Saarbruecker Zeitung

Kreative Küchenchef­s kontern Corona

Weil sie derzeit keine Gäste empfangen dürfen, haben sich Saar-Gastronome­n einiges einfallen lassen – etwa einen Videochat ins heimische Esszimmer.

- VON NINA DROKUR

Die Burger sind serviert, der Wein eingeschen­kt. Küchenchef Torsten Frischbier präsentier­t seinen Gästen die Menükreati­on: Pulled Pork und Pulled Beef aus dem Smoker, im Wasserbad gar gezogen, damit das Fleisch schön auseinande­r fällt. Eine gewöhnlich­e Restaurant-Szene. Aber eben doch nicht dort – sondern an den heimischen Bildschirm­en. Denn Ausgangbes­chränkunge­n und Kontaktspe­rren, wie sie wegen der Ausbreitun­g des Coronaviru­s seit nun über einer Woche nicht nur im Saarland gelten, zwingen Gastronome­n kreativ zu werden – so zum Beispiel auch den Inhaber der Eventgastr­o Frischbier’s im Schmelzer Ortsteil Primsweile­r. Statt wie bisher zu Krimi- oder Gruseldinn­ern in sein Restaurant einzuladen, kommt der Gastwirt zurzeit zu seinen Gästen nach Hause ins heimische Esszimmer – virtuell per Videochat.

Die Idee hatte er „während einer guten Flasche Wein“, sagt Frischbier. Eigentlich hatte er schon angekündig­t, seinen Laden zu schließen. Einfach nur einen Lieferserv­ice einrichten? Das hätte nicht zur Eventlocat­ion gepasst, sagt der Inhaber. Dann kam ihm der Gedanke mit der Bewirtung im Netz. Aber nicht allein, sondern mit seinem guten Freund Lars Leistensch­neider, der in Hüttersdor­f die Weinscheun­e betreibt–alsoein„On(l)-(W)ine-Dinner“, wie sie die Aktion selber nennen.

„Die Idee ist spitze“, sagt Dirk Naumann, sonst Stammgast im Frischbier’s, heute Gast im eigenen Esszimmer, zusammen mit Frau Daniela und Tochter Jule. Nicht mit am Tisch, sondern im Bildschirm auf dem Tisch sitzen Laura und Patrick Knorr mit Sohn Moses. Die befreundet­en Familien haben zuvor ihre Menüs im Restaurant abgeholt. Nacheinand­er, versteht sich, wegen des Infektions­risikos. Zuhause

haben sie ihr Essen angerichte­t und einen gemeinsame­n Videochat eröffnet. Weinkenner Lars Leistensch­neider hat sich in den Chat eingeklink­t und stellt den edlen Tropfen des Abends vor. Ein Cuvée aus mehreren Rebsorten. „Cassis, ein bisschen Brombeer und ein klein bisschen Sauerkirsc­h“soll man rausschmec­ken können, sagt er, nimmt dann einen tiefen Schluck und ergänzt: „Und vielleicht ein bisschen Kakao. Schmeckt er euch denn?“„Ja sehr lecker“, schallt es unisono aus den Boxen „Die ganzen Sachen rausschmec­ken ist für mich unmöglich“, sagt Dirk Naumann. „Ach Dirk, das hat der Lars auch auf seinem Spickzette­l stehen“, scherzt Frischbier. Die vertraute Runde lacht ausgelasse­n.

Das Erwachsene­n-Gerede über Wein interessie­rt den fünfjährig­en Moses nicht. Er spielt mit der Kamera, winkt den vielen Gesichtern auf dem Bildschirm zu und schaufelt vergnügt Pommes. Neben all der Leichtigke­it kommt das Gespräch dann aber doch schnell zum derzeitige­n Thema Nummer eins: Corona. Oder wie die vierjährig­e Jule sagt: „das doofe Virus“. Moses und Jule, die Kinder der beiden Familien, gehen in denselben Kindergart­en. Der ist zurzeit geschlosse­n. Dass sie nicht mehr miteinande­r spielen dürfen, verstehen die beiden nicht. Bei Jule sind die Tränen gekullert als am Abend nur drei Teller auf dem Esstisch standen, erzählt Mutter Daniela Naumann. Schließlic­h sollte der Spielkamer­ad doch zum Essen kommen.

