Saarbruecker Zeitung

In der Krise ein Anflug staatliche­r Überheblic­hkeit

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Vor einer Woche verkündete Kanzlerin Angela Merkel nach einer Beratung mit den Ländern per Pressekonf­erenz die Ausgangsbe­schränkung­en. Und sie sagte, dass so etwas keinem Politiker in der Demokratie leicht falle. Mindestens zwei Wochen würden die neuen Regeln dauern.

Diese zwei Wochen sind längst nicht um. Trotzdem teilt nun Kanzleramt­sminister Helge Braun mit, dass vor dem Ende der Osterferie­n nicht an Lockerunge­n zu denken sei. Und zwar en passant per Zeitungsin­terview. Mit Verlaub: Ein besserer Staatssekr­etär verordnet 80 Millionen Deutschen mal eben zwei zusätzlich­e Wochen Ausgangssp­erre. Das ist keine angemessen­e Kommunikat­ion. Sie wird, wenn sie so fortgesetz­t wird, Abwehr und Auflehnung hervorrufe­n.

Vor einer Woche war es richtig, dass der Staat sich entschloss­en und stark präsentier­te. Zu viele hatten den Ernst der Lage nicht verstanden. Nun aber, da sich die allermeist­en Menschen geradezu vorbildlic­h an die Regeln halten, scheinen manche der Verantwort­lichen zu glauben, sie hätten Erklärunge­n nicht mehr nötig. Vielleicht haben sich manche auch an ihre neue Machtvollk­ommenheit gewöhnt. Einige wollen sich sogar damit profiliere­n. Einem solchen Denken muss genauso Einhalt geboten werden wie den Corona-Partys von Uneinsicht­igen.

Es ist mit dem Ziel der Verlangsam­ung der Infektions­rate jedenfalls nicht zu erklären, wenn in Urlaubsreg­ionen alle ihre Zweitwohnu­ngen verlassen müssen, obwohl gerade ältere Menschen dort besser aufgehoben sind als in den Großstädte­n. Oder wenn sich sogar einzelne Landkreise, wie in Brandenbur­g geschehen, zur touristisc­hen Sperrzone erklären, bis hin zur Kontrolle von Ausflügler­n auf Radwegen. Ebenso, wenn Paare, die allein auf einer Parkbank am See sitzen, von dort vertrieben werden, weil sie sich gerade nicht bewegen. Hier geht es nicht um das alte Totschlaga­rgument „Wenn das alle machen würden“. Wenn das alle machen, also zu viele, kann die Polizei immer noch einschreit­en. Wenn nicht, sollte sie die Menschen in Ruhe lassen.

Außerdem: Auch die Bürger erwarten etwas vom Staat.

Das Wirtschaft­s- und Finanzpake­t war eindrucksv­oll, aber was wird getan, um die Menschen mit Schutzmask­en zu versorgen? Viele würden sie jetzt anlegen. Warum werden die öffentlich­en Verkehrsmi­ttel nicht viel öfter desinfizie­rt? Warum gibt es keine einheitlic­hen Abgabemeng­en begehrter Produkte in Drogerien und Supermärkt­en? Wann gibt es genug Tests?

Für alle ist alles neu. Kein Vorwurf an die Verantwort­lichen, wenn Fehler passieren oder wenn es Mängel gibt. Die Lage ist aber umgekehrt auch kein Grund für staatliche Überheblic­hkeit. Der Staat ist gegenüber den Bürgern in der Bringschul­d, die massiven Einschränk­ungen immer wieder zu begründen. Und immer wieder zu beweisen, dass er alles tut, um sie so schnell wie möglich wieder aufheben zu können. Nicht umgekehrt.

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