Didi von Boch dokumentiert Amerikaner in der Corona-Krise
Sie stammt aus der Mettlacher KeramikDynastie, lebt aber in San Francisco. Dort dokumentiert Elisabeth von Boch auf ihre Weise die Corona-Krise. Sie fotografiert Familien, die daheim bleiben.
Die schönsten Momente des Lebens sind normalerweise Elisabeth von Bochs Metier. Neugeborene fotografiert sie, Hochzeitspaare, überhaupt, wenn Menschen fröhlich sind, ’was zu feiern haben. Jetzt aber dokumentiert die Nachkommin aus der Mettlacher Keramik-Dynastie (Wendelin von Boch ist ihr Onkel, die renommierte Fotografin Monika von Boch war eine Großtante), wie Menschen in der Corona-Krise sich und ihr Zusammenleben neu finden müssen. Dort, wo sie selbst seit acht Jahren mit ihrem Mann Philipp und den beiden Kindern lebt – in San Francisco.
Eigentlich steht die Westküsten-Metropole als Synonym für freies Leben und Denken, war mal das Traumziel aller Hippies. „Doch jetzt traut sich hier keiner mehr auf die Straße. Völlig gespenstisch. Alles ist geschlossen, die Geschäfte zum Teil mit Brettern vernagelt oder sogar zugemauert“, berichtet die Fotografin von der dramatischen Lage in der 800 000-Einwohner-Stadt am Pazifik. Mittlerweile gelten die USA als trauriger Rekordhalter in der Covid-19-Statistik: Nirgendwo sonst gibt es aktuell so viele Infizierte wie in dem Land, dessen Präsident die Gefahr durch das Virus erst leugnete, dann kleinredete. Und das bei einem Gesundheitssystem, das schon zu normalen Zeiten viele ausschließt, weil sie sich einfach keine Krankenversicherung leisten können. Zum Glück sind viele Amerikaner aber vernünftiger als ihr Präsident und bleiben daheim. „Was aber knallhart für sie ist“, meint von Boch, „wer drei Wochen nicht arbeiten geht, ist seinen Job los.“
Auch „Didi“von Boch, wie sie sich selbst nennt („Hier kann keiner was mit meinem Namen anfangen“), bleibt mit ihrer Familie zuhause. Zwei Stunden pro Tag aber zieht von Boch, die zunächst bei V&B eine Fotografen-Ausbildung machte, einige Jahre auch in Schwemlingen ein Fotostudio betrieb, bevor sie der „Liebe wegen“in die USA ging, los – und lichtet in allen Teilen San Franciscos (aus gebührendem Abstand) Familien ab, die die Pandemie in ihre Wohnungen zwingt. Viele von ihnen wagen sich tatsächlich nicht raus. Deswegen fungieren die Fenster als Schnittstelle zwischen Außen- und privater Innenwelt, an denen die Fotografin den Familien begegnen kann. Oft entstehen fröhliche Bilder, Momentaufnahmen, die vom schützenden Kokon Familie erzählen, aber man ahnt auch, wie die
Krise Menschen plötzlich auf engem Raum schonungslos konfrontiert. Von Bochs Bilder werden so zu Fenstern zu vielen verschiedenen Familiengeschichten – und sind zugleich ein Spiegel des US-amerikanischen Alltags. Mal rahmt der Vorstadttraum einer rausgeputzten Fassade, mal ein Etagen-Fenster zum Hinterhof den Einblick ins Private. Manche Familien aber treten auch aus dem engen Rahmen heraus, kommen bewusst vor die Tür. Wie die Familie der Krankenschwester, die seit Wochen ununterbrochen im Dienst ist. Müdigkeit, Erschöpfung spricht aus ihrem Gesicht, aber auch Entschlossenheit. „Eine Superheldin“, sagt Didi von Boch.
Als die Pandemie die USA erreichte, wusste die Fotografin sofort, mit ihrer Arbeit musste sie etwas dagegen setzen. Ein positives Ausrufezeichen, ein Signal des Zusammenhalts. Auf einer Internet-Plattform, in der im
Raum San Francisco über 15 000 Mütter vernetzt sind und die sie sonst für die Akquise ihrer Aufträge nutzt, lancierte sie vor zwei Wochen ihre Fensterbilder-Idee. „Eine riesige Welle“von Familien meldete sich, so viele, dass sie sie beim besten Willen nicht alle fotografieren kann. 100 Familien will sie aber schaffen. Vorerst findet man Didi von Bochs Fensterbilder ausschließlich im Internet. Doch „ein Buch wäre ein schönes Ziel“, meint sie. Damit etwas bleibt. Von der Verletzlichkeit in dieser besonderen Zeit, aber auch von der ungeheuren Stärke der Familien. www.didivonbochphotography.com www.instagram.com/didivonbochphotography