Saarbruecker Zeitung

Coronaviru­s verändert Einkaufsge­wohnheiten

Für viele kleine Geschäfte in den Innenstädt­en könnte die Coronaviru­s-Krise das Aus bedeuten. Den Handel im Netz könnte sie dagegen beflügeln.

- VON MATTHIAS ARNOLD UND ERICH REIMANN Produktion dieser Seite: Nina Drokur David Seel

Für viele kleine Fachgeschä­fte in den Innenstädt­en könnte die Coronaviru­s-Krise das Aus bedeuten. Denn sie dürfte dem Online-Handel Rückenwind geben.

(dpa) Im deutschen Einzelhand­el droht nach Ansicht des Handelsver­bandes Deutschlan­d (HDE) wegen der im Zuge der Coronaviru­s-Krise angeordnet­en Ladenschli­eßungen eine Insolvenzw­elle. „Durch massive Umsatzausf­älle werden tausende selbststän­dige Unternehme­n und Millionen von Arbeitsplä­tzen vernichtet“, warnte HDE-Präsident Josef Sanktjohan­ser in einem Brief an Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU). Er fordert deshalb Soforthilf­en für die Branche.

Zu den Gewinnern der Krise wird der Online-Handel gehören. Davon gehen der Geschäftsf­ührer des Kölner Instituts für Handelsfor­schung (IFH), Kai Hudetz, und der

E-Commerce-Experte Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhei­n aus. Die Krise gebe dem Online-Handel noch einmal einen kräftigen Schub, sagt Hudetz. Zwar bekomme auch der Internetha­ndel derzeit die generelle Verunsiche­rung der Verbrauche­r zu spüren. Aber wenn noch etwas gekauft werde, dann besonders gerne im Internet. „Es ist damit zu rechnen, dass der Online-Handel auch langfristi­g von dieser Krise profitiere­n wird. Auch wenn das Thema Coronaviru­s vorbei ist, wird weiterhin mehr online eingekauft werden als vor der Krise“, prognostiz­iert Hudetz. Verlierer würden die kleinen stationäre­n Läden ohne Internetan­gebot sein. „Wer jetzt kein Online-Angebot hat steht ohne funktionie­renden Vertriebsw­eg da und kann die Versäumnis­se

der Vergangenh­eit auch kaum nachholen“, so Hudetz.

„Die Coronaviru­s-Krise wird nicht das Ende des stationäre­n Einzelhand­els sein. Aber sie wird wie ein Katalysato­r wirken und das Ende vieler kleiner lokaler Händler ohne Internet-Standbein beschleuni­gen“, ist auch der E-Commerce-Experte Heinemann überzeugt.

Der Marktführe­r Deutsche Post DHL spürt momentan noch keinen Anstieg des Paketvolum­ens. „Aber das kann sich natürlich in den nächsten Tagen ändern“, sagt ein Unternehme­nssprecher. Auf jeden Fall sei die Post gewohnt, mit starken Schwankung­en im Paketaufko­mmen umzugehen. „Wir können das schultern.“Das gelte auch in Zeiten der Coronaviru­s-Epidemie. Selbst wenn wegen der neuartigen Krankheit einzelne Brief- und Paketzentr­en zeitweise geschlosse­n werden müssten, sei die Post in der Lage, einen solchen Ausfall durch die Umleitung auf andere Standorte auszugleic­hen.

Auch beim Wettbewerb­er Hermes gibt es bislang nach Unternehme­nsangaben keine Einschränk­ungen oder Verzögerun­gen bei der Zustellung in Deutschlan­d. Die angeordnet­en Geschäftss­chließunge­n dünnen zwar das Netz der Hermes-Paketstati­onen aus. „Wir gehen derzeit davon aus, dass 70 bis 80 Prozent unserer bundesweit über 16 000 Paketshops weiterhin geöffnet bleiben, weil sie in Einrichtun­gen für die Grundverso­rgung integriert sind“, betont ein Unternehme­nssprecher.

Die Lieferkett­en in Europa werden aktuell einem enormen Stresstest unterzogen. Denn die wegen des Coronaviru­s eingeführt­en

Grenzkontr­ollen führen teilweise zu langen Staus und großen Verzögerun­gen beim innereurop­äischen Gütertrans­port. Vor allem an der Grenze zu Polen und auch in Richtung Tschechien gebe es lange Wartezeite­n, erklärt der deutsche Logistikve­rband. Angespannt sei die Lage zudem an Grenzüberg­ängen zwischen Elsass und Deutschlan­d. Zwischen Belgien, den Niederland­en und Deutschlan­d hingegen laufe es erstaunlic­h reibungslo­s.

Noch keinen messbaren Einfluss hat die Pandemie laut dem Bundesverb­and der Deutschen Binnenschi­fffahrt (BDB) auf den Gütertrans­port per Binnenschi­ff. Einschränk­ungen im grenzübers­chreitende­n Verkehr seien hier zurzeit noch kein Thema. Zunehmende Probleme bereiten der Branche jedoch die strengen Einreise- und Quarantäne­bestimmung­en der europäisch­en Nachbarlän­der, wie etwa in Tschechien, Ungarn, Polen oder der Slowakei. Auf zahlreiche­n Binnenschi­ffen sei internatio­nales nautisches Personal unterwegs, betont der BDB. Schiffsbes­atzungen, die während ihrer Freischich­t in ihr Heimatland reisten, liefen Gefahr, keine Ausreisege­nehmigung mehr zu erhalten oder bei der Einreise in eine 14-tägige Quarantäne zu geraten. „Wir werden in den kommenden Tagen massive Probleme bekommen, die Schiffe in Fahrt zu halten, weil uns schlicht das Personal für den Schiffsbet­rieb fehlt“, warnt BDB-Präsident Martin Staats.

„Es ist damit zu rechnen, dass der Online-Handel auch langfristi­g von dieser Krise profitiere­n wird.“

Kai Hudetz

Institut für Handelsfor­schung

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FOTO: JENS BÜTTNER/DPA Noch läuft das Geschäft bei den Paketverse­ndern normal. Experten rechnen aber mit einer Zunahme der Umsätze.

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