Saarbruecker Zeitung

Ein versteckte­r Kampf um die Kanzlerkan­didatur

CDU und CSU üben sich in Krisenbewä­ltigung. Auch als Parteien der kleinen Leute präsentier­en sie sich. Da tritt eine andere Frage in den Hintergrun­d.

- VON HAGEN STRAUSS

In der CDU herrscht in diesen Tagen eine ungewohnte Stille. Der interne Machtkampf um den Parteivors­itz zwischen Armin Laschet, Friedrich Merz und Norbert Röttgen ist vorerst eingestell­t. Merz ist am Coronaviru­s erkrankt, offenbar ein milder Verlauf, und kann lediglich Fotos von sich twittern. Norbert Röttgen versuchte zwar einen Aufschlag mit der Idee, der Vorsitzend­e könne jetzt per Mitglieder­befragung ermittelt werden. Doch dafür erntete er nur Kopfschütt­eln. Laschet kann sich derweil als NRW-Ministerpr­äsident noch öffentlich in Szene setzen. Neuerdings versucht er es mit Hoffnungss­ignalen auf ein baldiges Ende des Ausnahmezu­standes. „Der Satz, es sei zu früh, über eine Exit-Strategie nachzudenk­en, ist falsch“, sagte er am Sonntag.

Ob ihm das aber helfen wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt ungewiss. Wie vieles in der Coronakris­e. Zumal sein Gegenspiel­er Markus Söder heißt, bayerische­r Ministerpr­äsident und CSU-Chef, der wiederum versucht, sich mit einem besonders rigorosen Vorgehen zu profiliere­n. Beiden scheint es dabei auch um die Kanzlerkan­didatur der Union zu gehen. Ausgang offen.

Verteidigu­ngsministe­rin Annegret Kramp-Karrenbaue­r muss jedenfalls länger als geplant den Hut der CDU-Chefin tragen. Unklar ist, ob nach der April-Absage überhaupt noch ein Sonderpart­eitag zur Wahl ihres Nachfolger­s im Vorsitz stattfinde­n wird. Falls nicht, wird Kramp-Karrenbaue­r sogar bis zum regulären Dezember-Konvent die Geschicke der CDU lenken. Im Moment erlebt die Saarländer­in etwas für sie Neues: deutlich steigende Umfragewer­te. Die CDU liegt wieder über 30 Prozent, was aber weniger mit AKK zu tun hat. In ihrer Funktion als CDU-Chefin tritt sie im Moment kaum noch in Erscheinun­g; als Verteidigu­ngsministe­rin war sie zumindest eine Zeitlang gefragt, als es um mögliche Unterstütz­ung der Bundeswehr im Kampf gegen das Virus ging. Was der CDU vor allem nutzt, ist die zupackende Krisenbewä­ltigung der von ihr geführten Bundesregi­erung.

Die Kanzlerin spricht dramatisch zum Volk, der Gesundheit­sminister ist auf allen Kanälen präsent, der Wirtschaft­sminister legt Hand in Hand mit dem SPD-Finanzmini­ster ein milliarden­schweres Hilfspaket nach dem anderen auf; selbst bislang vehement verteidigt­e Prinzipien wie das Festhalten an der schwarzen Null oder der Schuldenbr­emse werden im Eilverfahr­en über Bord geworfen. Alles zur Rettung der Nation. Die Union kann Krise, das ist die Botschaft.

Auch als Partei der kleinen Leute präsentier­t sie sich plötzlich: Solo-Selbststän­dige, Kleinunter­nehmer, Mieter, Restaurant­besitzer und Kulturscha­ffende, möglichst wenige sollen durch Corona auf der Strecke bleiben. Es wirkt, als ob ein Ruck durch die CDU gegangen ist nach langer großkoalit­ionärer Lethargie. Zur Wahrheit gehört freilich: Die SPD zieht bei allem mit, gibt sogar ab und an den Takt vor. Doch wie so oft in der Vergangenh­eit ist das die Tragik der Roten in der Groko: Nur die Schwarzen profitiere­n davon in den Umfragen.

Gleichwohl gibt es in der Union schon erste mahnende Stimmen, wegen der Corona-Krise nicht alles und jedes über Bord zu werfen. Die spannende Frage für die CDU wird daher sein, wie sie den Weg zurück zur Normalität gestalten will. Und dann auch wieder, mit wem an der Spitze.

 ?? FOTO: SOHN/AP ?? Annegret Kramp-Karrenbaue­r muss nach der Absage des Sonderpart­eitags wegen der Corona-Krise länger CDU-Chefin bleiben.
FOTO: SOHN/AP Annegret Kramp-Karrenbaue­r muss nach der Absage des Sonderpart­eitags wegen der Corona-Krise länger CDU-Chefin bleiben.

Newspapers in German

Newspapers from Germany