Saarbruecker Zeitung

Freiheit und Sicherheit, das große Spannungsf­eld

-

Der übliche Reflex immerhin ist ausgeblieb­en. Angesichts der mörderisch­en Tat eines wahnsinnig anmutenden Rechtsterr­oristen hält sich der Ruf nach neuen und strengeren Gesetzen stark in Grenzen. Anders als bei früheren Schreckens­ereignisse­n dieser Art. Das zeugt von einem politische­n Lernprozes­s. Gesetze sind kein Universalm­ittel im Kampf gegen Hass und Hetze, die den Nährboden für Morde aus rassistisc­hen Motiven bilden. Zugleich ist der Rechtsstaa­t gegen die braune Militanz aber auch nicht wehrlos.

Mochte er lange Zeit auf dem rechten Auge blind gewesen sein, so gab es spätestens nach der kaltblütig­en Tötung des Kasseler Regierungs­präsidente­n Walter Lübcke Mitte des vergangene­n Jahres eine Zäsur. Verfassung­sschutz und Bundeskrim­analamt bekommen mehr Personal, rechtsterr­oristische Gruppen wie „Combat 18“wurden verboten. Und es gab auch gesetzlich­e Nachschärf­ungen. Der weit verbreitet­e Widerstand in der deutschen Gesellscha­ft gegen schärfere Sicherheit­sbestimmun­gen gehört allerdings auch zur Wahrheit. Denn Freiheit und Sicherheit sind gelinde gesagt ein großes Spannungsf­eld.

Als die Bundesregi­erung kürzlich das Waffenrech­t neu regelte, fühlten sich Sportschüt­zenvereine unter Generalver­dacht gestellt. Vor allem im Hinblick auf die neu eingeführt­e Regelanfra­ge beim Verfassung­sschutz, um zumindest den legalen Waffenbesi­tz potenziell­er Verfassung­sfeinde einzudämme­n. Dabei empfinden es wohl die allermeist­en von uns als normal, dass sich jeder Fluggast einem Sicherheit­scheck unterziehe­n muss. Hier spielt der „Generalver­dacht“also praktisch keine Rolle, wird der Eingriff ins Persönlich­keitsrecht sogar als vernünftig empfunden. Merke: Nicht jede staatliche

Maßnahme ist die große Entrüstung wert, die sich zuweilen daraus entfaltet. Im konkreten Fall muss man auch die Frage stellen, warum Sportschüt­zen ihre Waffen nach Hause mitnehmen können, anstatt sie im Verein lassen zu müssen. Wenigstens wäre dort eine bessere Kontrolle gegeben. Und potenziell­en Mördern würde das Handwerk erschwert. Auch als jüngst das Gesetz zur strengeren Verfolgung von Hetzern im Netz vorlag, war der Aufschrei wegen des Datenschut­zes groß. Diese Debatte überlagert­e klar den Gewinn an Sicherheit, den die neuen Bestimmung­en mit sich bringen. Oft sind es dann auch die gleichen Personen, die einerseits eine konsequent­e Bekämpfung rechtsextr­emer Umtriebe im Internet einfordern, anderseits aber, wenn es konkret wird, vor dem „großen Lauschangr­iff“warnen. Das passt nicht zusammen.

Mindestens genauso wichtig wie wirksame Gesetze ist freilich ein gesellscha­ftliches Klima, in dem Hass und Hetze keine Chance haben. Die rechtpopul­istische AfD taugt hier nur bedingt als Ursache allen braunen Übels. Als die neonazisti­sche Terrorvere­inigung NSU mordend durchs Land zog, gab es diese Partei noch gar nicht. Der Schoß war also vorher fruchtbar noch, aus dem das kroch. Insofern bedarf es vielleicht doch noch eines neuen Gesetzes – um endlich auch die Prävention­sarbeit wirksam voranzubri­ngen.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany