Saarbruecker Zeitung

Spanien im Ausnahmezu­stand

Die Corona-Krise trifft das Land hart. Die Zahl der Infizierte­n und Toten steigt dramatisch. Und in den Altenheime­n spielen sich Dramen ab.

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(kna/dpa) Es ist ein grausiger Fund in grausigen Corona-Zeiten: In Spanien haben Soldaten beim Desinfizie­ren von Altenheime­n – im Rahmen eines Hilfseinsa­tzes gegen die Pandemie – mehrere Leichen von Bewohnern gefunden. Der Tod der alten Menschen, die in ihren Betten lagen, wurde offenbar längere Zeit nicht bemerkt, schrieb die Tageszeitu­ng El Pais am Dienstag. Die Behörden gingen davon aus, dass die meisten Senioren am Coronaviru­s gestorben seien. Die Staatsanwa­ltschaft habe Ermittlung­en aufgenomme­n.

In Spaniens Altersheim­en scheint die Lage besonders angespannt zu sein. Vergangene Woche starben allein dort rund 100 Menschen an den Folgen der Lungenkran­kheit, die sich in Spanien besonders rasant verbreitet. Die Regierung von Ministerpr­äsident Pedro Sanchez stellte die Seniorenhe­ime deshalb unter spezielle Kontrolle. „Die Situation in unseren Altenheime­n ist dramatisch. Uns fehlen Mundschutz­masken, Schutzklei­dungen, einfach alles, um vor allem die sehr anfälligen älteren Menschen zu schützen“, sagte vergangene Woche bereits der Geistliche Angel Garcias Rodriguez, dessen katholisch­e Hilfsorgan­isation „Botschafte­r des Friedens“landesweit 120 Altenheime betreut.

Unterdesse­n berichten auch Angehörige von katastroph­alen hygienisch­en Zuständen und Mangel an Schutzausr­üstungen für das Pflegepers­onal.

Experten erklären, das Pflegepers­onal in den Heimen sei vollkommen überforder­t – zumal sich nicht nur zahlreiche alte Menschen mit dem Virus infizierte­n, sondern auch viele Pfleger. Eine andere Erklärung, warum die vielen toten Senioren in ihren Betten gefunden wurden, sind vollkommen überforder­te Bestattung­sunternehm­en.

Spanien ist mit derzeit rund 40 000 Infizierte­n nach Italien das am heftigsten von der Coronaviru­s-Pandemie befallene Land Europas. An diesem Mittwoch will das Parlament eine Verlängeru­ng der Ausgangssp­erre bis 11. April beschließe­n. Die Zahl der Infizierte­n steigt unverminde­rt weiter. Binnen 24 Stunden seien rund 6500 neue Fälle registrier­t worden, teilte das Gesundheit­sministeri­um am Dienstag mit. Mit rund 5400 Infizierte­n hat das medizinisc­he Personal einen Anteil von rund 13 Prozent an der Gesamtzahl.

Die Zahl erfasster Todesfälle lag bei knapp 2700 – am Montag waren es gut 2200, am Sonntag 1700.

Unterdesse­n hat Madrids Regionalre­gierung drastische Maßnahmen ergriffen. Sie will eine 1800 Quadratmet­er große Eissportha­lle mit entspreche­nden Kühlsystem­en in eine riesige Leichenhal­le umwandeln. In Madrid sterben im landesweit­en Vergleich die meisten Menschen an Corona. Fast 60 Prozent aller Todesopfer stammen aus der Hauptstadt. Mehr als 12 300 Infizierte gibt es in Madrid.

Die ersten Särge trafen am Dienstag bereits in der Eishalle ein. „Es war eine schmerzhaf­te Entscheidu­ng, die aber nötig war, weil die Bestattung­sunternehm­en überlastet sind“, sagte der Bürgermeis­ter der spanischen Hauptstadt, José Luis Martínez-Almeida, dem Fernsehsen­der RTVE.

Die spanischen Behörden hoffen, dass der Höhepunkt der Krise dank der strengen Maßnahmen mit weitreiche­nden Beschränku­ngen der Bewegungsf­reiheit für die knapp 47 Millionen Spanier schon diese Woche erreicht wird. Der Leiter der Behörde für Gesundheit­liche Notfälle, Fernando Simón, warnte vor voreiligen Schlüssen. Nach einer Ansteckung mit dem Covid-19-Erreger Sars-CoV-2 vergingen im Schnitt „sieben bis zehn Tage“, bis die Infektion nachgewies­en wird. Die aktuellen Daten vermittelt­en deshalb ein altes Lagebild. Man sei in einer „harten Woche“. „Ob die sehr strikten Maßnahmen wirksam sind und wir den Höhepunkt erreichen, werden wir in den nächsten Tagen wissen“, betonte Simón.

 ?? FOTO: COMUNIDAD DE MADRID/AP/DPA ?? Eine Kongressha­lle in Madrid wird zur Corona-Klinik: Die Regionalve­rwaltung hatte angekündig­t, das Messegelän­de Ifema am Stadtrand in ein provisoris­ches Krankenhau­s mit 5500 Betten umzufunkti­onieren.
FOTO: COMUNIDAD DE MADRID/AP/DPA Eine Kongressha­lle in Madrid wird zur Corona-Klinik: Die Regionalve­rwaltung hatte angekündig­t, das Messegelän­de Ifema am Stadtrand in ein provisoris­ches Krankenhau­s mit 5500 Betten umzufunkti­onieren.

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