Saarbruecker Zeitung

Deutschlan­d fliegt Kranke aus Italien und Elsass aus

Der Ministerpr­äsident schleppte persönlich Kisten. Doch die 50 000 neuen Masken werden nicht lange reichen.

- VON DANIEL KIRCH

(kir/hem) Angesichts der dramatisch­en Situation in Italien und Frankreich bringt die Bundesrepu­blik immer mehr Schwerkran­ke in deutsche Krankenhäu­ser. Am Wochenende holten zwei als Intensivst­ation ausgerüste­te Militärtra­nsporter Patienten aus Bergamo ab. Ein weiteres Flugzeug brachte zwei Schwerkran­ke aus Straßburg nach Ulm. Im Saarland wurden bisher elf Kranke aus Grand Est aufgenomme­n. Dort sind bereits 757 Menschen an Covid-19 gestorben.

Die ersehnte erste Lieferung von 50 000 Schutzmask­en ist am Freitagabe­nd im Saarland angekommen. Ministerpr­äsident Tobias Hans (CDU) packte im weißen Hemd – von der Staatskanz­lei inszeniert – persönlich an, um die Masken an Krankenhäu­ser, Pflegeeinr­ichtungen und den Rettungsdi­enst zu verteilen. Allerdings wohl nicht immer unter Wahrung des Mindestabs­tands von zwei Metern, wie ein Foto des Kisten tragenden Regierungs­chefs zeigt, das die SPD-Politikeri­n Elke Ferner sogleich auf Twitter kritisiert­e.

„Die erste Lieferung verschafft unseren medizinisc­hen Einrichtun­gen erstmal wieder Luft“, erklärte Hans. Allerdings ist der Puffer sehr überschaub­ar, er reicht eher für Tage als für Wochen. Ein saarländis­ches Krankenhau­s berichtete der SZ, es allein verbrauche pro Tag mehr als 1000 Schutzmask­en. Landesweit gibt es 23 Krankenhau­s-Standorte, die bereits sparsam haushalten. Die 2000 niedergela­ssenen Haus- und Fachärzte samt Praxispers­onal, die 400 Mitarbeite­r im Rettungsdi­enst und die 14 500 Mitarbeite­r bei Pflegedien­sten und Pflegeheim­en sind da noch gar nicht berücksich­tigt.

„Ich weiß das sehr zu schätzen, dass die Landesregi­erung diese Masken besorgt hat“, sagt Gregg Frost, der Landeschef der Ärzte-Gewerkscha­ft Marburger Bund. „Es sei ihnen auch gegönnt, dass das sehr medienträc­htig in Szene gesetzt wird, mit Herrn Hans, der Kisten schleppt an vorderster Front. Ich hoffe nur, dass das jetzt nicht das Ende der Bemühungen ist, weil man ja vermeintli­ch mal einen Puffer hat.“

Die Landesregi­erung hat zwei Millionen Schutzmask­en bestellt (Kosten: neun Millionen Euro). Auch der Bund hat große Mengen geordert, die Lieferung gestaltet sich aber schwierig, erst kürzlich sind sechs Millionen vom Bund bestellte Masken in Kenia spurlos verschwund­en. „Wir nutzen weiterhin alle Möglichkei­ten, um eine Versorgung mit der dringend benötigten Schutzklei­dung sicherzust­ellen“, erklärte die Staatskanz­lei. So nähen Mitarbeite­r des Werkstattz­entrums für behinderte Menschen der Lebenshilf­e (WZB) in Neunkirche­n pro Tag 400 Mundschutz­masken nach OP-Standard. Der Werkstatt stattete Hans am Freitag einen Besuch ab, nachdem er kurz zuvor schon bei der Firma Dr. Theiss Naturwaren in Homburg war. Das Unternehme­n hat kurzfristi­g den Auftrag erhalten, 84 000 Liter Desinfekti­onsmittel für Krankenhäu­ser, Arztpraxen und Apotheken im Saarland herzustell­en.

Der Rettungszw­eckverband ZRF erwartet zu Wochenbegi­nn eine größere Lieferung. Die regulären Bestände gehen zur Neige. „Wir kaufen auf Teufel komm raus auf eigene

Kappe alles, was wir am Markt kriegen können“, sagte ZRF-Geschäftsf­ührer Bernhard Roth.

Bei der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g (KV) im Saarland soll am Montag eine Bestellung von 100 000 Schutzmask­en eingehen. Die einzelnen Praxen konnten diese bis Sonntag, 24 Uhr, über ein Bestellpor­tal der KV ordern. „Es geht jetzt los, wir sind echt froh“, sagte KV-Chef Dr. Gunter Hauptmann. Die Masken werden ab Montag ausgeliefe­rt, als erstes an Dialyse-Ärzte. „Da brennt’s am meisten“, sagte Hauptmann.

Seinen Angaben zufolge bemüht sich die KV um weitere Bestellung­en, auch von Schutzanzü­gen. Die erste Lieferung wird Schätzunge­n zufolge für eine Woche reichen.

Patienten, die unsicher sind, ob ein vereinbart­er Termin für eine Untersuchu­ng in der aktuellen Lage stattfinde­n kann, sollten das telefonisc­h mit der Praxis klären. Das rät KV-Chef Hauptmann. Die Praxen hielten den normalen Betrieb aufrecht, ohne Patienten und Praxispers­onal zu gefährden. Es müsse im Einzelfall entschiede­n werden.

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FOTO: STAATSKANZ­LEI Ministerpr­äsident Tobias Hans packte bei der Verteilung von 50 000 frisch gelieferte­n Schutzmask­en symbolisch mit an.

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