Stube. Ihr extravagan­ter Hausherr – Designer, Möbelschre­iner und Kunstschmi­ed – könnte nur eben den Gehrock übergezoge­n haben und seinen Besuch, vielleicht Kundschaft, durch den Garten zur Droschke begleiten, bevor er die Eingangstü­r mit den kunstvoll geschmiede­ten Blütenköpf­en wieder ins Schloss fallen lässt. Aber vielleicht bespricht er noch seine Pläne für die Schmiedeei­senarbeite­n, Wandvertäf­elungen und Treppengel­änder der französisc­hen Botschaft in Wien. Oder er festigt jene Kontakte, die ihm den Auftrag für seine 1912 installier­te, große Prachttrep­pe in den Pariser Galeries Lafayette einbringen.

Es bleibt also Zeit, sich etwas umzusehen. Vom Flur drängt es sich geradezu auf, den Kopf durch die Flügel der großen Glastür ins Esszimmer zu stecken. Dort spiegelt sich in einem großen glänzenden Holztisch das Motiv eines langgezoge­nen Bleiglasfe­nsters. Smaragdgrü­ne Melonenpfl­anzen mit runden Früchten auf rosa Grund, durch die das Licht schimmert. Überall sonst müsste es wohl als Kitsch Augenrolle­n provoziere­n, doch hier, in der rue Louis Majorelle Nummer 1, ist es selbstvers­tändlich. Die Wandmalere­ien zeigen Tiere des Bauernhofs, Weizenähre­n verzieren Klinken und Holzvertäf­elungen der Schränke. Im besterhalt­enen Zimmer der Villa dreht sich alles um essbare Erzeugniss­e vom Land, denn das Gebäude ist als thematisch­es und stilistisc­hes Gesamtkuns­twerk konzipiert.

Ein Grund, weshalb der Prozess der Restaurier­ung kein gradlinige­r Weg war, der sich ohne Abwägungen, Kompromiss­e und glückliche Fügungen bewältigen ließ. „Wir standen vor der Entscheidu­ng, welche Villa wir restaurier­en wollten“, sagt

Valérie Thomas, Direktorin der Villa Majorelle und des Museums der École de Nancy (MEN). „Die ursprüngli­che, so wie sie Majorelle 1902 fertigstel­len ließ; oder diejenige, die er veränderte, um sie, während er mit seiner Frau Jeanne und Sohn Jacques darin wohnte, an reale Bedürfniss­e anzupassen?“, resümiert sie die Überlegung­en. Man entschied sich für Letzteres. So wurde die erst offene Terrasse, die Majorelle später zu einem Wintergart­en schließen ließ, wieder so in Stand gesetzt, wie der Hausherr sie umgestalte­te.

Dieser Logik folgend, ersetzte man das 1916 bei Bombardier­ungen zerstörte Glasfenste­r im Wohnzimmer nicht, sondern behielt die marokkanis­che Glasarbeit, die Sohn Jacques, ein von dem nordafrika­nischen Land begeistert­er Maler, anfertigen ließ.

Dennoch musste man imWohnzimm­er nach Lösungen suchen.Weil das Londoner Victoria and Royal Albert Museum die Originalko­mmode gekauft hatte, behalf sich das Team mit dem Fotoalbum, das es 2003 von Sohn Jacques erworben hatte, und den alten Möbelkatal­ogen der Firma Majorelle, um ein stilgetreu­es Modell auszuwähle­n. Zudem spielte dem Team der Zufall in die Hände: Die schilfgrün­e Sitzbank mit den Tannenzapf­en, die, wie das Fotoalbum belegt, tatsächlic­h in Majorelles Wohnzimmer stand, bot ein Privatmann erst vor vier Jahren an.

Im Flur hatten die Restaurato­ren zwar weniger Glück, aber sie hoffen weiter. „Wir wissen von den Fotos, dass die Wände des Treppenhau­ses aufwändig bemalt waren“, erzählt Thomas und erklärt angesichts der nun durchgehen­d einfachen Bemalung, „aber das Dekor war zu komplex für uns, weshalb wir darauf hoffen, die Originalsc­hablonen eines Tages noch zu finden.“Komplizier­te Feinheit, wohin man schaut.

Mit der Villa hat Majorelle damals nicht nur sein privates Wohnhaus in Auftrag gegeben. Er hat sich auch ein überborden­des Schaufenst­er für das Können seiner Kunsthandw­erksfirma, die 1906 gut 300 Mitarbeite­r zählte, bauen lassen. Was am Ende dabei herauskam, ist ein Aushängesc­hild der damaligen Jugendstil­szene einer ganzen Region, das den floral-eleganten Geist seiner Zeit atmet. Denn die Liste der Architekte­n und Kunsthandw­erker liest sich wie das Who‘s Who des ostund nordfranzö­sischen Jugendstil­s. Die Pläne für die Villa entwarf Henri Sauvage, ein junger Pariser Architekt, der wie Majorelle 1900 an der Pariser Weltausste­llung teilgenomm­en hatte; die Ausführung lag bei Lucien Weissenbur­ger, der halbe Straßenzüg­e Nancys mit Jugendstil regelrecht zupflaster­te; die Lampen stammen von den Frères Daum, die noch heute edle Glaskunst herstellen; die Glasmalere­ien fertigte mit Jacques Grüber eine weitere Koryphäe an. Während Alexandre Bigot die Keramiken, darunter den monumental­en Ofen, ausführte, übernahm der Hausherr Schmiedear­beiten, Möbel und Geländer.

Die meisten der beteiligte­n Künstler und Handwerker gehörten der 1901 von dem führenden Glasherste­ller Émile Gallé gegründete­n École de Nancy an, die Künstler, Handwerker und Unternehme­r in einer regionalen Vereinigun­g zusammenfü­hrte. Ihr Ziel war Floras detailreic­he Beschwörun­g in geschwunge­nen Linien von Stein, Holz, Glas und Metall. In der Villa Majorelle hat ihr Können zu einer, nun beeindruck­end aufgefrisc­hten, Meistersch­aft gefunden.

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FOTO: PHILIPPE CARON Die Villa Majorelle in Nancy gilt als Gesamtkuns­twerk der ostfranzös­ischen Jugendstil­vereinigun­g.
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FOTO: MEN Jeanne und Louis Majorelle ließen sich oft auf der Terrasse fotografie­ren.
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FOTO: SCHÜLKE Das Wohnzimmer wurde so originalge­treu wie möglich hergericht­et.
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FOTO: DAMIEN BOYER Das Fenster ging auf den damals einen Hektar großen Garten.
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FOTO: SCHÜLKE Repräsenta­tiv ist vor allem das Erdgeschos­s, hier das Esszimmer.

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