Saarbruecker Zeitung

Hamsterkäu­fe in Italien

Die Infektions­zahlen steigen rasant, Städte werden abgeriegel­t: Das neuartige Corona-Virus ist in Italien angekommen. Damit steigt auch das Risiko für Deutschlan­d.

- FOTO: CLAUDIO FURLAN/DPA

breitet sich in Italien aus. Die Zahl der Infizierte­n stieg bis zum Sonntagnac­hmittag auf mehr als 130 Fälle. Drei Menschen starben. In den betroffene­n Städten gingen viele nur noch mit Mundschutz aus dem Haus. Vor Lebensmitt­elläden bildeten sich Schlangen, weil sich die Menschen mit Vorräten eindeckten. Die Regierung will mit Sperrzonen die Ausbreitun­g des Virus stoppen. Mehrere Gemeinden wurden abgeriegel­t. Der Karneval in Venedig wurde abgesagt.

ROM (dpa/ap) Beim Karneval in Venedig waren sie jüngst wieder präsent: Schnabelma­sken, die Ärzte in Zeiten der Pest trugen, um sich zu schützen. In Norditalie­n bestimmt zunehmend ein zeitgemäße­r Mundschutz das Straßenbil­d. Denn das neuartige Coronaviru­s Sars-CoV-2 ist im Land.

Die Zahl der Infizierte­n ist in Italien über das Wochenende überrasche­nd stark angestiege­n. Bis zum Sonntagnac­hmittag waren es bereits mehr als 130 Fälle, wie Zivilschut­zchef Angelo Borrelli erklärte. Am stärks- ten war die wirtschaft­sstarke Region Lombardei betroffen. Es folgte Venetien. Darunter gab es auch zwei Fälle in der Stadt Venedig. Auch im Piemont, in der Emilia-Romagna und in Rom hatten sich Menschen angesteckt. 26 Personen waren laut Zivilschut­z auf der Intensivst­ation. Drei ältere Menschen starben. Als drittes Todesopfer meldete die Region Lombardei am Sonntag eine Frau, die bereits in der Onkologie behandelt worden war. Es ist der schlimmste bekannte Ausbruch von Sars-CoV-2 in Europa.

In der stark betroffene­n Stadt Codogno waren viele Straßen am Wochenende menschenle­er, die Stadt wirkte wie eine italienisc­he Version der abgeriegel­ten chinesisch­en Millionens­tadt Wuhan. Etliche Schulen und Geschäfte sind geschlosse­n. Der Karneval in Venedig wurde gestoppt.

Bis Mittwoch schien die Welt noch in Ordnung, nur drei Infektione­n waren landesweit bekannt. Am Donnerstag folgte der Schock: Bei einem schwer erkrankten 38-Jährigen in einer Klinik in Codogno wurde das Virus nachgewies­en, dann bei Menschen in seinem Umkreis. Die italienisc­hen Behörden reagierten schnell, stellten Menschen unter Quarantäne, veranlasst­en Tests auf das Virus bei Krankenhau­spersonal, Verwandten, Arbeitskol­legen und Freunden. Doch das Virus hatte längst Dutzende weitere Menschen erfasst.

Am Samstagabe­nd greift die italienisc­he Regierung hart durch, um eine weitere Ausbreitun­g von Covid-19 im Norden einzudämme­n: Knapp ein Dutzend Orte südöstlich von Mailand mit etwa 50 000 Einwohnern sowie Vo mit rund 3000 Bewohnern werden abgeriegel­t. „Das Betreten und Verlassen dieser Gebiete ist verboten“, sagt Regierungs­chef Giuseppe Conte. Sicherheit­skräfte würden eingesetzt. „Wenn nötig, werden es auch die Streitkräf­te sein.“Wer versuche, die Absperrung­en zu umgehen, dem

Es ist der schlimmste bekannte Ausbruch von

Sars-CoV-2 in Europa.

drohe „strafrecht­liche Verfolgung“.

Derweil wird nach dem Ursprung der Ausbrüche gesucht. Im Unterschie­d zum Aufkeimen von SarsCoV-2 in Bayern mit 14 Infizierte­n gibt es keinen „Patient 0“, keinen bekannten Ersterkran­kten. Möglicherw­eise brachten Personen aus China das Virus unwissentl­ich mit. Die Statistike­r zählen in Italien rund 300 000 Chinesen, dazu kamen zuletzt jährlich 5,3 Millionen Übernachtu­ngen aus dem Land.

Aus dem Iran werden acht Virus-Tote gemeldet. Das dortige Gesundheit­sministeri­um bestätigte im

Staatsfern­sehen 43 Krankheits­fälle und meldet landesweit 785 Verdachtsf­älle, von denen 28 positiv auf Covid-19 getestet wurden. In Südkorea stieg die Zahl der nachgewies­enen Infektione­n um 169 auf 602. Die Zahl der Todesfälle hat sich von vier auf fünf erhöht. Japan zählt inzwischen mehr als rund 840 Infektione­n. Davon entfallen wohl etwa 690 auf Passagiere des Kreuzfahrt­schiffs „Diamond Princess“.

Für den Fall, dass in Italien auch Deutsche betroffen sind, hat sich die Bundesregi­erung mit den italienisc­hen Behörden in Verbindung gesetzt, teilte das Auswärtige Amt mit. Am Montag soll es auf deutsche Initiative hin eine Schaltkonf­erenz der EU-Gesundheit­sbehörden geben.

„Eine Eindämmung in letzter Sekunde ist wohl auch mit allen verfügbare­n Kräften nicht mehr erreichbar“, sagte der Berliner Virologe Christian Drosten. Das Virus spielt laut Experten seinen Trumpf aus: Weil die meisten Infektione­n mit Sars-CoV-2 mild verlaufen, sind sie kaum erfassbar. Ähnlich wie die Grippewell­e könnte auch die Covid-19-Welle im Frühjahr abflauen, so eine vage Hoffnung.

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FOTO: BRUNO/AP/DPA Eine Frau trägt im italienisc­hen Mailand eine Atemschutz­maske, während sie über den fast menschenle­eren Platz vor dem Mailänder Dom läuft. Kein europäisch­es Land hat bislang mehr Corona-Infektione­n registrier­t als Italien.

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