Riesige Warteschlangen vor den Corona-Teststationen im Saarland
Patienten mussten stundenlang auf einen Abstrich warten. Ab Mittwoch zentrale Stelle für Tests.
Fieber haben oder alt sind: „Man redet über Risikopatienten und lässt sie dann zwei Stunden auf der Straße stehen?“Andere in der Schlange gingen nach stundenlanger Warterei, ohne getestet worden zu sein.
Sieben Mitarbeiter der Ortspolizei versuchten in Saarbrücken, Ordnung ins Chaos zu bringen. Sie sorgten dafür, dass ein krebskranker Mann und eine hochschwangere Frau vorgelassen wurden. Krank waren alle in der Schlange, ohne Grippesymptome bekommt man die Überweisung zum Test nicht.
Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) forderte die Saarländer auf, „nicht ohne Rücksprache und Überweisung durch einen Arzt die Abstrich-Entnahmestellen aufzusuchen“. Falls es dort zu tumultartigen Szenen komme, werde man die Stellen sofort schließen. Ein Abstrich werde nur genommen, wenn ein Arzt dies veranlasse. Die Landesregierung mahnte die Saarländer angesichts des Ansturms auf die Test-Stationen zur Besonnenheit.
Die Stationen in Neunkirchen, Saarbrücken und Dillingen waren erst am Dienstagmorgen eröffnet worden. Die Mitarbeiter waren mit jeweils 300 Tests ausgestattet worden. Der Arzt im engen Untersuchungszimmer in Saarbrücken arbeitete im Akkord. Die Tür wurde hinter den Patienten gar nicht erst geschlossen. Eintreten, Name bestätigen, Mund auf, Wattestäbchen rein – der nächste.
In Neunkirchen waren die Tests nach SZ-Informationen bereits am frühen Nachmittag aufgebraucht. Die Stadt teilte mit, die Teststation in den Räumlichkeiten des Rathauses werde vorerst geschlossen, „da die Anzahl der Patienten die aktuellen Kapazitäten vor Ort übersteigt“. KV-Chef Dr. Gunter Hauptmann riet davon ab, am Dienstag noch eine der Stationen aufzusuchen – auch nicht mit Überweisung. „Es soll sich keiner mehr auf den Weg machen“, sagte er. „Wir können das auf Dauer nicht leisten. Das geht so nicht.“
Angesichts von hunderten Testabstrichen sagte Hauptmann: „Es ist explodiert.“Er sieht die Vielzahl von Abstrichen mehr als kritisch: „Wir wissen und stellen fest, dass über 90 Prozent der Tests, die durchgeführt werden, unnötig sind.“Damit verbrauche man ärztliche Zeit und Material – auch Schutzanzüge.
Ab dem heutigen Mittwoch, 12 Uhr, sollen die Tests an ein bis zwei zentralen Standorten durchgeführt werden, die am Morgen bekanntgegeben werden. Dort soll ein Sicherheitsdienst für einen geregelten Ablauf sorgen. Laut KV ist die Zentralisierung auch deshalb notwendig, weil es an den bisherigen Standorten wegen des großen Andrangs Widerstände von Anwohnern und zum Teil Vermietern gab.
(vet/dpa) Die Entwicklung der Corona-Krise in Deutschland hat sich dramatisch beschleunigt. Zuletzt verdoppelten sich die Fallzahlen innerhalb von nur 2,8 Tagen auf fast 8000 Infizierte. Der Chef der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, rechnet bis zum kommenden Wochenende bereits mit 20 000 bestätigten Fällen. Wie ist das deutsche Gesundheitssystem darauf vorbereitet? Es gibt Stärken, aber auch Schwächen:
Intensivbetten: Wenn man davon ausgeht, dass etwa fünf Prozent der Virus-Erkrankungen einen kritischen Verlauf nehmen, bis hin zu schweren, lebensbedrohlichen Lungenentzündungen, dann braucht es genügend Intensivbetten, um möglichst viele solcher Patienten gleichzeitig behandeln zu können. In Deutschland gibt es immerhin rund 28 000 Intensivbetten. Macht 34 pro 100 000 Einwohner. Das ist Spitze in Europa. Zum Vergleich: In Spanien kommen auf 100 000 Einwohner nur 9,5 Intensivbetten, in Italien lediglich acht. Und Deutschland soll noch besser werden: Bund und Länder wollen die stationäre Krankenhausversorgung ausweiten. Um Kliniken zu entlasten, die sich auf den Aufbau von Intensivkapazitäten konzentrieren, müssten an anderen Kliniken und gegebenenfalls provisorischen weiteren Standorten wie Hotels oder Hallen zusätzliche Bettenund Behandlungskapazitäten – bis hin zur Verdoppelung – aufgebaut werden. Das geht aus einem Konzept hervor, auf das sich Bund und Länder am Dienstag verständigt haben.
Schutzkleidung: Verschärfend kommt jetzt noch hinzu, dass es auch an medizinischer Schutzbekleidung mangelt, Ärzte oder Pfleger also Gefahr laufen, sich selbst zu infizieren. Und das nicht nur in Kliniken, sondern auch in Arztpraxen. Einem Bericht der Berliner Zeitung zufolge haben Mediziner in der Hauptstadt deshalb sogar mit Praxisschließungen gedroht. „Die niedergelassenen Ärzte, die sich, ihre Mitarbeiter und noch nicht infizierte Patienten schützen müssen, können die Regelversorgung ohne Schutzausrüstung nicht mehr aufrechterhalten“, klagte der Vorstandsvize der Kassenärztlichen Vereinigung Berlins, Burkhard Ruppert. Der Markt für die begehrten Produkte ist weitgehend leergefegt.
Tests: Dass sich die Corona-Krise allen Widrigkeiten zum Trotz spürbar eindämmen lässt, zeigt das Beispiel Südkorea. Auch mittels groß angelegter Virus-Tests konnte die Zeitspanne für eine Verdopplung der Corona-Erkrankungen dort inzwischen auf fast 63 Tage ausgeweitet werden. Jeder Verdachtsfall wird dort getestet, das Ergebnis steht oft schon nach Stunden zur Verfügung. Damit scheint in dem asiatischen Land mittlerweile das Schlimmste ausgestanden zu sein. In Deutschland kann man sich zwar in Selbstquarantäne begeben, wenn man fürchtet, sich infiziert zu haben. Doch die zuständigen Stellen empfehlen erst dann einen Test, wenn bestimmte Kriterien erfüllt sind. Die Testkapazitäten sind deutlich niedriger. Und die Dunkelziffer der Infizierten deshalb womöglich deutlich höher.