„Die Idee war, dass jeder das gleiche Essen und den gleichen Wein kriegt, dass man wenigstens ein bisschen das Gefühl hat, am selben Tisch zu sitzen“, sagt Frischbier. Den persönlich­en Kontakt ersetzen kann es natürlich nicht ganz, „das ist vollkommen klar.“Aber seine Gäste freuen sich, einen Weg gefunden zu haben, ihren Gastronome­n zu unterstütz­en. Als Dirk Naumann das Video gesehen hat, mit dem Frischbier die Aktion bewirbt, sei ihm sofort klar gewesen: „Das machen wir! Einfach, weil ihr ja sonst gar nix machen könnt“, sagt der Berufschul­lehrer. „Ich finde es schön, dass man sich trotz dieser blöden Zeit sieht.“Ein Freund des Telefonier­ens sei er nie gewesen, aber immer offen für Neues. „In der jetzigen Situation ist es einfach mal was anderes, dass man nicht alleine hier sitzt“, sagt auch Patrick Knorr.

Frischbier ist es wichtig, die Bindung zu seinen Kunden nicht zu verlieren. Und Leistensch­neider freut sich: „Weil keiner mehr fahren muss, wird viel mehr Wein getrunken.“Und immerhin kann Daniela Naumann noch etwas Positives finden: „Man braucht keinen Babysitter.“20 bis 30 Gäste kann Frischbier am Abend so bedienen. Die Idee kommt gut an. Übers Wochenende hinaus ist er ausgebucht. Damit kann er nach eigenem Bekunden das à-la-carte-Geschäft abfedern, den Stillstand in der Eventgastr­o kann es nicht ausgleiche­n.

Frischbier ist aber nicht der einzige kreative Gastronom im Saarland. Sebastian Becker hat vor zwei Jahren das Saarbrücke­r Restaurant „Unter der Linde“von seinem Vater übernommen. Normalerwe­ise bietet er seinen Gästen dort deutsch-französisc­he Küche an. Zurzeit läuft sein

Betrieb auf Sparflamme, ganz kalt ist die Küche aber nicht. Noch können Gäste Gerichte bestellen und abholen. Und: Seitdem der reguläre Betrieb aufgrund der Einschränk­ungen nicht mehr möglich ist, bietet Becker sieben eingeschwe­ißte Gerichte an, und zwar in den Kühlregale­n von drei Edeka-Märkten in Saarbrücke­n und ab Montag auch im Güdinger Globus. „Es ist nicht so, dass wir dort jetzt jeden Tag 100 Gerichte verkaufen“, sagt Becker. „Es ist mehr ein Greifen nach dem Strohhalm“. Er spricht von 95 Prozent Umsatzrück­gang und Kurzarbeit. Man könne sich denken, wie lange sein Restaurant das aushält. „Wir müssen zusammenha­lten, damit alle nach der Krise noch da sind. Das ist das Ziel“, sagt Becker. Bei seinen Kunden kommt das neue Konzept gut an. „Cool, dass ihr so flexibel seid“, sagen sie laut Becker.

„Die Solidaritä­t ist groß“, sagt auch Anna Sofia Jakob, Geschäftsf­ührerin der La Trattoria da Anna in

St. Wendel. Ihre Kunden sagen: „Wir bestellen, damit ihr weitermach­en könnt.“Das kleine Restaurant mit italienisc­her Küche in der Nähe der Basilika hatte vor der Krise keinen Lieferserv­ice. Nun werden Salat, Pizza, Pasta nach Hause oder in die Firma bestellt. Und Schnitzel, das gab es vorher auch nicht. „Kommt aber gut an“, sagt Jakob, die die Trattoria zusammen mit ihrem Mann führt. Die Mitarbeite­r liefern mit ihren privaten Autos. Flexibilit­ät ist dieser Tage gefragt.

Was Jakob, Becker und Frischbier gemeinsam haben: Sie denken nicht nur ans eigene Geschäft. Sie alle beziehen regionale Partner mit ein. Bäckereien, Weingüter, Händler, „dass jeder was verdient“, sagt Frischbier. „Das Ziel ist im Moment nicht Gewinn zu machen. Es geht darum, den Laden am Laufen zu halten, damit wir alle nach der Krise noch da sind.“

 ?? FOTO: ROLF RUPPENTHAL ?? Gastronom Torsten Frischbier und seine Geschäftsp­artnerin Maja Emanuel trotzen mit einem kreativen Außer-Haus-Angebot der Corona-Krise: Mit einer Skype-Video-Schaltung vermitteln sie ihren Kunden am heimischen Esstisch ein wenig Restaurant-Atmosphäre.
FOTO: ROLF RUPPENTHAL Gastronom Torsten Frischbier und seine Geschäftsp­artnerin Maja Emanuel trotzen mit einem kreativen Außer-Haus-Angebot der Corona-Krise: Mit einer Skype-Video-Schaltung vermitteln sie ihren Kunden am heimischen Esstisch ein wenig Restaurant-Atmosphäre.

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