Der Sturm vor der verordneten Ruhe
Im Saarland müssen ab heute zur Eindämmung des Coronavirus unter anderem Spielplätze, Kneipen und zahlreiche Geschäfte geschlossen bleiben. Bei Verstößen drohen sogar Haftstrafen.
Versammlungen oder sonstige Ansammlungen mit mehr als fünf Personen werden landesweit untersagt.“
Die Polizei werde „höflich, aber sehr konsequent“handeln, kündigte Rupp an. Wenn eine Streife zum Beispiel eine Menschenansammlung auf einem Kinderspielplatz antreffe, werde sie nicht daran vorbeifahren, sondern die Menschen auffordern auseinanderzugehen. Hauptziel sei nicht die Strafverfolgung, sondern die Gefahrenabwehr. Die Strafverfolgung werde bei Regelverstößen aber dennoch eingeleitet.
Norbert Rupp
Beim Einzelhandel, der ab Mittwoch zu einem großen Teil nicht mehr öffnen darf, sind die Sorgen groß. „Unsere Telefone stehen nicht mehr still“, sagt Fabian Schulz, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Saarland (HDE). Viele Fragen der Unternehmer könnten zurzeit noch nicht abschließend beantwortet werden. „Der Wissensstand ist leider noch sehr nebulös“, klagt Schulz. So sei beispielsweise noch unklar, welche Unternehmen genau schließen müssen, da es noch keine schriftliche Verordnung vonseiten der Landesregierung gebe.
Unsicherheit herrscht etwa bei Betrieben, die nicht nur Waren verkaufen, sondern auch Dienstleistungen anbieten. Denn Handwerksbetriebe sollen laut dem Willen der Landesregierung geöffnet bleiben. Hier gebe es aber viele Grauzonen, sagt Schulz. „Was ist zum Beispiel mit einem Schuhgeschäft, das nicht nur Schuhe verkauft, sondern auch Reparaturen anbietet oder Einlagen fertigt?“Unklar sei auch, wie sich Unternehmen verhalten sollen, die neben Lebensmitteln auch andere Waren verkaufen. „Es ist unklar, ob sie komplett schließen oder ob nur die Lebensmittelabteilungen geöffnet bleiben sollen“, sagt Schulz. „Die Unternehmer brauchen endlich Klarheit.“
Noch drastischer formuliert es der saarländische Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga). Die Branche, die vom Coronavirus mit „voller Wucht“getroffen worden sei, habe derzeit auch mit „ratlosen Behörden, welche sich wichtige offene Fragen gegenseitig zuschustern“zu kämpfen, sagt Verbandspräsidentin Gudrun Pink. So sei aktuell beispielsweise nicht geklärt, ob Hotelgäste nach 18 Uhr noch im Hotel essen oder ob Eiscafés den Straßenverkauf aufrechterhalten dürften, ergänzt Dehoga-Hauptgeschäftsführer Frank Hohrath. Denn eigentlich dürfen Gastronomiebetriebe nur noch bis 18 Uhr offen haben. „Wir geben die Fragen an die zuständigen Stellen weiter, doch keiner hat Antworten.“
Laut HDE-Hauptgeschäftsführer Schulz befinden sich viele Einzelhändler bereits jetzt in finanzieller Schieflage, weil die Kunden aus Angst vor einer Infektion schon seit längerer Zeit wegbleiben. „In den vergangenen Wochen sind die Umsätze in manchen Betrieben um 60 bis 65 Prozent eingebrochen“, sagt er.
„Wir gehen nicht gerade aus einer gestärkten Phase heraus“, bestätigt Michael Genth, Geschäftsführer von Leder Spahn in Saarbrücken und Vorsitzender des Vereins für Handel und Gewerbe in der Landeshauptstadt. Auch sein Geschäft bleibe ab Mittwoch geschlossen, er habe bereits einen Antrag auf Kurzarbeitergeld gestellt, sagt Genth. Unternehmer müssten sich jetzt dafür einsetzen, dass Mieten erlassen oder gestundet und dass Gehälter von staatlicher Seite erstattet würden.
Die Branchenvertreter sind sich dennoch einig, dass die Einschnitte sinnvoll sind. Das Gastgewerbe sei bereit, sich an allen erforderlichen Maßnahmen zu beteiligen, „bis hin zur kompletten Schließung“der Betriebe, erklärt etwa Pink.
(kir) Die Grenzkontrollen zur Eindämmung des Coronavirus sollen deutlich ausgeweitet werden. Die Bundespolizei-Führung hat der saarländischen Landesregierung nach SZ-Informationen nahegelegt, bisher nicht kontrollierte kleinere Grenzübergänge mit Sperren abzuriegeln. Die baulichen Maßnahmen sollen den Verkehr zu den großen Grenzübergängen umlenken, an denen die Bundespolizei kontrolliert. Die saarländische Polizei soll überwachen, dass die Sperren nicht wieder beseitigt werden.
