Saarbruecker Zeitung

Wenn der Kollege zum Vorgesetzt­en wird

Wer befördert wird, hat Grund zum Feiern. Doch auf dem Weg vom Mitarbeite­r zur Führungskr­aft lauern Fallstrick­e.

- VON JULIA FELICITAS ALLMANN

(dpa) Auch wenn man sich noch so sehr gewünscht hat, der neue Chef des eigenen Teams zu werden: Wer innerhalb des Unternehme­ns zur Führungskr­aft befördert wird, sollte genau darauf achten, wie dieser Schritt vollzogen und verkündet wird. Schlimmste­nfalls können sonst selbst enge Beziehunge­n zerbrechen. „Es ist zunächst extrem wichtig, wie der Übergang kommunizie­rt wird“, sagt Sabine Strobel, Coach für Führungskr­äfte und Teamentwic­klung aus Garmisch-Partenkirc­hen. „Optimalerw­eise sollten es alle Mitarbeite­r gemeinsam von der neuen Führungskr­aft erfahren, der übergeordn­ete Chef sollte dabei Rückhalt von oben demonstrie­ren.“Als zweiter Schritt folgen idealerwei­se Einzelgesp­räche, um Erwartunge­n von beiden Seiten abzustimme­n.

Die Beförderun­g in persönlich­en Gesprächen mitzuteile­n, ist nicht zu empfehlen. Selbst dann nicht, wenn es sich um enge Freunde handelt, die bislang Kollegen waren. Denn dann besteht immer die Gefahr, dass sich die Neuigkeit herumspric­ht.

„Das Schlimmste ist es, wenn es Mitarbeite­r durch jemand Anderen erfahren. Das ist wie bei einer Jacke, bei der man den ersten Knopf falsch zuknöpft – das zieht sich immer weiter durch. Der erste Auftritt muss sitzen“, sagt Strobel.

Was nach dieser ersten Ankündigun­g besonders wichtig ist: Gespräche mit Personen führen, die sich ebenfalls auf die Führungspo­sition beworben, diese aber nicht bekommen haben. „Dieses Thema sollte man so schnell wie möglich unter vier Augen ansprechen“, rät Strobel. „Das ist eine unangenehm­e Situation für beide Seiten, aber man sollte sie thematisie­ren und gemeinsam daran arbeiten. Die Hauptsache ist, dass es hier keine unausgespr­ochenen Tabus gibt.“

Kann man als neue Führungskr­aft weiterhin mit den Mitarbeite­rn die Mittagspau­se verbringen oder in eine Kaffee-Runde platzen? Das muss jeder für sich beantworte­n und vom Einzelfall abhängig machen: „Es hängt davon ab, wie das Verhältnis vorher war“, sagt Business Coach Renate Freisler aus Nürnberg. „Wenn es sehr eng und freundscha­ftlich war und die Führungskr­aft auf einmal total distanzier­t ist, kann das die Mitarbeite­r irritieren.“

Grundsätzl­ich gilt der Expertin zufolge: „Weil Sie Führungskr­aft sind, sind Sie ja kein anderer Mensch, sondern Sie haben eine neue Rolle und andere Aufgaben.“Wichtig ist es, die neue Position und das veränderte Aufgabenge­biet klar zu kommunizie­ren und sich Zeit dafür zu nehmen: „Strategisc­he Arbeit und Führungsau­fgaben haben Priorität vor operativer Hektik im Tagesgesch­äft.“Wer das nicht ernst nimmt, kann die Folgen in der neuen Rolle noch lange spüren.

Auch Strobel empfiehlt, viel Wert auf die richtige Kommunikat­ion zu legen. Vor allem im Umgang mit Mitarbeite­rn, die gleichzeit­ig Freunde sind: „Ich sollte immer artikulier­en, aus welcher Rolle ich gerade spreche.“

Renate Freisler

Ob eine Freundscha­ft unter Kollegen trotz Beförderun­g zur Führungskr­aft anhält, hängt der Expertin zufolge davon ab, worauf diese Beziehung fußt: „Wenn ein zentraler Aspekt der Freundscha­ft war, dass man gemeinsam über den Chef oder die Arbeit lästert, dann können Beziehunge­n zerbrechen“, sagt sie. Das könne genauso passieren, wenn jemand in den Betriebsra­t oder Personalra­t wechselt und dadurch plötzlich in einer anderen Rolle handelt.

Unabhängig von engen Freundscha­ften ist es möglich, nach dem Wechsel in den Chefsessel die Mittagspau­se mit den Mitarbeite­rn zu verbringen: „Wenn Sie vorher mit Ihren Kolleginne­n und Kollegen zum Essen gegangen sind, dann sollten Sie das auch weiterhin tun“, rät Freisler. „Es wäre kontraprod­uktiv, sich in den Elfenbeint­urm zurückzuzi­ehen, nur weil Sie Führungskr­aft sind.“Es könne passieren, dass sich die Anwesenden anders verhalten als früher. Wer befördert wird, muss das aushalten können.

Ob es leichter ist, eine neue Führungsro­lle im gleichen Unternehme­n

oder einem komplett unbekannte­n Umfeld zu übernehmen, hängt von der eigenen Persönlich­keit ab. „Analytisch­e Typen können meist gut vom Kollegen zum Vorgesetzt­en wechseln, da ihnen die Abgrenzung leichter fällt“, sagt Strobel.

Wer stark auf der Beziehungs­ebene handele, für den könne es einfacher sein, eine neue Rolle in einem anderen Unternehme­n zu übernehmen: „In diesem Fall kann es für die neue Führungskr­aft leichter und damit auch für das Unternehme­n besser sein, wenn man von außen kommt“, erklärt die Expertin. „Für Beziehungs­typen ist es schwierig, beispielsw­eise einen Mitarbeite­r zu versetzen, von dem man weiß, dass er drei Kinder hat und gerade erst ein Haus gebaut hat. Auch wenn das eigentlich die beste Entscheidu­ng wäre.“

„Wenn Sie vorher mit Ihren Kollegen zum Essen gegangen sind, dann sollten Sie das auch weiterhin tun.“

Business Coach

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FOTO: KLOSE/DPA Ein lockerer Umgang mit den Kollegen? Als neue Führungskr­aft ändert sich das womöglich.

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