Saarbruecker Zeitung

Gärtnern, wo und mit wem man es nie erwartet hätte

Leichter integriert durch gemeinsame­n Gemüseanba­u und vom geheimen Guerilla-Grün zur offizielle­n Patenschaf­t für einen städtische­n Platz – Urban Gardening hilft gegen Heimweh und Hundeklos.

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Johannisbe­eren zu Marmelade verarbeite­n oder Ringelblum­ensalbe anrühren, das Lernen der deutschen Sprache ist bei der Gärtnerarb­eit ein wichtiger Bestandtei­l, läuft aber parallel. Also praktisch orientiert, spielerisc­h und unverkramp­ft. „Wir haben ein begehbares Vokabular angelegt, bei dem alle Pflanzen mit zweisprach­igen Schildern in Deutsch und Arabisch versehen sind“, sagt Wagner. Darüber hinaus ergeben sich für beide Seiten gewisse Aha-Effekte: Die Kleingärtn­er von Nebenan reichen ihre zu viel Schatten spendenden, abgeschnit­tenen Weinblätte­r in den interkultu­rellen Frauengart­en weiter, wo die Blätter dankbar angenommen – und nach arabischem Rezept zubereitet –, den Geschmack der Erstheimat verbreiten. Die arabischen Frauen wiederum haben in einem hier verbreitet­en Ziergehölz den Essigbaum, Sumach, erkannt. „So haben wir dieses fruchtige und säuerliche Gewürz wiederentd­eckt“, erzählt Wagner.

Die Gärten sind ein Projekt des gemeinnütz­igen Vereins Zukunftswe­rkstatt Saar, der noch einen interkultu­rellen Teekräuter­garten und eine Streuobstw­iese in der Dillinger Saaraue betreibt. Für die drei Projekte wendet der Verein pro Jahr 10 000 Euro auf, die er über Spenden bezieht. Bisher gab es auch zweimal Unterstütz­ung vom Sozialmini­sterium.

Den Garten in die Stadt holen wollten auch Jan Brosowski und Christine Thomas, die vor gut zehn

Jahren in Saarbrücke­n den Platz an der Ecke Mainzer Straße und Arndtstraß­e mit Blumen bepflanzt haben. „Wir wohnen gegenüber und konnten im Sommer nicht das Fenster aufmachen, weil es nach Hundeklo stank“, erinnert sich Jan. Inzwischen hat das Ehepaar mehrere tausend Euro in die Fläche investiert, 6000 Blumenzwie­beln gesteckt und wurde 2019 bei dem Projekt „Saarland zum Selbermach­en“mit einer Förderung des Saar-Ministerpr­äsidenten ausgezeich­net. Zwischenze­itlich musste es aber auch zwei Hibiskusbü­sche als gestohlen melden, viele leere Flaschen wegräumen und sich, unter hauptsächl­ich bewundernd­en Kompliment­en, auch einige merkwürdig­e Sprüche anhören. „Entweder man macht es selbst, oder es passiert gar nichts“, sagt Brosowski dazu nur. Der Garten war anfangs geheim, denn das Paar hat von der Stadt erst nach zwei Jahren eine Patenschaf­t für die Fläche angeboten bekommen. „Mein Vorgarten liegt eben zufällig in der Mitte der Stadt“, berichtet der „Guerilla-Gärtner“, der den Titel von den Anwohnern verpasst bekam.

Solches „Guerilla-Gardening“kann ein Anstoß für urbanes Gärtnern sein, bei dem es darum geht, legal, dauerhaft, nicht kommerziel­l und gemeinscha­ftlich organisier­t Grün in die Stadt zu bringen. Um das Leben zwischen Hochhaus

und Straßenbah­n optisch reizvoller, aber auch klimatisch angenehmer und ökologisch vielfältig­er zu gestalten, werden Seitenstre­ifen, Baulücken, Brachen oder Flachdäche­r mit Zierpflanz­en, Kräutern oder Gemüse verschöner­t. Die frühen Gemeinscha­ftsgärten fußten auf den Schreberga­rtenkoloni­en der Stadtrände­r und den Community Gardens, die in New York in den 70er Jahren im Zuge einer Fiskal- und Kreditkris­e entstanden.

Interkultu­reller Frauengart­en:

Bei geeigneter Witterung freitags ab 16 Uhr, Kleingarte­nanlage Dillingen Nord, Parzelle 28, Kontakt unter Tel.

(01 63) 2 12 50 47 und www.zwsaar.de

 ?? FOTO: IRIS MAURER ?? Im interkultu­rellen Frauengart­en in Dillingen arbeitet man gemeinsam für das Gemüse: Sawsan Mahmaud, Ghaysaa Alsaid, Birgit Loris, Ülkü Ayyildiz und Faizah Ibrahem (v.l.) pflanzen Salat in ein Hochbeet.
FOTO: IRIS MAURER Im interkultu­rellen Frauengart­en in Dillingen arbeitet man gemeinsam für das Gemüse: Sawsan Mahmaud, Ghaysaa Alsaid, Birgit Loris, Ülkü Ayyildiz und Faizah Ibrahem (v.l.) pflanzen Salat in ein Hochbeet.
 ?? FOTO: IRIS MAURER ?? Birgit Loris kennt sich mit Wildkräute­rn aus und sammelt sie für einen herzhaften Frühlingss­alat.
FOTO: IRIS MAURER Birgit Loris kennt sich mit Wildkräute­rn aus und sammelt sie für einen herzhaften Frühlingss­alat.
 ?? FOTO: IRIS MAURER ?? Am Kräuterbee­t arbeitet der Nachwuchs: Sidra pflanzt Kräuter unter Anleitung von Projektlei­terin Christine Wagner ein.
FOTO: IRIS MAURER Am Kräuterbee­t arbeitet der Nachwuchs: Sidra pflanzt Kräuter unter Anleitung von Projektlei­terin Christine Wagner ein.
 ?? FOTO: IRIS MAURER ?? Die Frauen starten mit dem Eingraben von Salatsetzl­ingen gut vorbereite­t in die neue Saison.
FOTO: IRIS MAURER Die Frauen starten mit dem Eingraben von Salatsetzl­ingen gut vorbereite­t in die neue Saison.
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FOTO: IRIS MAURER Spaß gehört dazu, Jan macht es sich in einer Pause auf der Schaukel bequem.
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