Ein Sprecher der Bundespolizei sagte, die Landesregierung habe den Vorschlag „wohlwollend aufgegriffen“. Bis zum Abend wartete die Bundespolizei jedoch auf grünes Licht von der Landesregierung. Erst danach wollte die Bundespolizei ihre Kräfte umgliedern: Beamte, die bisher an kleineren Übergängen Streife fuhren, sollten stattdessen eingesetzt werden, um mehr feste Kontrollstellen entlang der Grenze betreiben zu können.
Die Bundespolizei hatte am Montag zwar mit Grenzkontrollen angefangen. Ihr Personal reichte trotz Verstärkung durch die Bundesbereitschaftspolizei aber zunächst nur für vier feste Kontrollstellen an der Goldenen Bremm und der Alten Bremm in Saarbrücken, in Überherrn und in Perl sowie für Streifenfahrten. Über kleinere Grenzübergänge beispielsweise im Warndt, im Saargau oder im Bliesgau rollte der grenzüberschreitende Verkehr ganz normal weiter.
Es wurde berichtet, dass die Parkplätze von Geschäften und Spielhallen in grenznahen Orten zum Teil voller Autos mit französischen Kennzeichen waren. Dies hatte eigentlich verhindert werden sollen. Die französische Nachbarregion Grand Est wurde vom Robert-Koch-Institut vergangenen Mittwoch offiziell als Corona-Risikogebiet eingestuft.
Bis zum Dienstagabend wurden laut Bundespolizei rund 700 Menschen an der Grenze des Saarlandes zu Frankreich und Luxemburg abgewiesen. Viele davon waren mit dem ICE aus Paris kommend eingereist. Die Bundespolizei kontrolliert im Saarbrücker Hauptbahnhof im stehenden Zug und schickt Reisende aus Frankreich, die keinen triftigen Grund zur Einreise angeben können, mit dem nächsten ICE direkt wieder zurück nach Frankreich.
Veranstaltungen, Versammlungen oder sonstige Ansammlungen mit mehr als fünf Personen werden landesweit untersagt. Hiervon ausgenommen sind private Feiern in hierfür geeigneten privat genutzten Wohnräumen, deren sämtliche Teilnehmer einen persönlichen Bezug (Familie, Beruf, Freundschaft) zueinander haben.
„Langsam müsste auch der Letzte gemerkt haben, dass es sehr,
sehr ernst ist.“
Nachdem die Landesregierung in den vergangenen Tagen bereits die Schließung einzelner Einrichtungen verfügt hatte, werden nun sämtliche Einrichtungen geschlossen, „die nicht notwendigen Verrichtungen des täglichen Leben dienen“: Saunas und Schwimmbäder, Bars und Shishabars, Clubs, Diskotheken, Kneipen, Outlet-Center, Theater, Opern- und Konzerthäuser, Museen, Messen, Ausstellungen, Kinos, Freizeit- und Tierparks, Spielhallen, Spielbanken, Wettbüros, Spezialläden, Bordelle, Bibliotheken, Tagungs- und Veranstaltungsräume, Vereinsräume, Sportanlagen (privat und öffentlich), Tanzschulen, Fitness-Studios, Spielplätze.
Verboten werden Zusammenkünfte in Vereinen und sonstigen Sportund Freizeiteinrichtungen, Veranstaltungen in Volkshochschulen, Musikschulen und sonstigen Bildungseinrichtungen im außerschulischen Bereich, Busreisen, Zusammenkünfte in Gotteshäusern.
Im Lebensmittelhandel werden die Öffnungszeiten werktags auf die Zeit von 6 bis 22 Uhr ausgeweitet werden, auch an Sonn- und Feiertagen wird das Einkaufen von 10 bis 15 Uhr möglich sein. Jedoch sollten Menschenansammlungen in den Läden vermieden werden. Auch die Abstandsregeln solle man einhalten.
Landespolizeipräsident
Für Krankenhäuser und Rehakliniken gelten eingeschränkte Besuchsregeln von maximal einem Besucher pro Tag und Patient. Planbare Operationen sollen verschoben werden, um Kapazitäten für Corona-Patienten freizuhalten. Für geriatrische Tageskliniken gelten Aufnahmestopps. Besuche in Behinderten-Einrichtungen und -Werkstätten werden untersagt.
Alle Schulen im Saarland sind bis 24. April geschlossen, die allgemeinbildenden Schulen können eine Notbetreuung einrichten. In den Hochschulen des Saarlandes wird der Studien- und Lehrbetrieb in Präsenzform bis zum 4. Mai ausgesetzt. Schließungen und Notbetreuung gelten auch für Kitas, was bereits in einer früheren Verfügung geregelt war.