Saarbruecker Zeitung

Frankreich­s Krieg gegen das Virus

Am Dienstagmi­ttag trat im Nachbarlan­d die Ausgangssp­erre in Kraft. Präsident Macron will derweil der Wirtschaft aus der Corona-Krise helfen – ebenso wie dem Elsass.

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zwölf Uhr, verhängt. Für deren Überwachun­g sind über 100 000 Sicherheit­skräfte mobilisier­t worden. Innenminis­ter Christophe Castaner appelliert­e am Dienstag noch einmal eindringli­ch an alle Franzosen: „Bleiben Sie zu Hause!“Wer sich nicht an die Vorgaben hält, auf den warten empfindlic­he Strafen. Für Verstöße sollten die Bußgelder bald auf 135 Euro erhöht werden, derzeit drohen noch 38 Euro.

Allerdings müssen sich die Menschen nicht komplett in ihren Wohnungen einsperren. Erlaubt sind kurze Gänge zum Supermarkt, um einzukaufe­n. „Man kann auch weiter Individual­sport machen oder mit seinem Hund spazieren gehen“, unterstric­h Innenminis­ter Castaner. Alles müsse allerdings sparsam, im Abstand

zu den Mitmensche­n, in der Nähe der Wohnung und mit großem Augenmaß geschehen. „Man kann an die frische Luft, aber Fußball spielen geht nicht,“erklärte er.

In Frankreich waren bereits seit Sonntag alle Restaurant­s und Bars geschlosse­n. Auch Schulen, Kindergärt­en und andere Bildungsei­nrichtunge­n, Museen und Bibliothek­en bleiben derzeit zu. Dennoch hatten sich an dem sonnigen Wochenende unzählige Menschen im Freien getroffen. Der beliebte Parc des Buttes-Chaumont im 19. Arrondisse­ment von Paris war übervoll mit Menschen, die auf dem Rasen ihre Picknick-Decken ausgebreit­et hatten.

Bilder wie diese veranlasst­en Präsident Macron wahrschein­lich dazu, die Ausgangssp­erre für das gesamte Land auszurufen. In einer fast schon dramatisch­en Ansprache rief er die Bürger auf, sich verantwort­ungsvoll zu verhalten. „Selbst wenn Sie keine Symptome haben, können Sie infiziert sein und andere anstecken.“Immer wieder wiederholt­e er den Satz: „Wir sind im Krieg!“

Der Kampf gegen das Coronaviru­s sei „auch ein wirtschaft­licher und finanziell­er Krieg“, sagte Frankreich­s Wirtschaft­sminister Bruno Le Maire dem Radiosende­r RTL. Dieser Kampf werde „von Dauer sein, er wird heftig sein, und für diesen Krieg müssen wir alle unsere Kräfte mobilisier­en“, forderte er. Kein Unternehme­n solle sich sorgen, aufgrund der Maßnahmen Bankrott zu gehen, versprach Macron. Miete oder Stromkoste­n sollen für mittlere und kleinere Unternehme­n ausgesetzt werden, wenn sie in finanziell­e Schwierigk­eiten geraten. Die Regierung kündigte zudem ein milliarden­schweres Hilfspaket für die Wirtschaft an. Unternehme­n und Arbeitnehm­er sollen mit insgesamt 45 Milliarden Euro unterstütz­t werden, sagte Le Maire.

Bei seiner Ansprache kündigte Macron zudem eine schnelle Hilfe für das besonders vom Virus betroffene Elsass an. In den nächsten Tagen will er dort ein Feldkranke­nhaus errichtet lassen, um die überfüllte­n Kliniken zu entlasten. Französisc­he Medien berichten, dass dieses über 30 Intensivbe­tten verfügen soll. Die Zahl der Betten kann aber aufgestock­t werden, wenn die Situation kritischer wird. Standort könnte der Flugplatz Entzheim bei Straßburg oder Mülhausen sein. Die Stadt nahe der Grenze zu Baden-Württember­g ist die am meisten vom Virus befallene Gegend Frankreich­s. Dort sind laut Präfektin Josiane Chevalier die Intensivst­ationen überlastet.

Ebenso will Präsident Macron die französisc­he Armee für Krankentra­nsporte einsetzen, um Patienten unter den Regionen besser zu verteilen. Dieser Schritt wurde von Jean Rottner, dem Präsidente­n der Region Grand Est begrüßt. Rottner war selbst jahrelang Arzt auf der Intensivst­ation im Mühlhausen­er Krankenhau­s. Am Wochenende hatte er in einem Fernsehint­erview gewarnt, dass das Coronaviru­s nicht ausschließ­lich ältere Menschen bedrohe und über Fälle von jungen Patienten berichtet, die in Mülhausen beamtet werden müssen. Im Anschluss an Macrons Ansprache gestern Abend gab er im Fernsehsen­der France 2 nochmal ein Interview zum aktuellen Stand. „Seit Ende letzter Woche merken wir eine Steigerung mit zusätzlich­en Sterbefäll­en und mehr Beatmungsp­atienten, die wir zu anderen Krankenhäu­sern verlegen müssen“, sagte er. Einziger Hoffnungss­chimmer: „45 Menschen sind geheilt aus dem Krankenhau­s entlassen worden.“

Insgesamt sind in der Grenzregio­n Grand Est inzwischen 1543 Menschen infiziert – davon 222 im Départemen­t Moselle, das eine Grenze zum Saarland hat. Das bestätigt die regionale Gesundheit­sbehörde ARS. Alle Kliniken in Grand Est versuchen, ihr Personal aufzustock­en. Ärzte, Krankensch­western und Pfleger, die seit weniger als fünf Jahren in Ruhestand sind, werden aufgerufen, sich auf freiwillig­er Basis bei den örtlichen Krankenhäu­sern zu melden, um Unterstütz­ung zu leisten.

Obwohl der Einkauf in Lebensmitt­elgeschäft­en erlaubt bleibt, erlebten die Supermärkt­e in der Grenzregio­n am Montag und noch gestern einen Riesenanst­urm. In der Grenzstadt Forbach standen die Menschen bis zu anderthalb Stunden an, um den Supermarkt Cora zu betreten. Nachdem sich manche Kunden aggressiv verhalten hatten, rief die Supermarkt-Leitung die Menschen zur Besonnenhe­it auf. Auch vor dem Super U in Oeting mussten sich die Menschen länger gedulden. Am Eingang achtete Security-Personal darauf, dass sich nicht zuviele Menschen gleichzeit­ig im Gebäude aufhielten.

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FOTO: CHRISTOPHE ENA/AP Gespenstis­che Ruhe herrschte am Dienstag vor dem Triumphbog­en in Paris.
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FOTO: VON JUTRCZENKA/DPA Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron verkündete am Montag eine Ausgangssp­erre.

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