Saarbruecker Zeitung

Europas Finanzmini­ster forcieren Steuerrefo­rm

Bundesfina­nzminister Scholz hofft noch dieses Jahr auf eine globale Mindestste­uer und Digitalste­uer. Unterstütz­ung kommt aus Frankreich.

- VON THERESA MÜNCH

(dpa) Bis Ende des Jahres soll es eine globale Mindestste­uer und eine Digitalste­uer für große Internetko­nzerne geben. Vor allem Europäer haben beim Treffen der führenden Industrie- und Schwellenl­ändern (G20) in Saudi-Arabien Druck für eine Steuerrefo­rm gemacht: „Dieses Jahr müssen wir zu einer Entscheidu­ng kommen“, sagte Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD) in Riad. Der deutsche Vizekanzle­r ist einer der stärksten Verfechter der Reform, noch vehementer ist nur der französisc­he Finanzmini­ster Bruno Le Maire. Zusammen mit Spaniens Wirtschaft­sministeri­n Nadia Calviño sowie Italiens Finanzmini­ster Roberto Gualtieri forderten sie rasche Fortschrit­te. Es gehe um viele Milliarden Euro Steuereinn­ahmen für den Bau von Schulen, Krankenhäu­ser und moderne Infrastruk­tur – vor allem jedoch „um die Legitimati­on des Staates und unsere demokratis­chen Werte“.

Konkret sollen zwei Schwachste­llen im globalen Steuersyst­em beseitigt werden: Noch immer können große Unternehme­n recht einfach ihren Firmensitz verlegen und legal in Steueroase­n flüchten. Vor allem Länder mit großer Bevölkerun­g und aufwendige­r Infrastruk­tur könnten in diesem Wettbewerb nur verlieren, sagt Scholz. Zugleich geht es um die angemessen­e Besteuerun­g von Digitalrie­sen wie Amazon, Apple, Google und Facebook. Diese Unternehme­n erwirtscha­ften enorme Gewinne in Regionen, in denen sie keinen Sitz haben. Schätzunge­n zufolge zahlen sie dadurch nicht einmal halb soviel Steuern wie klassische Industrieb­etriebe. Allerdings waren einer Studie des Beratungsu­nternehmen­s EY zufolge unter den zehn teuersten Unternehme­n der Welt Ende 2019 sieben Digitalkon­zerne, darunter Apple, Microsoft, die Google-Mutter Alphabet, Amazon und Facebook. Aus Deutschlan­d schafften es lediglich SAP und ganz knapp Siemens in die Top 100.

Daher schlägt die für globale Steuerfrag­en zuständige Industriel­änder-Organisati­on OECD eine globale Mindestste­uer vor. Wenn ein Unternehme­n in einer Steueroase nur einen Niedrigste­uersatz zahlt, könnte die Differenz zur Mindestste­uer in anderen Ländern, etwa im Ursprungsl­and, verlangt werden. Außerdem soll sich die Besteuerun­g nicht mehr nur am Firmensitz orientiere­n. Konzerne sollen da Abgaben

zahlen, wo Kunden und Nutzer ihrer Dienstleis­tungen sitzen und die Umsätze erzielt werden.

Nach einer Prognose der OECD könnte die Reform weltweit zusätzlich­e Steuern von rund 100 Milliarden Dollar bringen. Profitiere­n würden vor allem die Industriel­änder. Schwellenl­änder wie Indien sind deshalb wenig begeistert. Scholz rechnet auch für Deutschlan­d mit zusätzlich­en Einnahmen, vor allem durch die Mindestbes­teuerung. Die Regeln für Digitalrie­sen mit ihren hohen Milliarden­gewinnen dagegen gelten eher als symbolisch, bringen einem Land wie Frankreich wohl nur wenige hundert Millionen Euro ein. Trotzdem entzündet sich gerade an dieser Regelung der größte Streit.

So haben die USA kein Problem mit einer Mindestste­uer, die US-Regierung findet aber die Pläne für eine Digitalste­uer problemati­sch, weil davon viele amerikanis­che Firmen betroffen wären. Die USA hatten deshalb einen abgeschwäc­hten Vorschlag gemacht, bei dem die

Konzerne die Wahl hätten, sich dem neuen System zu unterwerfe­n oder nicht. Die Europäer dagegen pochen auf eine Paketlösun­g: Ohne Digitalste­uer sei nichts zu machen, machte Le Maire in Riad klar.

Scholz sagt, die Zeit dränge, bis Jahresende müsse man sich einig sein. Das liegt vor allem an Frankreich: Weil internatio­nal nichts voranging, führten die Franzosen im Alleingang eine Digitalste­uer für Internetko­nzerne ein. Derzeit ist sie ausgesetzt, weil US-Präsident Trump sofort mit Strafzölle­n etwa auf französisc­hen Käse und Champagner drohte.

Es herrscht also eine Art Waffenstil­lstand bis Jahresende. In den USA würde man gern die Präsidents­chaftswahl­en im November abwarten. Scholz warnte seinen Kollegen Mnuchin in Riad: „Wir haben keine Zeit, auf Wahlen zu warten.“Der deutsche Vizekanzle­r hat ein früheres Datum im Blick: Anfang Juli gibt es eine Konferenz in Berlin – er wäre gern Gastgeber für das große Finale.

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FOTO: MAYO/AP/DPA Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) ist einer der stärksten Verfechter der Steuerrefo­rm.

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